| # taz.de -- FDP-Fraktionschef zu Ampelkoalition: „Wir stehen zu Gesprächen b… | |
| > Sebastian Czaja kann sich ein Bündnis mit SPD und Grünen vorstellen, | |
| > falls die Linkspartei wegen des Enteignungsstreits aus dem Senat | |
| > aussteigt. | |
| Bild: Für FDP-Fraktionschef Czaja schließt der Streit um die Autobahn 100 ein… | |
| taz: Herr Czaja, steht die FDP bereit einzuspringen, wenn die Linkspartei | |
| wegen des Enteignungsstreit aus der rot-grün-roten Koalition aussteigt? | |
| Sebastian Czaja: Ich glaube, dass die Linke insgesamt in einer sehr | |
| schwierigen Lage ist. Auf Bundesebene und hier in Berlin stehen sie vor | |
| einer extremen Zerreißprobe. Inwiefern sie noch regierungsfähig ist, müssen | |
| ihre Koalitionspartner bewerten und sie selbst. Ich glaube aber, dass man | |
| mit radikalen Positionen Regierungsfähigkeit nicht unterstreicht. | |
| Mit der Forderung nach Enteignung steht die Linke unter den Parteien ja | |
| nicht allein – die Jusos haben am Wochenende bekräftigt, dass es nur noch | |
| um ein Wie und nicht mehr um das Ob gehen könne. | |
| Das ist aus meiner Sicht schon eine Sache, die sich auf die Linkspartei | |
| beschränkt. Denn die Sozialdemokratie hat ihr Wort gegeben, dass es mit ihr | |
| keine Enteignung geben wird, und die Grünen sind zwiegespalten. Fundamental | |
| für Enteignung steht einzig die Linkspartei. | |
| Umso mehr drängt sich das Szenario eines möglichen FDP-Nachrückens auf: | |
| Linken-Landeschefin Katina Schubert hat jüngst beim Parteitag klargemacht, | |
| [1][dass ein Ausstieg eine Option ist,] wenn es nicht zu einer Enteignung | |
| oder Vergesellschaftung kommt. Was macht dann die FDP? | |
| Die FDP macht das, was sie auch in der vergangenen Wahlperiode gemacht hat: | |
| Wir sind pragmatischer Problemlöser und machen das aus der Opposition | |
| heraus. Wie jetzt beim Wahlalter ab 16, [2][wo wir eine Verfassungsänderung | |
| ermöglichen werden]. | |
| Ist diese Unterstützung der Verfassungsänderung als Annäherung an SPD und | |
| Grüne zu interpretierten? | |
| Wir haben als FDP eine klare Beschlusslage. Deshalb war es keine Frage, ob | |
| wir ein Wahlalter ab 16 möchten, sondern wie es parlamentarisch umgesetzt | |
| wird. In der vergangenen Wahlperiode gab es dafür keine Chance, weil die | |
| CDU die Generationengerechtigkeit nicht herbeiführen möchte, aber jetzt | |
| kommen die Koalition und die FDP zusammen auf die benötigte | |
| Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung. | |
| Zurück zum Szenario, dass die Koalition platzt: Steht die FDP zum | |
| Einspringen für ein Ampel-Bündnis bereit – und geht das gesichtswahrend? | |
| Denn sie wäre ja nur zweite Wahl, nachdem [3][ein erster Anlauf in der | |
| Sondierung] an Grünen und linker SPD scheiterte. | |
| Wir stehen jetzt nicht vor der Frage. Es gibt ja auch Szenarien, dass die | |
| Linkspartei sich einen schlanken Fuß macht, als Konsequenz bloß einen | |
| weiteren Volksentscheid zu Enteignung auf den Weg bringt und in der | |
| Regierung bleibt. | |
| Trotzdem bleibt die Option des Ausstiegs – und damit die Frage, was die FDP | |
| dann macht. | |
| Wir werden uns der Verantwortung nicht entziehen. Wenn dieser Fall | |
| eintreten sollte, stehen wir zu Gesprächen bereit. | |
| Wie sollte denn eine inhaltliche Verständigung beim Großthema A100 | |
| aussehen? Da liegen FDP und Grüne gefühlte Lichtjahre auseinander – und | |
| Streit über eben diese Autobahn hat schon 2011 mal eine Koalition | |
| verhindert, damals eine rot-grüne. | |
| Das ist ja gar kein Thema für das Land Berlin, denn wir sind hier gar kein | |
| handelnder Akteur. Das ist eine Sache des Bundesverkehrswegeplans. In der | |
| Verantwortung ist allein der Bund. | |
| Muss man sich das so vorstellen, dass ein Senat in neuer Zusammensetzung | |
| mit der FDP die A100 behandeln sollte wie einstmals den von der | |
| Bundesregierung gewollten und bezahlten nervigen und unnötigen U-Bahnbau | |
| unter den Linden – einfach hinnehmen? | |
| Ich glaube, dass alle sehr gut beraten wären, wenn sich alle darum kümmern, | |
| wofür sie verantwortlich sind – ich sage nur: Mietendeckel. | |
| … von dem im Gesetz zuvor aber nirgendwo etwas konkret stand und wo die | |
| Zuständigkeit durchaus zu überprüfen war. | |
| Allein das hat viel Zeit gekostet und der Entwicklung der Stadt nicht gut | |
| getan. | |
| In einer Koalition muss es ja auch menschlich passen. Mit der neuen | |
| Grünen-Co-Landeschefin Susanne Mertens vom Realo-Lager haben Sie schon | |
| [4][auf Bezirksebene über eine Ampel verhandelt]. Aber was ist mit dem | |
| linken Flügel? Gibt es da ein Verhältnis? | |
| Das gibt es schon. Ich habe zum Beispiel viele vertrauensvolle Gespräche | |
| mit Werner Graf geführt (Fraktionschef und vorher Landesvorsitzender, d. | |
| taz). Da knüpfen wir schon an. Es bedarf einer Wechselseitigkeit, sich auf | |
| ein solches Vorhaben einzulassen. Sicherlich gibt es da noch das eine oder | |
| andere Vorurteil abzubauen. Aber das geht am besten, indem man gemeinsame | |
| Projekte angeht. Wir haben ein Ampel-Bündnis in Steglitz-Zehlendorf und ein | |
| zweites in Reinickendorf, dort machen SPD, Grüne und FDP jeden Tag | |
| miteinander reale Politik. | |
| Jetzt haben wir viel über die Grünen gesprochen – aber wie ist eigentlich | |
| Ihr Verhältnis zu Regierungschefin Franziska Giffey? Im Parlament kann man | |
| bei gelegentlichen Plänkeleien durchaus das Gefühl haben, dass es da | |
| gewisse Sympathien gibt. | |
| Wir haben im Wahlkampf viel Zeit gemeinsam auf Podien und bei | |
| Veranstaltungen verbracht. Da lernt man einander kennen und auch im | |
| politischen Umgang entwickelt sich Vertrauen – und das leben wir natürlich | |
| auch in der parlamentarischen Arbeit. | |
| 24 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://ticker.taz.de/tkr/2022/04/24.nf/tkr?name=ask7TZ6eT&pos=17 | |
| [2] /Koalition-und-FDP-einigen-sich/!5849898 | |
| [3] /Moegliche-Koalitionen-in-Berlin/!5804105 | |
| [4] /Gruene-brauchen-neuen-Landesvorstand/!5817000 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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