# taz.de -- IT-Branche in der Ukraine: Das karpatische Silicon Valley | |
> Viele ukrainische IT-Fachkräfte sind wegen des Krieges gezwungen, in den | |
> Westen des Landes zu fliehen. Insbesondere Charkiw hat viele IT-ler:innen | |
> verloren. | |
Bild: Der Krieg hat viele Arbeitsplätze in der IT-Branche vernichtet | |
taz | Einer der Wirtschaftszweige, der auch im Krieg nur wenige Einbußen | |
erlebt, ist die ukrainische IT-Branche. Die 300.000 IT-ler:innen verdienen | |
im Schnitt 3.000 Euro im Monat und damit fast das Zehnfache des | |
ukrainischen Durchschnittslohns. Die Branche, die als einzige in der | |
Pandemie sogar um über 30 Prozent zugelegt hat, ist für die ukrainische | |
Wirtschaft von unschätzbarem Wert. Allein 2021 flossen über sechs | |
Milliarden Euro von ihr in den Haushalt des Landes. | |
Die meisten Aufträge für die ukrainische Softwarebranche kommen aus dem | |
Ausland. Hiervon landen laut dem Fachmagazin [1][highload.today] 70 Prozent | |
der Einnahmen als harte Währung im Land, die als besonders stabil gilt. Den | |
IT-ler:innen kommt auch zugute, dass sie von überall aus arbeiten können. | |
60 Prozent, so das ukrainische Portal ubr.ua, haben seit Beginn des Kriegs | |
ihre Wohnorte verlassen und sind in sicherere Orte umgezogen. Und da in der | |
Ukraine Männer zwischen 18 und 60 Jahren derzeit das Land [2][nicht | |
verlassen dürfen], sind die meisten von ihnen im Land geblieben und in | |
ruhigere Gebiete in der Westukraine gezogen. | |
Einer, der darin eine Chance sah, ist Viktor Mikita, Vorsitzender des | |
Bezirksrates von Transkarpatien. Er bot IT-Fachleuten und Softwarefirmen | |
eine neue Bleibe [3][in den Karpaten] an und versprach Unterstützung bei | |
der Suche nach Wohnungen und Büroräumen. Und wichtiger noch: Er stellte | |
ihnen eine vorübergehende Befreiung vom Kriegsdienst in Aussicht, wenn sie | |
sich in Transkarpatien niederließen. | |
25.000 Softwarefachkräfte aus der Ost- und Zentralukraine haben sich | |
inzwischen in Transkarpatien niedergelassen. Nur im Gebiet Lwiw leben mehr | |
IT-ler:innen, derzeit zwischen 70.000 und 100.000, schätzt Stepan | |
Veselovsky, Leiter des Lwiwer „IT-Clusters“, einer Vereinigung von | |
Programmierern und Softwarefirmen. Das ist ein Drittel der gesamten | |
ukrainischen IT-Szene. | |
Charkiw verliert IT-ler:innen | |
Insbesondere Charkiw, das ukrainische Silicon Valley, hat viele | |
IT-ler:innen verloren. 500 IT-Firmen und 45.000 Softwarefachleute hatten | |
vor dem russischen Angriff dort gelebt und gearbeitet. Auch landesweit gibt | |
es Stimmen, die gegen eine Einberufung von IT-ler:innen zum Militär sind, | |
der bekannteste Gegner derartiger Mobilisierungen ist Mychajlo Fedorow, | |
derzeit Minister für digitale Transformation. | |
Doch auch die IT-Branche macht wegen des Krieges Verluste. Wladyslaw | |
Sawtschenko, Präsident der „Europäischen Vereinigung für Softwaretechnik�… | |
beklagte sich kürzlich über wegbrechende Aufträge aus dem Ausland. Viele | |
Kunden scheuen sich, Aufträge in ein Land zu vergeben, in dem Krieg | |
herrsche, so Sawtschenko. Große ausländische Auftraggeber würden auf | |
Angebote nicht reagieren, wenn sie einen ukrainischen Namen im Angebot | |
lesen. Und eine deutsche Firma habe geantwortet, man wolle erst nach Ende | |
des Krieges wieder Aufträge vergeben, so der Präsident. | |
29 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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