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# taz.de -- Zentrum für Krebsforschung: Patienten mit einbeziehen
> Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen wurde vor fast zwei
> Jahrzehnten gegründet. Jetzt kommen vier neue Standorte hinzu.
Bild: Immunologische Forschung im Labor
Berlin taz | Als größte Gesundheitsgefahr gilt derzeit das Coronavirus und
seine pandemische Verbreitung. Noch tödlicher sind jedoch die vielfältigen
Formen der Krebserkrankung, die ein bösartiges Wachstum von Zellen und
Organen bewirken. Während Forschung und Gesundheitssystem bei Corona im
Notfallmodus agieren, werden die wissenschaftlichen Grundlagen für die
[1][Krebsbekämpfung] in Deutschland nach einem langfristigen Plan
erarbeitet: der „Nationalen Dekade gegen Krebs“, die 2019 gestartet wurde
und jetzt eine Zwischenbilanz zog.
Zwei Zahlen verdeutlichen die unterschiedliche Dimension. 2020, im ersten
Jahr der Pandemie, starben in Deutschland rund 30.000 Menschen an Covid-19.
Demgegenüber ging im gleichen Jahr das Leben von 231.000 Patienten durch
ihre Krebserkrankung zu Ende, genauso viele wie im Vorjahr.
In der medizinischen Forschung sind die wuchernden Tumore – ihre
Entstehung, Eindämmung und Bekämpfung – ein Dauerthema. 1964 wurde allein
zu diesem Zweck das [2][Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in
Heidelberg] gegründet – eine Großforschungseinrichtung, die mit ihren heute
3.000 Beschäftigten zu 90 Prozent vom Bundesforschungsministerium
finanziert wird (Jahresbudget 320 Millionen Euro).
Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 500.000 Menschen neu an Krebs.
Wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung rechnen Experten mit einem
Anstieg dieser Zahl bis zum Jahr 2030 auf 600.000. Dem will die vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte „Nationale
Dekade gegen Krebs“ aktiv entgegenwirken, indem sie erstmals die zentralen
Akteure der deutschen Krebsforschung in einem Bündnis vereint.
Dazu zählen neben dem BMBF, dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem
Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe auch
zwei Organisationen der Patientenvertretung. Gemeinsam mit weiteren
Akteuren bilden sie den Strategiekreis, der insgesamt 17
Partnerorganisationen umfasst.
## Die Anfänge des Krebsforschungszentrums
Ein zentraler Akteur in diesem Ansatz ist das „Nationale Centrum für
Tumorerkrankungen“ (NCT), das 2003 aus dem DKFZ zusammen mit der Uniklinik
Heidelberg gegründet wurde, um Forschung mit Therapie zu verbinden. Ein
zweiter NCT-Standort wurde in Dresden errichtet. „Um Diagnose und
Behandlung von Krebserkrankungen zu verbessern, brauchen wir das Nationale
Centrum für Tumorerkrankungen“, erklärt [3][Bundesforschungsministerin
Bettina Stark-Watzinger (FDP)].
Ärzte und Wissenschaftler bündeln unter einem Dach ihre Expertise in
Patientenversorgung, Krebsforschung und Krebsprävention. Weil das bisherige
Konzept überzeugt hat, soll im Rahmen der Nationalen Dekade die Zahl der
NCT-Standorte auf sechs erhöht werden.
Die vier neuen Standorte wurden im vergangenen Jahr in einem
Gutachterprozess vom BMBF ausgewählt. Es handelt sich um das „NCT SüdWest�…
getragen vom Comprehensive Cancer Center Tübingen – Stuttgart (CCC-TS) an
der Uniklinik Tübingen und dem Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart sowie dem
Comprehensive Cancer Center Ulm (CCC Ulm), sowie um das „NCT Köln-Essen“,
das vom Cancer Research Center Cologne Essen (CCCE) mit dem Centrum für
Integrierte Onkologie (CIO) Köln und dem Westdeutschen Tumorzentrum (WTZ)
Essen getragen wird.
Weitere Neulinge sind das „NCT WERA“, getragen von den Universitäten und
Universitätskliniken Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg sowie dem
Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF), und das „NCT Berlin“,
hinter dem die Charité – Universitätsmedizin Berlin mit dem Charité
Comprehensive Cancer Center (CCCC), dem Berliner Institut für Gesundheit
(BIH) und dem Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin mit dem
Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) steht. Die neuen
Standorte können im Endausbau bis zu 13 Millionen Euro vom BMBF erhalten.
Zur Vereinbarung mit den Bundesländern gehört, dass das jeweilige Sitzland
zusätzlich ein Gebäude stellt und sich ebenfalls an der jährlichen
Finanzierung beteiligt.
Eine weitere Neuerung innerhalb der Nationalen Krebsdekade ist die
Beteiligung der betroffenen Patienten. „Wir schlagen damit ein neues
Kapitel in der Krebsforschung auf“, findet Stark-Watzinger. Was bei der
Entwicklung von technischen Produkten längst üblich ist, nämlich die
Einbeziehung der späteren Nutzer in die Prozessphase der Entwicklung, auch
als „open innovation“ bezeichnet, soll nun ebenfalls in die
Gesundheitswirtschaft Einzug halten.
Organisatorische Grundlage dafür ist die „Allianz für Patientenversorgung�…
der sich bereits 41 Einrichtungen und Akteursgruppen angeschlossen haben,
darunter auch Patientenvertretungen. Weil Patienten und ihre Angehörigen
tagtäglich mit der Krankheit leben, bringen sie unterschiedlichste, für die
Forschung oft ungewöhnliche oder neue Perspektiven, Fragen und
Lösungsansätze mit ein. „Mit ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und ihrem ganz
individuellen Zugang können sie wertvolle Beiträge für bessere Heilungs-
und Präventionsmöglichkeiten leisten“, beschreibt die Forschungsministerin
den Vorteil dieses Ansatzes.
„Krebs zu bekommen bedeutet eine für den Normalbürger oftmals
unvorstellbare Transformation der Bedürfnisse, Probleme und Prioritäten“,
erklärt der Gründer und Geschäftsführer der Patientenorganisation
„Patvocates“, Jan Geißler, gegenüber der taz. „Wir sehen das oft an Bü…
mit medizinischer Fachausbildung, deren Bild der Medizin und der
erforderlichen Forschungsmethodik sich in dem Moment fundamental ändert,
wenn sie eine Krebsdiagnose sehen und sie plötzlich zwischen dem Schlimmen
und dem Furchtbaren entscheiden müssen.“ Aus dieser Perspektive werde das,
was im Krankenbericht als „milder Verlauf“ bezeichnet wird, ganz anderes
empfunden – „wenn man nämlich nicht mehr um den Block seines Viertels
spazieren gehen kann“.
Oder, so ein anderes Beispiel Geißlers, die medizinische Diagnose „nur Grad
1/2 Diarrhö“ werde in der Erfahrungswelt des Patienten „zu einem Leben, in
dem man sich nicht weiter als 30 Minuten von einer Toilette entfernen
kann“. Und was Kliniker als „manageable Side Effects“ – beherrschbare
Nebenwirkungen – einschätzen würden, bedeute für die Betroffenen eine Qual,
die sie bis hin „zum selbstgewählten Abbruch der lebensrettenden Therapie
mit fatalem Ausgang drängen“ könnte.
Geißler ist mit seiner Organisation auch stark auf europäischer Ebene
aktiv, etwa in der Europäischen Patientenakademie (Eupati), oder auch in
Forschungsarbeiten der Universitäten in Leeds und Manchester.
„Großbritannien ist uns, was das Thema Patient and Public Involvement
angeht, schon eine Zeit voraus, da dort schon vor rund 15 Jahren mit einem
methodischen Ansatz der Patientenbeteiligung begonnen wurde“, berichtet
Geißler. Deutschland habe erst durch die Nationale Dekade seit 2019 und die
Formulierung von „Prinzipien der erfolgreichen Patientenbeteiligung“, die
während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft begonnen wurde, aufgeholt und
seitdem „stark gewonnen“.
8 Apr 2022
## LINKS
[1] /Medizinforschung-fuer-den-Patienten/!5432359
[2] /Vergabe-des-Medizin-Nobelpreises/!5541438
[3] /Die-neue-Innovationsagentur-des-Bundes/!5841289
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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