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# taz.de -- Rhetorik der Klimabewegung: Die Realität ist schrecklich genug
> Die Weltuntergangrhetorik der Klimabewegung wird immer stärker. Doch
> Übertreibungen sind nicht hilfreich.
Bild: Man darf sich nicht von Untergangsszenarien in die Resignation treiben la…
Die neue Klimabewegung habe ich in den vergangenen Jahren mit großer
Sympathie verfolgt. Der politische Druck, den Fridays for Future aufgebaut
hat, war dringend erforderlich, und die Forderungen waren durch die
Wissenschaft vollständig gedeckt. Doch in den letzten Monaten hat sich das
geändert.
Schon beim jüngsten Weltklimagipfel in Glasgow hat [1][mich die aggressive
Rhetorik bei den Demonstrationen der Klimabewegung befremdet]. Natürlich
kann und muss man feststellen, dass die Realität bisher stets hinter den
Ankündigungen solcher Gipfel zurückbleibt. Aber dass sie reine
„Greenwashing-Events“ sind, wie Fridays-for-Future-Initiatorin Greta
Thunberg dort erklärte, wird den Gipfeln und dem politischen Druck, der von
ihnen ausgeht, keineswegs gerecht. Auch bei der ersten Bilanz der neuen
Ampel-Koalition konzentrieren sich viele Akteure allein darauf, was diese
noch nicht erreicht hat, und ignorieren die großen Fortschritte, die es –
auch durch den Druck der Klimabewegung – im Vergleich zur
Vorgängerregierung gibt.
Die größten Probleme habe ich aber mit der Weltuntergangsrhetorik, die in
der Szene immer stärker wird. Besonders ausgeprägt ist sie bei den
Aktivist*innen der selbst ernannten „Letzten Generation“, die
apokalyptische Zukunftsszenarien mit viel Hybris verbinden: „Wir sind die
letzte Generation, die den absoluten Klimakollaps noch aufhalten kann“,
schreiben sie auf Twitter. Und fragen vorwurfsvoll: „Wirst du
Zuschauer:in sein und dich an der Vernichtung von Milliarden Menschen
mitschuldig machen?“
Mit den wissenschaftlichen Szenarien über die Auswirkungen der Klimakrise
haben solche Aussagen nichts zu tun. Zwar warnt der Weltklimarat IPCC in
seinem jüngsten Bericht, dass immer größere Gebiete der Erde von Hitze,
Dürre und Überflutungen bedroht sein werden. Das wird Fluchtbewegungen
auslösen und das Leben von vielen Millionen Menschen bedrohen, was eine
Katastrophe ist und dringend verhindert werden sollte. Aber die
„Vernichtung von Milliarden Menschen“ ist – zum Glück – in keinem beka…
Szenario zu finden. Und besonders motivierend ist diese Form der
Kommunikation offenbar auch nicht. Jedenfalls ist es der „Letzten
Generation“ trotz extremer Medienpräsenz bisher nicht gelungen, ihre
Bewegung stark zu vergrößern.
Auch die Aktivist*innen von „Extinction Rebellion“ stellen die ohnehin
schon düsteren Zukunftsprognosen gern noch düsterer dar, als sie sind: etwa
wenn sie in einem Video „das Ende unserer Gesellschaft“ vorhersagen und
warnen, dass im Jahr 2050 nicht nur große Teile von Vietnam und Bangladesch
regelmäßig überflutet sein dürften (was leider stimmt), sondern auch große
Bereiche von Norddeutschland (was nicht stimmt, weil die auch anderswo
häufig genutzten Szenarien die Existenz von Deichen und anderen
Schutzmaßnahmen komplett ignorieren).
Fridays for Future widersteht zumindest in Deutschland der Versuchung,
durch immer drastischere Rhetorik gegen die sinkende öffentliche
Aufmerksamkeit anzukämpfen. In Österreich dagegen bedient auch diese
Bewegung bereits das Narrativ, dass die Weiterexistenz der Menschheit auf
dem Spiel steht. „Um das Überleben auf dem Planeten zu sichern, muss die
Erderwärmung unter 1,5° C bleiben“, schreibt [2][FFF Österreich auf einer
Webseite].
Solche Übertreibungen sind nicht hilfreich. Die Entwicklungen, die durch
die Klimakrise tatsächlich drohen, sind schrecklich genug; sie weiter zu
übertreiben, schadet der Glaubwürdigkeit der Bewegung – und auch ihren
Erfolgsaussichten. Denn dass der Temperaturanstieg tatsächlich noch auf 1,5
Grad begrenzt werden kann, ist extrem unwahrscheinlich. Wenn der Eindruck
erweckt wird, dass oberhalb dieser Grenze alles verloren ist, kann das
schnell zu Resignation führen.
Und nicht nur das: Manche Aktivist*innen [3][wollen keine Kinder mehr
bekommen], weil sie fürchten, dass diese angesichts der Klimakrise keine
lebenswerte Zukunft mehr haben würden. Natürlich ist das eine höchst
persönliche Entscheidung, die jede*r nur für sich selbst treffen kann.
Aber es wäre schon sinnvoll, wenn dabei realistische Szenarien zugrunde
gelegt werden. Und wenn man berücksichtigen würde, dass die Existenz einer
„nächsten Generation“ der wichtigste Antriebsgrund ist, die Klimakrise noch
aufzuhalten.
Denn trotz aller Kritik: Die Klimabewegung ist wichtig. Und zu wichtig, um
sich von Untergangsszenarien in die Resignation treiben zu lassen.
25 Mar 2022
## LINKS
[1] /Klimagipfel-in-Glasgow/!5808885
[2] https://fridaysforfuture.at/forderungen
[3] /Soziale-Folgen-des-Klimawandels/!5744802
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
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