# taz.de -- Reinhold Messner mit Alpensinfonie: Musikalisches Bergwandern | |
> Messner hat am Berg extreme Erfahrungen gemacht, Strauss den Berg | |
> musikalisch beschrieben. In der Berliner Philharmonie kam beides | |
> zusammen. | |
Bild: Fast schon Musik: ein Blick auf die Berge | |
Von der Natur soll die Rede sein und von Grenzerfahrungen samt sinfonischer | |
Wucht … wobei Sinfonieorchester schon deswegen toll sind, weil man sich mit | |
ihnen, sollte es musikalisch mal durchhängen, bereits mit dem Durchzählen | |
der MusikerInnen eine Weile beschäftigen kann. | |
Hier kam sogar noch ein Chor dazu und eine Sopranistin, bei der | |
Uraufführung von „Exiles“, einer Komposition von Julian Anderson mit einer | |
hingetupften und hingeklotzten und überhaupt mit viel Bedeutung | |
aufgepumpten Musik. | |
Aber eigentlich war man an diesem Abend sowieso wegen Richard Strauss und | |
Reinhold Messner in die Berliner Philharmonie gekommen, zum musikalischen | |
Bergwandern: Messner zusammen mit dem [1][Deutschen Symphonie-Orchester | |
Berlin], das „Eine Alpensinfonie“ von Strauss spielt. Vergangenes Jahr ist | |
daraus [2][ein Musikfilm entstanden], am Wochenende wurde dieses | |
„Gipfeltreffen“ erstmals live präsentiert. | |
[3][Der Messner ist ein Mann], der die Welt in ihren Höhen und Weiten | |
durchmessen hat. Alle Achttausender bestiegen, manche Wüste durchquert. | |
Auch Richard Strauss ist mal aufgestiegen, hoch zum Gipfel des Heimgartens, | |
wovon der Komponist in seiner Tondichtung „Eine Alpensinfonie“ ja samt | |
Irrwegen und Gewitter getreulich Bericht erstattet. | |
Wobei der Heimgarten mit seinen 1.791 Metern mehr so ein Jedermenschberg | |
ist, während Messner auch da hingeht, wo es wehtut. Und wo gar nicht alle | |
hin sollen. Für die Massen sind die Berge nicht gemacht. Und danach erzählt | |
Messner uns dann als Menschheitsstellvertreter von seinen extremen | |
Erfahrungen, die man da draußen und droben machen kann. Er erzählt, dass | |
man im Aufbrechen alle Ängste besiegt. „Im Licht des Tages sind alle | |
Zweifel vergessen“, sagt er, und schon geht es in der Philharmonie mit der | |
sich herrlich aufplusternden Musik von Strauss raus ins Freie, und in einer | |
musikalischen Pause kommt wieder Messner zu Wort, der mittlerweile | |
77-Jährige, und berichtet dem Publikum, was da oben droht: „Wir wissen, | |
dass wir umkommen können.“ Und dass das Ziel eben sei, genau das nicht zu | |
tun. Und zurück geht es auf den Heimgarten, zurück zu Strauss, der seine | |
Wanderung zu einem musikalischen Heimatfilm gemacht hat. Berückend in | |
seiner Naturverklärung, in der man es sich mit den Ohren recht gemütlich | |
machen kann, selbst wenn an den Kesselpauken gerade heftigst das Gewitter | |
getrommelt wird. | |
Letztlich ist der Berg bei Strauss eine Idylle. Bei Messner ist er die | |
Möglichkeit für existenzielle Erfahrungen. Ein Gegner, den es zu bezwingen | |
gilt. | |
Das passt mit den unterschiedlichen Fallhöhen also gar nicht unbedingt | |
zueinander und war trotzdem sehr unterhaltsam für alle, die nicht gleich | |
Pickel kriegen, wenn es mal ein bisserl pathetisch wird. So wie es | |
spätromantische Musik halt gern zu tun pflegt. Und Messners Einlassungen zu | |
Grenzerfahrungen drängen eben ins Kalenderspruchhafte. | |
Erhabene Unterhaltung. Eine Ex-Bundeskanzlerin war übrigens an dem Abend | |
auch mitten im Publikum. | |
26 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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