| # taz.de -- Militärhilfen von den Grünen: Sind Waffenlieferungen jetzt grün? | |
| > Durch den Krieg in der Ukraine werden Teile der Grünen erneut in die | |
| > Realität katapultiert. Das geschah zuletzt 1999 beim Nato-Einsatz im | |
| > Kosovo. | |
| Diese Woche raunte mir ein Superchecker zu, so nah wie jetzt seien die | |
| Grünen noch nie dran gewesen, den Kanzler zu stellen. Dazu Folgendes: Es | |
| gibt meines Wissens gerade keine Bundestagswahl, und so bescheuert können | |
| nicht mal SPD und FDP sein, um die Koalition wegen irgendwelcher | |
| Sachdifferenzen platzen zu lassen, denn beide würden danach grandios | |
| schrumpfen. Wenn es aber eine Wahl gäbe (Irrealis), dann hätten die CDU und | |
| vielleicht wirklich zum ersten Mal die Grünen die Chance, den Bundeskanzler | |
| stellen. Allerdings – und jetzt kommt die unangenehme historische Lehre – | |
| nicht die Bundeskanzlerin. | |
| Wie, was, Sauerei! Wird jetzt der emanzipatorisch sein wollende und die | |
| machtstrategische Grüne rufen und das Partei-Ceterum-censeo dieser Tage | |
| verkünden, das da lautet: Immer wenn jemand Robert Habeck als | |
| exzeptionelles deutsches Regierungsmitglied preist, muss sofort der Ruf | |
| erschallen: „Aber Baerbock macht das auch super.“ | |
| Das mag oder mag nicht so sein, ich fürchte, die wenigsten Superrufer | |
| können die Qualität der deutschen Außenpolitik wirklich beurteilen und wie | |
| sehr sie SPD-geprägt ist. Wäre ich Jan Fleischhauer, würde ich einfach | |
| schreiben: Das Grüne daran sind die Waffenlieferungen. Und dann die Likes | |
| jener einsammeln, die es lieben, die angebliche Scheinheiligkeit dieser | |
| Leute zu entlarven, die vom gleichen moralischen Feldherrinnenhügel heute | |
| das Gegenteil von dem verkünden, was sie gestern gesagt haben. Das ist | |
| süffig. Aber falsch. | |
| Mal abgesehen davon, dass die Ukraine längst kapituliert hätte, wenn sie | |
| auf deutsche oder gar [1][Bundeswehrwaffen] angewiesen wäre: Die Grünen | |
| beschäftigen sich seit 30 Jahren mit dem Problem, dass ihre Gründungsgründe | |
| Menschenrecht und Völkerrecht nicht nur auf Parteitagen beschworen werden | |
| können, sondern in der Realität durchgesetzt werden müssen – und zwar | |
| gerade gegen Staaten und Terroristen, die Menschen und Völker vernichten, | |
| wenn man sie lässt. Dass „Nie wieder Krieg“ und „Nie wieder Auschwitz“… | |
| einen Widerspruch zueinander geraten können: Diese Erkenntnis vollzog sich | |
| nicht jetzt, sondern zwischen dem pazifistischen Zusehen beim Genozid in | |
| Srebrenica (1995) und der von den Regierungs-Grünen unterstützten deutschen | |
| Beteiligung am Nato-Kriegseinsatz zur Verhinderung eines Völkermords im | |
| Kosovo (1999). | |
| Das Problem an Letzterem war weniger die deutsche Beteiligung, als vielmehr | |
| das Fehlen eines UN-Mandats. Waffenlieferungen an die Ukraine zu deren | |
| Selbstverteidigung sind völkerrechtlich unumstritten. Deshalb haben sie | |
| konsequenterweise unter Grünen-Wählern die größte Zustimmung. Gleichzeitig | |
| verstehen heute die meisten, dass wir nicht in einer moralischen | |
| Entweder-oder-Welt theoretisieren können, sondern Risiken abschätzen | |
| müssen. | |
| Warum dann die Ober-Grünen – außer dem heutigen Vizekanzler – vor einem | |
| Jahr noch nichts von Waffen an die Ukraine wissen wollten? Na ja, wie fast | |
| alle anderen hatten sie anderes zu tun und die Augen zu. Wie schon beim | |
| ersten Mal katapultiert sie die Regierungsverantwortung in die Realität. | |
| Und in dieser verstehen sie und ihre Anhängerschaft sich heute in einer | |
| Mischung aus alter Überheblichkeit und neuem Realismus als Zentrum einer | |
| heterogenen europäischen Gesellschaft, die es in einer Zeit eskalierender | |
| Probleme irgendwie hinkriegen muss. | |
| 22 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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