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# taz.de -- Politisch aktiver Kurde aus Nürnberg: Und wieder droht die Abschie…
> Murat Akgül soll zum zweiten Mal in die Türkei abgeschoben werden. Sein
> Anwalt befürchtet, dass der Kurde dort inhaftiert wird.
Bild: Das Verwaltungsgericht Augsburg revidierte den Offensichtlichkeitsbeschei…
Nürnberg taz | Das Leben von Murat Akgül verlief in geordneten Bahnen: Der
Kurde wohnte seit 30 Jahren in Nürnberg, hatte sich eine Eigentumswohnung
zugelegt und eine Familie gegründet. Dann brachte der deutsche
Verfassungsschutz sicherheitsrechtliche Erkenntnisse gegen ihn vor, die zu
einem Ausweisungsbescheid der Ausländerbehörde Nürnberg führten. Im Mai
2019 wurde er in die Türkei abgeschoben.
Der Hintergrund: Murat Akgül setzt sich für die Rechte der Kurd*innen in
der Türkei ein und hat in dem Zusammenhang mehrmals an Demonstrationen
teilgenommen. Dabei habe er auch eine Fahne der Kurdenmiliz YPG getragen.
Der Verfassungsschutz vermutet eine Funktionärstätigkeit für die verbotene
kurdische Arbeiterpartei PKK, Akgül bestreitet das. Keine Veranstaltung, an
der er teilgenommen hat, sei verboten gewesen oder von einer verbotenen
Organisation angemeldet worden, betont er.
Als er in die Türkei abgeschoben wurde, musste er die Grenzpolizei über die
Gründe für seine Abschiebung anlügen, erzählt Akgül. Sonst wäre er wohl
festgenommen worden. [1][Er tauchte unter und floh mit der Hilfe von
Schleppern zurück in Richtung Deutschland]: vier Wochen über die
Balkanroute, eine höllische Odyssee.
Der Vater von vier Kindern darf bis heute nicht wieder zu Hause einziehen.
[2][Zunächst lebte er in einem Ankerzentrum, heute in einer
Gemeinschaftsunterkunft bei Augsburg.] Dreimal wöchentlich muss er sich bei
der Polizei melden. Sein Anwalt Yunus Ziyal teilt mit, dass die Klage eines
Kollegen gegen die Ausweisung von Akgül nach wie vor beim
Verwaltungsgericht Ansbach liegt.
## In der Türkei droht Akgül die Festnahme
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat den Asylantrag des
zurückgekehrten Murat Akgül im November 2020 als „offensichtlich
unbegründet“ abgelehnt. Dabei handelt es sich um eine verschärfte
Ablehnung, durch die der Asylbewerber mit einer sofortigen Abschiebung
rechnen muss.
Ziyal reichte sofort einen Eilantrag gegen die Entscheidung ein. Er halte
sie für absurd: „Man muss davon ausgehen, dass Herr Akgül den Behörden in
der Türkei spätestens jetzt bekannt ist und bei der Einreise sofort
festgesetzt würde. Bei Verfahren gegen Kurdinnen und Kurden ist Folter
nicht auszuschließen.“
Tatsächlich revidierte das Verwaltungsgericht Augsburg den
Offensichtlichkeitsbescheid des Bamf, nicht aber die Ablehnung des
Asylantrags an sich. Auf Anfrage teilt das Gericht mit, Akgül habe nicht
glaubhaft machen können, dass ihm „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine
flüchtlingsrelevante Verfolgung droht“.
Das Gericht argumentiert, dass Akgül nicht „vorverfolgt“ geflohen sei. Die
Polizei in Istanbul habe ihn zwar mehrere Stunden vernommen, im Endeffekt
aber keine Klage gegen ihn erhoben. Außerdem gehe aus den in der
Zwischenzeit über den Fall erschienenen Artikeln nicht hervor, dass Akgül
Mitglied der PKK sei, er habe ja in der Tat nur an Demonstrationen
teilgenommen.
An dieser Stelle wird es juristisch etwas „widersprüchlich“, sagt der
Anwalt Yunus Ziyal. Während das Verwaltungsgericht Augsburg seinen
Mandanten nicht für ausreichend involviert in die Strukturen der PKK halte,
um in der Türkei tatsächlich Verfolgung befürchten zu müssen, rechnen die
bayerischen Behörden ihn genau diesen Strukturen zu, um eine Ausweisung zu
rechtfertigen.
Auch nach drei Jahren in diesem Verfahren kann sich Yunus Ziyal die
besondere Härte des Vorgehens gegen seinen Mandanten, der in der
Zwischenzeit auch nicht mehr auffällig geworden sei und in Augsburg wieder
als Gebäudereiniger arbeitet, nicht vollständig erklären: „Es ist ein
Reflex gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden. Wenn die
Verfolgungsbehörden aber Erkenntnisse hätten, die auf eine Bedrohung
hinweisen, sollen sie ihn anklagen. Das passiert aber genau nicht. Menschen
wie Herrn Akgül gibt es Hunderte in Deutschland. Es ist ein bisschen, als
hätte man sich genau auf ihn eingeschossen und will den Fehler nun nicht
korrigieren.“
Während Murat Akgül und sein Anwalt nun darauf warten, dass das
Verwaltungsgericht Ansbach den Prozess um seine Ausweisung terminiert,
läuft die Frist ab, in der er das Land erneut verlassen müsste. Yunus Ziyal
überlegt unterdessen, welche migrationsrechtlichen Instrumente ihm im
weiteren Verlauf überhaupt noch zur Verfügung stehen.
19 Apr 2022
## LINKS
[1] /Abschiebung-in-die-Tuerkei/!5632814
[2] /Abgeschobener-Kurde-aus-Nuernberg/!5642346
## AUTOREN
Andreas Thamm
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