# taz.de -- Cum-Ex-Steuerskandal und die SPD: Parteispenden durchgewunken | |
> Im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Steuerskandal hat sich die Hamburger SPD | |
> Spenden von Warburg-Tochterfirmen andrehen lassen, ohne es zu merken. | |
Bild: Schwierige Rollen: Mathias Petersen, Ausschussvorsitzender, mit Olaf Scho… | |
Hamburg taz | Die Hamburger SPD scheint ein zwar ambitioniertes aber lax | |
gehandhabtes System zur Prüfung von Parteispenden zu haben. Wie ihr | |
Schatzmeister Christian Bernzen im [1][Parlamentarischen | |
Untersuchungsaussuschuss der Bürgerschaft zum Cum-Ex-Steuerraub] nahelegte, | |
wurde sie mit Spenden der Privatbank MM Warburg bedacht, ohne dass sie es | |
merkte. | |
Das ist von Belang, weil die Spenden in einem Zusammenhang mit zwei | |
Entscheidungen der Hamburger Finanzverwaltung stehen, die Bank zu schonen. | |
Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, [2][ob der damalige | |
Bürgermeister Olaf Scholz] und sein Finanzsenator Peter Tschentscher beim | |
Finanzamt nachgeholfen haben. | |
Dessen Beamte quälten sich mit der Frage, ob der Fiskus in den Jahren 2016 | |
und 2017 mutmaßlich zu Unrecht erstattete Steuern zurückfordern oder diese | |
Forderungen verjähren lassen sollte. Es ging um insgesamt 90 Millionen | |
Euro. Die Warburg-Eigentümer suchten deshalb den Kontakt zur Politk. | |
Miteigentümer Christian Olearius trug den Fall Bürgermeister Scholz | |
mehrfach in dessen Amtszimmer vor. | |
Zwei Hamburger SPD-Größen sollen solche Kontakte angebahnt haben. Es | |
handelt es sich um den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk | |
und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der einer der | |
Sprecher des Seeheimer Kreises war, der den rechten Flügel der SPD | |
repräsentiert. Kahrs war bis vor zwei Jahren Vorsitzender des | |
SPD-Kreisverbandes Mitte, der die Warburg-Spenden eingeworben hat. | |
## Keine konkrete Prüfungsroutine | |
Der sichtlich nervöse Schatzmeister Bernzen schilderte dem Ausschuss das | |
Procedere: Grundsätzlich entscheiden demnach die Kreisverbände darüber, ob | |
sie Spenden annehmen. Beträge von mehr als 2.000 Euro werden allerdings dem | |
geschäftsführenden Landesvorstand vorgestellt, dem neben dem Landesvorstand | |
auch die Kreisvorsitzenden angehören. | |
Der geschäftsführende Landesvorstand habe für Parteispenden zwar „keine | |
konkrete Prüfungsroutine“, berichtete Bernzen. Es gelte jedoch die Regel, | |
keine Spenden von Rüstungsfirmen anzunehmen und auch nicht solche von | |
Unternehmen mit einer besonderen Nähe zur Hamburger Verwaltung. Darüber | |
hinaus müssten Amtsträger wie Senatoren und Bezirksamtsleiter den Saal | |
verlassen, wenn die Spenden besprochen würden. | |
2017, in dem Jahr in dem das Hamburger Finanzamt zum zweiten Mal eine | |
Forderung an Warburg verjähren lassen wollte, nahm der Kreisverband Mitte | |
drei Spenden von den Firmen Atalanta, Setubal und Vigor an – insgesamt | |
38.000 Euro. Bernzen zufolge war dem geschäftsführenden Landesvorstand | |
nicht klar, dass es sich um Tochterfirmen der Warburg Bank handelte und es | |
fragte offenbar auch niemand danach. | |
Ihm sei das erst nach einer Mitteilung des Berliner Willy-Brandt-Hauses | |
klar geworden, sagte Bernzen. Die SPD-Parteizentrale prüfe die Spenden | |
routinemäßig – anders als der Hamburger SPD-Landesverband, der sich auf die | |
Angaben der Kreisverbände verlässt. | |
## Unklare Befugnisse | |
„Haben Sie jemals eine einzige Spende inhaltlich selbst geprüft“, fragte | |
der Bürgerschaftsabgeordnete David Stoop von der Linken. „Ich habe Ihnen | |
dargestellt, was ich mit den Spenden gemacht habe“, wand sich Bernzen. | |
Dabei hätte der Kreisverband Mitte durchaus besondere Aufmerksamkeit | |
verdient, wie Stoop fand. Schließlich sei er mit einem Spendenaufkommen von | |
mehr als 600.000 Euro in den Jahren 2016 bis 2019 bundesweit Champion unter | |
den SPD-Bezirken gewesen. | |
Allerdings hat der geschäftsführende Landesvorstand in puncto Spenden | |
unklare Befugnisse: Die Landesebene müsse die Spenden zwar genehmigen, am | |
Ende aber entscheide die Gliederung, also der Kreisverband, selbst und | |
müsse das auch verantworten, sagte Bernzen. | |
In den Jahren 2016 und 2017 deutete schon vieles darauf hin, dass das von | |
Warburg zurückzufordernde Geld aus betrügerischen Cum-Ex-Geschäften | |
stammte. Bei Cum-Ex wurden Aktien um den Dividenenstichtag herum [3][in | |
bewusst verwirrender Weise] hin und her gehandelt. Am Ende ließ sich kaum | |
mehr nachvollziehen, wer die Papiere wann besaß und Kapitalertragsteuer | |
bezahlt hatte, die er zurückfordern konnte. | |
Die Geschäfte waren daraufhin angelegt, dass sich mehrere Beteiligte die | |
nur einmal bezahlte Kapitalertragsteuer erstatten lassen konnten – ein | |
glatter Griff in die Staatskasse. Ein Rechercheverbund unter Führung des | |
Investigativ-Portals „correctiv“ schätzt den Schaden allein in Deutschland | |
auf fast 36 Milliarden Euro. Ende Juli 2021 entschied der Bundesgerichtshof | |
(BGH), dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar sind. | |
25 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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