# taz.de -- Streit um Entschädigungen wegen NS-Verbrechen: Deutschland klagt g… | |
> Ein IGH-Urteil zog 2012 einen Schlussstrich. Doch Italiens Justiz hat | |
> auch danach neue Entschädigungsurteile gegen Deutschland gefällt. Berlin | |
> will deren Annullierung. | |
Bild: Internationaler Gerichtshof in Den Haag: Seine Urteile sind bindend und k… | |
Den Haag afp | Deutschland hat im Streit mit Italien um | |
Entschädigungszahlungen wegen Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg Klage | |
vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) eingereicht. Die Bundesrepublik | |
werfe Italien vor, trotz eines Urteils des IGH aus dem Jahr 2012 mehrere | |
neue Verfahren gegen Deutschland zugelassen zu haben, teilte der | |
Gerichtshof am Freitag mit. | |
Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte vor zehn Jahren nach einem | |
langen Rechtsstreit geurteilt, dass Deutschland italienische | |
Militärinternierte und andere italienische NS-Opfer nicht individuell | |
entschädigen müsse. Es untermauerte damit den Rechtsgrundsatz der | |
Staatenimmunität, wonach die von Privatklägern in Italien erstrittenen | |
Urteile unwirksam sind. | |
Trotz des IGH-Urteils hätten italienische Gerichte aber „seit 2012 eine | |
beträchtliche Anzahl von neuen Ansprüchen gegen Deutschland unter | |
Verletzung der souveränen Immunität Deutschlands erhoben“, heißt es in dem | |
Antrag Berlins. | |
Die Bundesregierung bezog sich dabei insbesondere auf ein Urteil des | |
italienischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2014, das „individuelle | |
Klagen von Opfern von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit gegen souveräne Staaten“ zulässt. Dieses Urteil sei „in | |
bewusster Verletzung des Völkerrechts und der Pflicht Italiens ergangen, | |
einem Urteil des wichtigsten Rechtsorgans der Vereinten Nationen | |
nachzukommen“, heißt es in der Klageschrift. | |
Nach Angaben des IGH spricht die Klageschrift von „mindestens 25 neuen | |
Klagen“ gegen Berlin. In mindestens 15 Verfahren seien „Ansprüche gegen | |
Deutschland im Zusammenhang mit dem Verhalten des Deutschen Reichs während | |
des Zweiten Weltkriegs erhoben und beschlossen“ worden. | |
Die Klageschrift fordert eine Verurteilung Italiens, weil es widerrechtlich | |
„Zwangsmaßnahmen gegen deutsches Staatseigentum in Italien“ ergriffen oder | |
angedroht habe. Davon betroffen seien unter anderem das Deutsche | |
Archäologische Institut Rom, das Goethe Institut, das Deutsche Historische | |
Institut sowie die Deutsche Schule in Rom. Bis zu einer | |
Grundsatzentscheidung des Gerichtshofs dürfe keines der aufgeführten | |
Objekte „Gegenstand einer öffentlichen Versteigerung sein“. | |
Italien müsse dafür sorgen, dass alle von den Gerichten getroffene | |
Entscheidungen für unwirksam erklärt werden. Zudem müsse es für alle durch | |
die Verletzung der Staatenimmunität entstandenen Schäden aufkommen. | |
Die Bundesregierung argumentiert, dass die Entschädigungsfrage nach dem | |
Krieg im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommen gelöst worden sei. Sie hatte | |
den IGH Ende 2008 angerufen, um prüfen zu lassen, ob in Italien gefällte | |
Urteile mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Diese Urteile bezogen sich auf | |
Taten, die zwischen September 1943 und Mai 1945 während der deutschen | |
Besatzung in Italien begangen worden waren. | |
Der IGH mit Sitz in Den Haag wurde 1946 gegründet, um Streitigkeiten | |
zwischen Staaten zu schlichten. Seine Urteile sind bindend und können nicht | |
angefochten werden. Allerdings stehen dem UN-Gericht keine Instrumente zur | |
Verfügung, um eine Umsetzung seiner Urteile durchzusetzen. | |
30 Apr 2022 | |
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