# taz.de -- Diskriminierung von Berliner Roma: Alltägliche Abwertung | |
> 137 Fälle sind nur die Spitze der Diskriminierung von Rom:nja. Der | |
> Jahresbericht der Dokumentationsstelle Antiziganismus klagt auch Behörden | |
> an. | |
Bild: Auch Kinder sind von Antiganismus betroffen, hier demonstrieren sie mit d… | |
Es passiert nicht nur, aber immer wieder auch in Behörden. Bei der Vergabe | |
von Schulplätzen, der Beantragung von Kindergeld und anderen | |
existenzsichernden Leistungen diskriminieren Sachbearbeiter:innen | |
Menschen, die sie als Rom:nja lesen. Die Meldungen, die die Berliner | |
Dokumentationstelle Antiziganismus (Dosta) für das Jahr 2021 sammelte, | |
zeugen von tief verankerten Stereotypen. „Menschen mit selbst- oder | |
fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund müssen buchstäblich in ihrem gesamten | |
Alltag immer mit Abwertung und Ausgrenzung bis hin zu Gewalt rechnen“, sagt | |
Projektleiterin Violeta Balog bei der Vorstellung [1][des Berichts] am | |
Mittwoch. | |
Die bundesweit einzigartige Dokumentationsstelle der Sinti:zze- und | |
Rom:nja-Selbstvertretung [2][Amaro Foro] erfasst seit 2014 | |
antiziganistische Vorfälle, ein Großteil wird über Beratungsstellen | |
gemeldet. 137 antiziganistische Fälle hat Dosta für das vergangene Jahr | |
erfasst. Weil Beratungsangebote wegen der Coronapandemie wie schon im | |
Vorjahr fast ausschließlich telefonisch und per Mail erreichbar waren, sei | |
das nur die Spitze des Eisbergs, so Balog: Von einer gewaltigen | |
Dunkelziffer sei auszugehen. | |
Ein Großteil der 2021 gemeldeten Vorfälle spielte sich im Alltag und | |
öffentlichen Raum ab, mit 56 war die Zahl so hoch wie noch nie. Auch hier | |
hatte die Coronapandemie Einfluss. So habe die Hassrede im Internet, die | |
NS-Relativierung durch Kritiker:innen der Coronamaßnahmen stark | |
zugenommen – immer wieder unter der Verwendung der rassistischen | |
Fremdbezeichnung. „Wir sind die neuen Z-Wort“, lautete etwa ein Slogan auf | |
Coronademos. Amaro Foro warnt vor einer im Rahmen der Pandemie gestiegenen | |
Salonfähigkeit antiziganistischer Beleidigungen. | |
Kritisiert wird auch die als illegal bewertete Datenerfassung von Menschen | |
als Rom:nja bei den Berliner Jugendämtern, die Mitte des Jahres durch eine | |
Grünenanfrage ans Licht kam. Mit der Datenschutzgrundverordnung sei diese | |
Erfassung einer selbst- oder fremdzugeschriebenen ethnischen Zugehörigkeit | |
nicht vereinbar, so die Projektmitarbeiter:innen. Vom Kontakt mit Behörden | |
würde auch immer wieder berichtet, dass Betroffene Unterlagen mehrfach oder | |
unnötigerweise einreichen sollten oder ihnen Leistungen unrechtmäßig | |
verwehrt würden. Man solle sich bei den Landsleuten beschweren, habe der | |
Sachbearbeiter eines Jobcenters auf eine Klage darüber geantwortet. | |
## Diskriminierung ist auch aktuell ein Thema | |
Im Jahr 2021 seien immer wieder aus der Republik Moldau geflüchtete | |
Rom:nja diskriminiert worden. Die massive Ausgrenzung, vor der sie | |
geflohen waren, setze sich damit in Deutschland fort. Zwar erstarke ein | |
Bewusstsein in der Community, sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu | |
setzen, aber gerade Geflüchtete in existenziellen Notsituationen hätten | |
dafür häufig kaum Kapazitäten, sagt Amaro-Foro-Sprecherin Andrea Wierich. | |
Ein Phänomen, das sich mit der durch den Ukrainekrieg ausgelösten | |
Flüchtlingskrise weiter zu verschärfen droht. Schon jetzt wird [3][von | |
Diskriminierungen der aus der Ukraine geflüchteten Rom:nja berichtet] – | |
auf der Flucht und in Berlin. | |
Auch Berliner Medien blieben nicht ohne Schelte: Asylsuchenden aus der | |
Republik Moldau sei vielfach ein Roma-Hintergrund zugeschrieben worden, | |
mitsamt antiziganistischer Stereotypen. Eine Auseinandersetzung mit der | |
Diskriminierung und erfahrenen Gewalt der Betroffenen im Heimatland sei | |
dagegen kaum erfolgt, heißt es im Medien-Monitoring des Berichts. | |
Von Ausgrenzungserfahrungen wird auch aus den Bereichen Zugang zu Wohnraum, | |
Bildung und [4][Arbeit] berichtet. Besonders dramatisch: Gerade im | |
Schulbereich seien Kinder teils tagtäglich antiziganistischen Angriffen | |
ausgesetzt – durch andere Kinder, aber auch durch Lehrkräfte, geduldet von | |
Schulleitungen und anderen höheren Instanzen. | |
1.047 Fälle von Antiziganismus hat die Dokumentationstelle seit ihrer | |
Gründung 2014 dokumentiert – die Zahlen und Schilderungen vermitteln nur | |
einen Eindruck, repräsentativ sind sie nicht. Es bräuchte politische | |
Bemühungen, um eine systematische Erfassung stereotyper Ressentiments in | |
Behörden und Einrichtungen zu ermöglichen. Amaro Foro fordert außerdem mehr | |
Schulungen zur Sensibilisierung von Behördenmitarbeiter:innen. | |
Einstweilen sind alle Berliner:innen aufgerufen, [5][antiziganistische | |
Vorfälle an die Dokumentationsstelle zu melden]. | |
30 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://amaroforo.de/wp-content/uploads/2022/03/DOSTA-Kurzbericht-1.pdf | |
[2] https://amaroforo.de/ | |
[3] /Rassismus-gegen-Ukraine-Gefluechtete/!5845419 | |
[4] /Antiziganismus-in-Berlin/!5790273 | |
[5] https://amaroforo.de/projekte/dosta | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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