# taz.de -- Hamburger Cum-Ex-Skandal: Reden ist Gold | |
> Hamburgs Finanzsenator Dressel (SPD) quasselt sich durch den | |
> Untersuchungsausschuss im Steuerskandal. Warburg-Bank scheitert mit | |
> Verfassungsklage. | |
Bild: Musste sich zum Cum-Ex-Skandal erlären: Finanzsenator Andreas Dressel (S… | |
Hamburg taz | Finanzsenator Andreas Dressel hat im Untersuchungsausschuss | |
der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Steuerskandal die gegenteilige | |
Strategie von Olaf Scholz verfolgt (beide SPD). Während der frühere | |
Bürgermeister und heutige Bundeskanzler vor dem Ausschuss extrem | |
kontrolliert sprach und sich im Wesentlichen auf Erinnerungslücken berief, | |
gab Dressel ausführlich Auskunft und stieg bisweilen in juristische | |
Diskussionen ein. | |
Wie Scholz wies auch Dressel darauf hin, dass dem Steuerzahler kein Schaden | |
entstanden sei und jeder Steuercent eingetrieben werde. Dabei nutzte er die | |
Gelegenheit, auf eine brandaktuelle Entscheidung des | |
Bundesverfassungsgerichts aufmerksam zu machen. Das wies am Freitag eine | |
Verfassungsbeschwerde der Hamburger Warburg-Bank gegen die Einziehung von | |
176 Millionen Euro durch den Fiskus wegen Steuerhinterziehung ab. | |
Das höchste deutsche Gericht erklärte die rückwirkende Einziehung des | |
illegal erworbenen Geldes für zulässig, obwohl die Forderung nach früher | |
geltendem Recht verjährt war. Wegen überragender Belange des Gemeinwohls | |
sei die Rückwirkung ausnahmsweise zulässig und mit dem Grundgesetz | |
vereinbar, [1][begründeten die Karlsruher Richter ihre Entscheidung]. | |
Bei den [2][Cum-Ex-Geschäften ging es allein darum, sich auf Kosten des | |
Steuerzahlers zu bereichern]. Dazu wurden große Aktienpakete um den | |
Dividendenstichtag herum mehrfach hin und her gehandelt, um zu | |
verschleiern, wer Kapitalertragssteuer bezahlt hatte und sie sich erstatten | |
lassen konnte. | |
## Griff in die Staatskasse | |
Im Endeffekt erstatteten die Finanzämter einmal bezahlte Steuern mehrfach. | |
Durch die Geschäfte entstand nach Schätzung eines Rechercheverbundes unter | |
Führung des Investigativ-Portals „correctiv“ allein in Deutschland ein | |
Schaden von fast 36 Milliarden Euro. | |
Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, [3][ob der Hamburger | |
Senat die Steuerverwaltung in den Jahren 2016 und 2017 dazu gedrängt hat, | |
die Warburg Bank zu verschonen]. Finanzsenator war damals der heutige | |
Bürgermeister Tschentscher, Bürgermeister der heutige Bundeskanzler Olaf | |
Scholz (SPD). Zur Rede stand, ob das Finanzamt die Rückforderung zu Unrecht | |
erstatteter Steuern aus Cum-Ex-Geschäften verjähren lassen sollte. Es ging | |
allein in diesen beiden Jahren um 90 Millionen Euro. | |
Dressel, der erst im März 2018 den heutigen Bürgermeister Peter | |
Tschentscher als Finanzsenator ablöste, hat mit diesen beiden | |
Entscheidungen nicht direkt etwas zu tun, wohl aber mit dem schließlich | |
ergangenen Steuerbescheid und mit der anrüchigen Annahme von | |
Warburg-Spenden durch die SPD, sowie mit dem [4][Eingreifen der | |
Steuerverwaltung in den Bürgerschaftswahlkampf] Anfang 2020. Deren Leiter | |
Ernst Stoll hatte eine Art Ehrenerklärung abgegeben, in der er den Vorwurf | |
zurückwies, die Steuerverwaltung würde auf politischen Druck hin agieren. | |
Die Abgeordneten interessierten sich für eine „tatsächliche Verständigung�… | |
mit der Warburg-Bank, die die Hamburger Steuerverwaltung erwog. Dabei hätte | |
die Bank nur 68 von insgesamt 176 Millionen Euro Steuerschaden bezahlen | |
müssen; weitere Klagen wären obsolet gewesen. | |
## Macht der Fiskus Deals? | |
Die Leiterin des Finanzamtes für Großunternehmen habe ausweislich einer | |
Mail vom September 2019 einen entsprechenden Vorschlag entworfen, sagte der | |
CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker. Das widerspreche der Ehrenerklärung | |
Stolls, nach der die Steuerverwaltung keine Vergleiche mit | |
Steuerpflichtigen schließe. | |
Dressel konterte, bei einer tatsächliche Verständigung gehe es darum, | |
gemeinsam einen Sachverhalt festzustellen. Das sei etwas anderes als ein | |
Vergleich. Zudem sei entscheidend, von wem der Entwurf gekommen sei, in | |
diesem Fall von der Bank, was dem Wortlaut von Stolls Erklärung nicht | |
widerspreche. Denn dort stehe: „die Verwaltung reagiert auf etwaige Anträge | |
des Steuerpflichtigen“. | |
Mit dieser feinsinnigen, mit Finanzsenator Dressel abgestimmten Erklärung | |
habe Stoll die Öffentlichkeit in die Irre geführt, kritisierte der | |
Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch: „Die Erklärung erweckt einen falschen | |
Anschein.“ Sie tue so, als ob die Vorwürfe falsch seien, dabei sei es aber | |
nur um die Wortwahl gegangen. | |
Dressel versicherte, es sei überhaupt nur sondiert worden, ob eine | |
Verständigung Sinn ergeben könnte, um dem Fiskus einen bestimmten Betrag | |
ohne unwägbare Rechtsstreitigkeiten zu sichern. Durch die parallel laufende | |
juristische Aufarbeitung, sprich diverse klärende Gerichtsurteile, habe | |
sich das als „totes Gleis“ erwiesen, das dann auch abgeklemmt worden sei. | |
Im Frühjahr 2020 erging schließlich der Bescheid zur Rückforderung. | |
## Lediglich informiert | |
Über die Frage, ob die Rückforderung der erstatteten Steuern die Existenz | |
der Warburg-Bank gefährden könnte, habe er sich nur informieren lassen, um | |
die Folgen des Worst Case für die Stadt bedenken und den Bürgermeister | |
entsprechend vorwarnen zu können. Für die „Primärentscheidung“ habe das | |
keine Rolle gespielt. Verschiedenen Mitarbeiter der Finanzverwaltung hatten | |
im Ausschuss angegeben, sie hätten eine Insolvenz der Bank und sich daraus | |
ergebende Schadenersatzforderugen an die Stadt befürchtet. | |
Mit Blick auf die Spenden von Warburg-Tocherfirmen an den SPD-Kreisverband | |
Mitte wiederholte Dressel seine bereits öffentlich getroffene Aussage, „mit | |
dem Wissen von heute“ hätte der geschäftsführende SPD-Parteivorstand dieses | |
Geld nicht angenommen. Dressel war Mitglied in dem Gremium, gab aber an, | |
sich an die entsprechende Sitzung nicht zu erinnern. | |
Das ordentlich verbuchte Geld wurde von Firmen, die ohne Recherche nicht | |
als Warburg-Töchter erkennbar waren, im zeitlichen Zusammenhang mit dem | |
Steuerverfahren gespendet. Der damalige Vorsitzende des Kreisverbandes | |
Johannes Kahrs setzte sich für die Banker ein. Das Verfahren, mit dem | |
Spenden überprüft werden, sei inzwischen verbessert worden, versicherte | |
Dressel. | |
30 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/0… | |
[2] /Cum-Ex-Steuerraub/!5825357 | |
[3] /Cum-Ex-Steuerraub/!5833685 | |
[4] /Linken-Politiker-ueber-Cum-Ex-Affaere/!5662945 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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