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# taz.de -- Prozess wegen Massenmords im KZ: Urteil in Sicht
> Einer der letzten NS-Prozesse gegen früheres KZ-Personal läuft in
> Brandenburg. Posthum wurde die Aussage des Häftlings Leon Schwarzbaum
> verlesen. ​
Bild: Die historische Lagermauer des KZ Sachsenhausen, beschädigt durch einen …
Brandenburg/Havel epd | Im NS-Prozess gegen [1][einen früheren mutmaßlichen
Wachmann des KZ Sachsenhausen] ist der vor wenigen Tagen gestorbene
ehemalige Häftling [2][Leon Schwarzbaum] posthum zu Wort gekommen. „Ich
möchte Sie auffordern, die historische Wahrheit zu sagen“, richtete sich
Schwarzbaum in seiner schriftlichen Aussage an den 101-jährigen
Angeklagten.
Die Zeugenaussage wurde am 28. Verhandlungstag am Freitag von Rechtsanwalt
Thomas Walther am Verhandlungsort in Brandenburg an der Havel verlesen. Das
Gericht kündigte zugleich an, dass die Beweisaufnahme in der kommenden
Woche abgeschlossen werden und ein Urteil möglicherweise am 29. April
verkündet werden könnte. (Az.: 11 Ks 4/21)
Der Vorsitzende Richter Udo Lechtermann betonte zudem, dass zusätzlich zu
den bisherigen Anklagepunkten auch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum
versuchten Mord in den zehn Fällen in Betracht kommen könnte, die die
KZ-Überlebenden unter den Nebenklägern betreffen. Außerdem sei eine
Verurteilung wegen Beihilfe zum vollendeten Mord an den sechs Häftlingen
denkbar, deren Angehörige als Nebenkläger an dem Prozess beteiligt sind,
sagte Lechtermann.
Die Staatsanwaltschaft wirft Josef S. Beihilfe zum grausamen und
heimtückischen Mord in mindestens 3.518 Fällen vor. Den Ermittlungen
zufolge war er in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18.
Februar 1945 SS-Wachmann in Sachsenhausen. Er selbst bestreitet das bisher.
Leon Schwarzbaum, der die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und
Sachsenhausen sowie zwei Todesmärsche überlebte und selbst 101 Jahre alt
wurde, schilderte in seiner schriftlichen Aussage Grausamkeiten und
Brutalitäten der SS in den Konzentrationslagern. Der erste Mord vor seinen
Augen dort habe sich „unauslöschlich“ bei ihm eingeprägt, betonte er. Ein
junges Mädchen, das versucht habe wegzulaufen, sei von einem SS-Mann aus
nächster Näher erschossen worden.
## Jahrelange Todesangst
Er sei in den Lagern jahrelanger Todesangst ausgesetzt gewesen, betonte er
in der schriftlichen Aussage. Schließlich sei er in einem vielfach
überfüllten Lager bei Berlin angekommen, „in dem das Leben eines
ausgehungerten Juden absolut nichts mehr zählte“. In Sachsenhausen seien
sich alle sicher gewesen, dass sie irgendwann erschossen würden, die Welt
sei für die Häftlinge „vom unausweichlichen Tod“ bestimmt gewesen.
Er appelliere an den Angeklagten Josef S., Leugnung und Verdrängung
aufzugeben und darüber zu sprechen, was er erlebt habe, hieß es in
Schwarzbaums Aussage. Die „Missachtung jeglicher Menschenrechte, Gewalt und
Hass“ dürften nicht siegen. Auch der Angeklagte habe vermutlich viele
Erinnerungen, damit werde er bis zum Schluss alleine sein.
Am Freitag äußerten sich auch erneut zwei historische Sachverständige zu
Fragen der Verbrechen und des Lageralltags in den NS-Konzentrationslagern.
Weil die SS vor der Lagerräumung 1945 „zielgerichtet und weitreichend“
Unterlagen vernichtet habe, seien jedoch viele Dokumente nicht mehr
erhalten, sagte die stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte
Sachsenhausen, Astrid Ley. Der Angeklagte Josef S. stammt aus einer
baltendeutschen Familie aus Litauen und hat nach Ende seiner
Kriegsgefangenschaft in der DDR gelebt.
18 Mar 2022
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