| # taz.de -- Islamistische Gewalt in Benin: Wenn der Terror immer näher kommt | |
| > In Benin leben die Menschen friedlich zusammen. Doch aus Burkina Faso und | |
| > Niger breitet sich Gewalt aus. Das erzeugt Misstrauen in der | |
| > Gesellschaft. | |
| Bild: Militärtraining im Pendjari-Nationalpark, Benin: Die Grenze zu Burkina F… | |
| Parakou taz | In einem Wohnviertel unweit der Kreuzung „Drei Banken“ sitzen | |
| am Morgen ein paar Männer vor einem geschlossenen Geschäft und trinken aus | |
| kleinen Gläsern bitter-süßen Tee. Ein Junge galoppiert auf einem kleinen | |
| Schimmel die sandige Straße entlang und wirbelt viel Staub auf. Friedliche | |
| Szenen in Parakou, Benins drittgrößter Stadt. Aber weiter nördlich beginnt | |
| die Zone, wo [1][islamistische Gewalt] zunimmt. | |
| In Benins Norden kam es seit Ende November gleich zu drei Anschlägen: in | |
| Porga, Banikoara und zuletzt im Februar im geschlossenen Nationalpark W, | |
| dessen Gebiet sich auch auf die Länder Burkina Faso und Niger erstreckt. | |
| Mehr als zehn Menschen starben. Die häufige Lesart ist, dass die Gewalt aus | |
| diesen beiden Nachbarländern nach Benin überschwappt. Anschläge in Benin | |
| werden als „Angriff von außen, von Fremden“ gedeutet. | |
| „Das Leben hier geht ganz normal weiter. Aber eins stimmt schon: Wir leben | |
| zwar nicht direkt an der Grenze – ganz weit weg ist sie aber auch nicht,“ | |
| sagt Mohamed Touraré, Imam der Zentralmoschee von Parakou im Viertel Gah. | |
| Nach dem Frühgebet empfängt er in seinem Haus Besucher*innen. „In Parakou | |
| leben viele Muslime. Es lässt sich schon sagen, dass es eine muslimische | |
| Stadt ist. Aber“, fügt er schnell hinzu, „wir haben ein sehr gutes | |
| Verhältnis zu den Christen. Wir leben gut zusammen. Feste wie das Ende des | |
| Ramadan feiern wir gemeinsam“. | |
| Für das friedliche Zusammenleben von Islam, Christentum und auch der | |
| Voodoo-Religion im Süden des Landes ist Benin mit seinen 13 Millionen | |
| Einwohner*innen bekannt. Spezielle Programme zum religiösen Dialog, wie | |
| es sie in manchen Nachbarländern gibt, werden bisher als gar nicht | |
| notwendig angesehen. Ändern könnte das jedoch die zunehmende Gewalt im | |
| Norden. | |
| ## Täglicher Gesprächsstoff | |
| Drei Autostunden nördlich von Parakou wohnt in der Stadt Gogounou Samuel | |
| Bassadin. Bis in die Grenzstadt Malanville sind es noch rund 120 Kilometer. | |
| Auch der Pensionär sagt: „Bisher leben wir hier friedlich. Noch sind sie | |
| nicht hierher gekommen. Wir beten täglich dafür, dass es nie passiert.“ | |
| Trotzdem sind die Anschläge Gesprächsstoff im Alltag. | |
| Die Prognosen sind nicht gut, schätzt Kars de Bruijne, der das | |
| Sahel-Programm am niederländischen Clingendael-Institut leitet. | |
| „Befürchtungen, die ich vor einem halben Jahr hatte, haben sich | |
| bewahrheitet.“ Anfangs ließ sich der Angriff in Porga noch als eine Art | |
| Warnschuss deuten. Benins Militär war im burkinischen Grenzort Nadiagou, wo | |
| sich die islamistische Gruppierung Ansarul Islam niedergelassen hat, daran | |
| beteiligt, die Straße zu sichern – im Gegenzug schlugen die Islamisten auf | |
| beninischem Gebiet zu. „Es sah so aus, als ob man sagen wollte: Bleibt | |
| fern.“ | |
| Doch die Gewalt im Norden Benins entwickelt zunehmend eine eigene Dynamik. | |
| Wie überall in Westafrika werden auch hier Streitigkeiten zwischen Farmern | |
| und Viehhirten um Weideland und Ackerflächen zunehmend blutig. Hinzu kommen | |
| Streitigkeiten zu Besitzfragen und das, was als „giftiger Tourismus“ | |
| bezeichnet wird. | |
| Die südafrikanische Organisation African Parks verwaltet neben dem Park W | |
| bereits seit 2017 den Pendjari-Nationalpark im Nordwesten Benins. Es kommt | |
| immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Parkwächtern und der | |
| einheimischen Bevölkerung, die verdrängt wird und Lebensgrundlagen | |
| verliert. Dabei steht der Park im Zentrum der Tourismusstrategie der | |
| Regierung von Präsident Patrice Talon: Der Tourismus soll zunehmend zum | |
| Devisenbringer werden, obwohl beispielsweise Frankreich den Park längst zur | |
| roten Zone erklärt hat. | |
| ## Optimaler Rückzugsort | |
| Riesige unbewohnte Flächen, wie sie für Nationalparks typisch sind, gelten | |
| als optimaler Rückzugsort für Terroristen und organisierte Banden. Nachdem | |
| es bereits 2019 im Pendjari zur Ermordung eines Touristenführers und der | |
| Entführung von zwei französischen Urlaubern gekommen war, ist der Teil in | |
| Grenznähe zu [2][Burkina Faso], in dem auch das Hotel des Parks liegt, | |
| geschlossen. | |
| Auffällig ist in Benin wie in den Nachbarländern eine Tendenz zu | |
| unkoordinierten Militäroperationen. „Man verjagt Terroristen“, sagt Kars de | |
| Bruijne – nur damit sie woanders wieder auftauchen. So würden | |
| beispielsweise Anhänger der Gruppe für die Unterstützung des Islams und der | |
| Muslime (JNIM)“ – sie ist neben dem „Islamischen Staat in der Größeren | |
| Sahara“ (ISGS) hauptverantwortlich für terroristische Gewalt in der | |
| Sahelzone – einfach ausweichen, wenn das Militär eine Operation startet, | |
| und zu zweit oder dritt an neue Orte gehen. | |
| Dort sind sie dann durchaus sichtbar, sagt Sozialanthropologe Issifou Abou | |
| Moumouni, der am Forschungsinstitut Lasdel in Parakou arbeitet. „Man weiß, | |
| wo sie sind, wo sie sich mit Nahrungsmitteln eindecken“, sagt er, „das | |
| macht natürlich Angst. Eins ist nämlich nicht klar: Niemand ist sicher, | |
| wann sie das nächste Mal zuschlagen“. Längst vor den Anschlägen haben | |
| Untersuchungen gezeigt, dass mutmaßliche Terroristen an verschiedenen Orten | |
| im Norden Benins präsent sind. | |
| Die Lesart, dass es sich um Nicht-Beniner handelt, sieht Moumouni kritisch. | |
| Wer Anschläge verübt, braucht zumindest gute Kontakte vor Ort und | |
| Informant*innen, sagt er. Deswegen schüren Angriffe Misstrauen innerhalb | |
| der Gesellschaft. Moumouni erlebt, dass in Gesprächen nicht offen über | |
| mutmaßliche Terroristen gesprochen wird. „Man weiß ja nicht, mit wem man es | |
| zu tun hat.“ | |
| 24 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Extremismus-in-Westafrika/!5820956 | |
| [2] /Praesident-von-Burkina-Faso-in-Haft/!5830065 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
| ## TAGS | |
| Benin | |
| Burkina Faso | |
| Niger | |
| Islamismus | |
| Burkina Faso | |
| Burkina Faso | |
| Mali | |
| Burkina Faso | |
| Mali | |
| Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Überfall in Burkina Faso: Bluttat stellt Militär auf Probe | |
| Bei einem Überfall auf eine Stadt im Osten von Burkina Faso starben bis zu | |
| 200 Menschen. Die Militärregierung kann die Gewalt nicht beenden. | |
| Regierung spricht von Terror: Gefechte im Norden Togos | |
| Bewaffnete greifen einen Militärposten nahe der Grenze zu Burkina Faso an. | |
| Wegen dschihadistischer Angriffe hatte Togo das Militär dort aufgestockt. | |
| Kampf gegen IS in Sahelzone: Mali darf sich nicht wiederholen | |
| Die internationalen Militäreinsätze in Mali gelten als gescheitert. Jetzt | |
| wird der Niger wichtigster Standort ausländischer Antiterrortruppen. | |
| Präsident von Burkina Faso in Haft: „Das ist ein Staatsstreich“ | |
| Unzufriedene Soldaten setzen in Burkina Faso den Staatschef und andere | |
| Regierungsmitglieder fest. Beobachter vermuten einen Militärputsch. | |
| Extremismus in Westafrika: Der Terror rückt an die Küste vor | |
| Mali, Niger und Burkina Faso werden von islamistischem Terror heimgesucht. | |
| Nun rechnen auch die Elfenbeinküste, Togo und Benin mit zunehmender Gewalt. | |
| Militäreinsatz im Sahel: Das zweite Afghanistan? | |
| In Sahelstaaten wie Mali und Niger ist die Regierung vielerorts abwesend. | |
| Um jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, braucht es langfristige | |
| Strategien. |