| # taz.de -- Aktivistin aus Dannenröder Forst: „Ella“ bleibt in Haft | |
| > Im Berufungsverfahren erkennt auch das Landgericht Gießen „tätliche | |
| > Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte“. Doch die Strafe wird etwas | |
| > reduziert. | |
| Bild: Aktivistin „Ella“ im Berufungsprozess vor dem Landgericht Gießen am … | |
| Frankfurt taz | Ein Jahr und neun Monate Gefängnis für „Ella“ – so laut… | |
| das Urteil des Landgerichts Gießen gegen die „uwP1“, die unbekannte | |
| weibliche Person, [1][die seit ihrer Festnahme im Dannenröder Forst vor 17 | |
| Monaten in U-Haft sitzt]. Wie zuvor das Amtsgericht Alsfeld erkannte auch | |
| das Landgericht Gießen in ihrem Verhalten einen tätlichen Angriff gegen | |
| Polizeivollzugsbeamte in zwei Fällen sowie gefährliche Körperverletzung. | |
| Die Berufungsinstanz reduzierte allerdings die [2][zunächst verhängte | |
| Haftstrafe] um sechs Monate. Im Tumult ging die mündliche Urteilsbegründung | |
| des Richters unter. Im Zuschauerraum und vor dem Verhandlungsgebäude | |
| protestierten lautstark UmweltaktivistInnen, vor allem, weil das Gericht | |
| die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatte. Auch im Saal | |
| skandierten rund 20 AktivistInnen „Free Ella“ und „Hört auf zu lügen“. | |
| ZuhörerInnen schlugen gegen die Glaswand, die sie vom Verhandlungssaal | |
| trennte. Die Polizei räumte schließlich das Gebäude. | |
| [3][Die Umweltaktivistin Ella, die ihre Identität nicht preisgib]t, hatte | |
| sich am 26. November 2020 bei der Räumung eines Baumhauses im Dannenröder | |
| Forst gegen Einsatzkräfte zur Wehr gesetzt. Sie und andere AktivistInnen | |
| wollten die Rodung des Herrenwaldes zum Weiterbau der umstrittenen Autobahn | |
| A 49 in Nordhessen verhindern. Gegen ihren Willen war „Ella“ bei bei dem | |
| umstrittenen Polizeieinsatz von Beamten aus 15 Meter Höhe geborgen worden. | |
| Laut Urteil hat sie dabei nach zwei Einsatzkräften getreten. | |
| Auch der letzte Verhandlungstag der Berufung vor dem Landgericht in Gießen | |
| war von den völlig unvereinbaren Positionen von Anklagebehörde und | |
| Verteidigung geprägt. Hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt der Angeklagten | |
| erneut vorgeworfen, sich mit „brutaler Gewalt“ und „hoher krimineller | |
| Energie“ den Einsatzkräften widersetzt zu haben, stellte die Verteidigung | |
| am Freitag „erhebliche Verfahrensfehler“ fest und bestritt insgesamt die | |
| Rechtmäßigkeit des Verfahrens. | |
| Entlastenden Hinweisen sei die Justiz nicht nachgegangen: „Wie blind muss | |
| man gewesen sein, über all diese Hinweise hinwegzusehen“, sagte | |
| Rechtsanwältin Eva Dannefeldt. Der Einsatz der SEK-Polizeibeamten zur | |
| Räumung der Baumhäuser im Walddorf „Nirgendwo“ zur Vorbereitung der Rodung | |
| für den Weiterbau der A 49 sei insgesamt rechtswidrig gewesen, so die | |
| Verteidigung, die dafür plädierte, das Verfahren einzustellen. | |
| ## Strafmaß um sechs Monate reduziert | |
| Immerhin milderte das Landgericht die Haftstrafe um sechs Monate. Der | |
| Verteidigung war mithilfe von Videomaterial, das weitgehend von der Polizei | |
| erstellt worden war, der Nachweis gelungen, dass für die Einsatzkräfte | |
| keine Lebensgefahr bestanden hatte. Sie waren mit Seilen gesichert. Die | |
| Beamten mussten im zweiten Verfahren ihre Aussagen aus der Vorinstanz | |
| korrigieren. Für die Staatsanwaltschaft waren indes diese | |
| „Erinnerungslücken“ nachvollziehbar: Die Beamten seien selbst, „wenn nic… | |
| objektiv, so zumindest subjektiv in Lebensgefahr“ gewesen. | |
| „Ella“ selbst hatte im Berufungsverfahren das Wort ergriffen. Die ihr zu | |
| Last gelegten Tritte gegen die Beamten hatte sie ihrem „Überlebensinstinkt“ | |
| zugeordnet. Auf den Hinweis das Vorsitzenden Richter, der Räumung des | |
| Dannenröder Forstes sei ein demokratischer Entscheidungsprozess | |
| vorausgegangen, hatte sie entgegengehalten: „Es ist kein Geheimnis, dass | |
| Demokratie für mich und viele nichts ist, was man feiern sollte, weil wir | |
| sie als einen Machtkampf erleben, bei dem die Bedürfnisse von Minderheiten | |
| unerfüllt bleiben.“ | |
| Sich selbst sieht sie als Kämpferin gegen die Zerstörung des Planeten. Die | |
| Klimakrise wird in ihren Augen durch ein System von Ausbeutung und | |
| Zerstörung der Natur ausgelöst. Den Verantwortlichen für den Weiterbau der | |
| A49 warf sie einen „Ökozid“ vor, gab sich in ihrem Schlusswort gleichwohl | |
| versöhnlich: „Jetzt ist die Zeit gekommen zu vergeben und für mich durch | |
| diese Tür in Freiheit zu gehen.“ Da wusste sie noch nicht, dass das Gericht | |
| mit dem Urteil die Fortdauer der Haft anordnen würde. | |
| Das Strafurteil lautet auf 21 Monate Haft, siebzehn davon hat sie | |
| abgesessen. Bleiben noch vier, denn eine Aussetzung zur Bewährung scheitert | |
| wohl daran, dass die Identität von „Ella“ im Dunkeln bleibt. Ohnehin dürf… | |
| die Verteidigung eine Revision in Erwägung ziehen. Das Landgericht hatte | |
| zahlreiche Beweisanträge und einen Befangenheitsantrag gegen den Richter | |
| abgelehnt und ihr Prozessverschleppung vorgeworfen. | |
| 1 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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