# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Warum wählen Linke nicht Macr… | |
> Immerhin geht es bei der Wahl in Frankreich auch darum, Europa gegen den | |
> Nationalismus zu verteidigen. Die Antworten sind unbequem. | |
Bild: Sie hassen Europa genauso wie Le Pen: Abgerissenes Wahlplakat von Emmanue… | |
Warum wählen Linke auch dann nicht den Europäer Emmanuel Macron, wenn es | |
darum geht, gegen Marine Le Pen die liberale gegen die illiberale | |
Demokratie zu verteidigen, die offene Gesellschaft gegen politischen | |
Rassismus und Europa gegen den Nationalismus? | |
Das ist die große Frage vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich an | |
diesem Sonntag. Zwei mögliche und unbequeme Antworten. Erstens: Genau das | |
zeichnet diese Linke aus – dass sie Europa genauso hassen wie Le Pen. | |
Zweitens: Es sind keine Linken, es sind in zentralen Bereichen Rechte. | |
Nun muss man die Einschätzung und gar Hassgefühle gerade auch der jungen | |
Antikapitalisten verstehen, dass Macron „neoliberal“ und ein | |
„Reichenfreund“ sei und die EU eine Umverteilungsmaschine nach oben. Wenn | |
ich eh nicht Teil der Zukunft zu sein scheine oder sogar täglich ums | |
Überleben kämpfe, dann interessiere ich mich zu Recht erst mal für meine | |
Lage im Hier und Jetzt. | |
Nur ist es leider so, dass die linkssozialdemokratischen Parteien zwar | |
Weltmeister (oder besser gesagt: nationale Meister?) im Dagegensein sind, | |
aber noch weniger Zugriff auf die real globalisierte Welt finden als die | |
liberalen Parteien, die sie teilweise zu Recht dafür kritisieren. | |
Beziehungsweise: Wenn diese Linken sich dann doch auf die Realität | |
einlassen, verlieren sie ihre linkspopulistisch konditionierten Wähler an | |
Rechtspopulisten, wie man im deutschen Osten sehen kann. Womöglich, weil | |
die subkutane Hookline die gleiche ist: Liberaldemokraten sind arrogant, | |
elitär, asozial und verraten euch. Wir kümmern uns. | |
Der Linkspopulist [1][Mélenchon] kommt ohne ostentativen Rassismus aus, | |
aber er spielt einen ähnlichen Song – gegen Europa, gegen die Nato und im | |
Zentrum eine national-soziale Ideologie, autoritär gefärbt. „Unbeugsames | |
Frankreich“? Aus dem Parteinamen trieft ja der Nationalismus. Es ist der | |
Traum von der Gerechtigkeit einer fossilen, homogenen Industriegesellschaft | |
hinter nationalen Grenzen, den auch die Wagenknechtianer favorisieren. | |
Nun mal im Ernst: Wir leben in einer Umbruchphase, die viel radikaler ist, | |
als wir das mit unserem bisherigen biografischen Glück wahrhaben möchten. | |
Der Élysée-Palast wie auch das Kanzleramt waren viele Jahre die Bastionen | |
des Gestern und des illusionären „Weiter so“. Macron hat das Gestern schon | |
2017 in die Luft gesprengt und die überforderten Volksparteien auch. Nur | |
ist es auch ihm noch nicht gelungen, Politik des Heute zu machen, weder | |
innenpolitisch noch europäisch – Letzteres vor allem, weil die | |
Yesterday’s-Heroes-Bundesregierung von Union und SPD dazu nicht in der Lage | |
war. Aber nirgendwo ist mehr Staat als in Frankreich, nicht mal in | |
Deutschland. Okay, vielleicht in Polen, wo national-soziale und (damit?) | |
autoritär-illiberale Politik mehrheitsfähig ist. Wenn auch nicht | |
zukunftsfähig. | |
Wer aber als Europäer individuelle Freiheit und gemeinsame Zukunft will, | |
der muss sehen, dass die Zukunft der Freiheit aus erneuerbaren Energien, | |
sozialem Ausgleich, europäischer Verteidigungsfähigkeit und | |
[2][„planetarischer Verantwortungspolitik]“ (Joschka Fischer) besteht. Wer | |
da den Unterschied zwischen Macron und Le Pen nicht sehen kann, ist nicht | |
links, sondern geistig herausgefordert. Und wer die Gemeinsamkeiten | |
zwischen der rechten Le Pen und dem linken „Unbeugsamen Frankreich“ | |
ignoriert, ist blind. | |
22 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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