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# taz.de -- Bremer Filmpreis für Aki Kaurismäki: Lieber Bier als Würde
> Aki Kaurismäki ehrt das Bremer Filmfest: Der Meister der lapidaren Komik
> wird bei einer Gala den „Goldenen Mops“ entgegen nehmen.
Bild: Filmstill aus „Lichter der Vorstadt“: Aki Kaurismäki
BREMEN taz | Manchmal ist es wichtig, Erinnerungen Raum zu lassen, bevor
die Gegenwart ihr Recht fordert. Als im Jahr 1989 Aki Kaurismäkis Film
„Ariel“ auf dem Open Air-Filmfestival von Locarno lief, lachten über 8.000
Zuschauer*innen dort auf der Piazza Grande über die Geschichte eines
Arbeitslosen, der in einem Cabrio mit offenem Verdeck durchs winterliche
Finnland fährt.
Den Knopf zum Versenken findet er erst ganz am Ende des Films, und
natürlich ist auch das witzig. Doch für den größten Lacher sorgte
Kaurismäki selbst: Vor dem Film begrüßte er das Publikum mit den Worten, es
sei schön, dass sie alle da wären, denn so seien die Bars der Stadt leer
und er könne sich dort in aller Ruhe betrinken. Allein.
Aki Kaurismäki wird am Donnerstag auf dem siebten Filmfest Bremen der
Bremer Filmpreis verliehen, und der Typ ist wie seine Filme: grob,
rebellisch, pessimistisch, lakonisch – und oft sehr komisch. Vor allem
seine frühen Werke sind voller absurder Tristesse. Sein Humor ist auch
deshalb so einzigartig, weil er einen Kontrapunkt zur allgegenwärtigen
Melancholie des Regisseurs bildet.
Kaurismäkis Filme sind nämlich zuerst einmal tief traurig. Seinen
Held*innen muss es einfach dreckig gehen – [1][warum sollte er sonst von
ihnen erzählen?] Doch so wie er sich selber nicht allzu wichtig nimmt – in
seinen Sprüchen macht er sich vor allem über sich selber lustig – so blickt
er auch auf seine Figuren mit zärtlichem Spott.
## 13 Minuten Scheigen und ein Bier
Die „Leningrad Cowboys“ sind mit ihren Einhornfrisuren und Spitzschuhen
Witzfiguren, und in seinem Kurzfilm „Rocky VI“ ist der amerikanische
Faustkampfchampion ein lächerlicher Hänfling, während sein russischer
Gegner die Balalaika mit Boxhandschuhen spielt.
Selbst Kaurismäkis düsterstes Melodram, „Das Mädchen aus der
Streichholzfabrik“, in dem die Heldin eine extreme Leidensgeschichte
durchlebt, bis sie ihre Familie mit Rattengift umbringt, hat ein paar
inspirierte Pointen. So sind etwa die ersten Worte des Films nach 13
Minuten Schweigen die Bestellung: „Ein kleines Bier.“ Getrunken und
geraucht wird bei Kaurismäki so viel, wie sonst selten im Kino. Vielleicht
dürfen seine Filme in ein paar Jahren nur noch [2][mit Gesundheitswarnungen
gezeigt werden].
[3][Der Filmpreis], den Kaurismäki erhält, wurde 2019 nach mehreren Jahren
Pause wiederbelebt. Ursprünglich war er 1999 gestiftet und „für langjährige
Verdienste um den europäischen Film“ vergeben worden. Seit dem Neustart
soll er nun „Verdienste im Bereich Humor und Satire“ auszeichnen.
[4][Das Festival], das bis zum 24. April läuft, versucht, mit einem
Programmschwerpunkt „Humor/Satire“ ein Alleinstellungsmerkmal zu
etablieren. Die beiden bisherigen Preisträger*innen ließen indes keine
großen Erwartungen aufkommen. Den ersten „Goldenen Mops“ – so heißt die
Trophäe – bekam Caroline Link, deren Film „Der Junge muss an die frische
Luft“ – von und mit Hape Kerkeling – erfolgreich in den deutschen Kinos
gelaufen war.
Den nächsten Mops bekam dann – Hape Kerkling. Es war zu befürchten, dass
nun nach und nach die Protagonist*innen des deutsche Spaßkinos bemopst
würden.
Aki Kaurismäki ist hingegen ein perfekter Preisträger. Würdig, wenn das
Wort nicht so gar nicht zu ihm passen würde. Mit dieser Entscheidung wird
auch denen der Wind aus den Segeln genommen, die meinten, der ehemalige
„Europäische Filmpreis“ wäre nun provinziell geworden. Denn Kaurismäki w…
auch nach den damaligen Auswahlkriterien eine sehr gute Wahl gewesen.
## Hier lacht Susan Sontag
Die Verleihung findet am Donnerstag ab 19 Uhr im Rahmen einer Gala im
Theater am Goetheplatz statt. [5][Die Laudatio halten Erika und Ulrich
Gregor], das ehemalige Leitungspaar des Forums der Berlinale, wo Filme von
Kaurismäki gezeigt wurden.
Hier lachte etwa die New Yorker Essayistin Susan Sontag schallend über
seine Shakespeare-Parodie „Hamlet Goes Business“ (der Autor saß hinter ihr
und kann es bezeugen). Musikalisch wird der Abend von der finnischen Gruppe
Marko Haavisto & Poutahaukat begleitet, die die Musik in Kaurismäkis Filmen
„Der Mann ohne Vergangenheit“ und „Die andere Seite der Hoffnung“ spiel…
Beide Filme laufen in der neunteiligen Retrospektive des Festivals, auf der
auch der oben erwähnte Kurzfilm „Rocky VI“ gezeigt wird. Musik spielte
immer eine wichtige Rolle in Kaurismäkis Filmen, und zwar mit einer
beachtenswerten Bandbreite von einer Puccini-Oper in „Das Leben der Bohème“
bis zu sentimentalen Schlagern.
Er hat sogar selber [6][eine Band erfunden]. Für den Film „Leningrad
Cowboys go America“ ließ er finnische Musiker die „schlechteste Rock´n Ro…
Band der Welt“ spielen. Der Film wurde dann so beliebt, dass die Band
tatsächlich auf Tour ging und bis 2014 zahlreiche CDs einspielte.
Er ist Kaurismäkis gröbste, oder sagen wir albernste Komödie, aber sie
funktioniert, wie man nun in Bremen noch einmal erleben kann. Auch
kommerziell war sie sein größter Erfolg. Die Fortsetzung „Leningrad Cowboys
meet Moses“ war dann allerdings so schlecht, dass der Verdacht aufkam,
Kaurismäki habe hier seinen eigenen Erfolg sabotieren wollen.
20 Apr 2022
## LINKS
[1] /Aki-Kaurismaekis-Wettbewerbsbeitrag/!5380714
[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/840012/d518ec24e66f2ece527ff92fb10c8…
[3] https://www.filmfestbremen.com/bremer-filmpreis
[4] https://www.filmfestbremen.com/
[5] /Montagsinterview-mit-Erika-und-Ulrich-Gregor/!5109755
[6] https://www.leningradcowboys.fi/
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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