# taz.de -- Grundsatzurteil zur Miete bei Hartz IV: Das Jobcenter haftet nicht | |
> Vermieter:innen können ausstehende Nachzahlungen nicht beim Jobcenter | |
> einklagen. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen. | |
Bild: Nicht immer sind Vermieter:innen sicher, wenn das Amt die Miete zahlt | |
BREMEN taz | Wer an Hartz-IV-Empfänger:innen vermietet, kann nicht das | |
Jobcenter verklagen, wenn das Geld ausbleibt. Das entschied das | |
Landessozialgericht (LSG) in Niedersachsen in einem [1][Grundsatzurteil]. | |
Die Eintreibung von Schulden sei nicht die Sache der Behörden, sondern das | |
eigene Geschäft der Vermieter:innen. Und die haben keine einklagbaren | |
Ansprüche beim Amt, entschieden die Richter:innen. | |
Im konkreten Fall hatte ein Mann aus dem Harz seine Wohnungen an | |
Grundsicherungsempfänger:innen vermietet – und sich von ihnen die | |
Zustimmung geben lassen, dass ihre Miete direkt vom Jobcenter an ihn | |
überwiesen wird. Dennoch blieb eine Mieterin ihre Nebenkosten für 2018 und | |
2019 schuldig, später auch noch die Miete selbst. Insgesamt waren Ausstände | |
von über 4.000 Euro aufgelaufen. | |
Also verlangte der Vermieter vom Jobcenter in Goslar, diese Schulden zu | |
begleichen. Das Amt weigerte sich aber – und zwar zu Recht, wie zunächst | |
das Sozialgericht in Braunschweig und nun auch das LSG in Celle entschied. | |
Der Vermieter hielt es für „nicht hinnehmbar“, dass das Jobcenter zwar die | |
Kosten des Energieversorgers direkt zahle, er bei einer Nachzahlung jedoch | |
erst prozessieren müsse. Hierdurch sei der Gleichbehandlungsgrundsatz | |
verletzt. Er werde „vorsätzlich sittenwidrig geschädigt“, so sein Argumen… | |
## „Keine Beziehung“ zwischen Amt und Vermieter | |
Die Richter:innen aber sehen gar „keine Grundlage“ für Ansprüche des | |
Vermieters gegenüber dem Jobcenter. Trotz der im Sozialgesetzbuch II | |
vorgesehen Möglichkeit der Direktzahlung der Miete an den Vermieter | |
entstehe dadurch „keine Rechtsbeziehung“ zwischen ihm und dem Amt. Der | |
Vermieter habe somit auch keine eigenen einklagbaren Ansprüche. | |
Die Direktzahlung diene allein dazu, eine zweckgemäße Verwendung der | |
Sozialleistungen sicherzustellen. Ihr Sinn sei es nicht, | |
Vermieter:innen die Durchsetzung ihrer Mietforderungen zu erleichtern, | |
indem man per Gesetz einen weiteren, noch dazu: solventen Schuldner in Form | |
des Jobcenters etabliere. Nun muss der Vermieter die Gerichtskosten von | |
1.200 Euro alleine tragen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. | |
Mit ihrer Rechtsprechung folgen die Celler Richter:innen einem | |
[2][Urteil des Bundessozialgerichtes] (BSG) von 2018. Es gibt [3][keine | |
Abkürzung] für Vermieter:innen, die Mietrückstände von | |
Hartz-IV-Empfänger:innen eintreiben wollen, entschieden auch die dortigen | |
Richter:innen. Die Tatsache, dass das Sozialgesetzbuch die Möglichkeit zur | |
Direktzahlung vorsieht, heiße nicht, dass ein Vermieter diese beim | |
Jobcenter einklagen könne oder einen unmittelbaren Anspruch beim Amt habe – | |
das sehe das Sozialgesetzbuch nicht vor. Das BSG stellte damals klar, dass | |
Hartz-IV-Empfänger:innen ihre sozialrechtlichen Ansprüche auf | |
Geldleistungen nur abtreten könnten, wenn das Jobcenter dem zustimmt. | |
Auch nach dem Zivilrecht hätte der Vermieter laut BSG übrigens schlechte | |
Karten. Anders wäre es nur, wenn sich das Amt ausdrücklich zur | |
Schuldübernahme eines Hartz-IV-Beziehenden verpflichtet – so wie bei einer | |
Mietbürgschaft. Das ist jedoch unüblich. Das Jobcenter ist lediglich ihm | |
gegenüber zur Zahlung verpflichtet – es hat aber kein Schuldverhältnis mit | |
seinem Vermieter. | |
Auch wenn im Mietvertrag eine Direktzahlung vereinbart ist, können | |
Vermieter:innen also das Nachsehen haben, erklärt ein Sozialrichter auf | |
dem Portal [4][lto]. Denn Vermieter:innen können sich kaum dagegen | |
wehren, dass Mieter:innen ihren Antrag auf Direktzahlung beim Jobcenter | |
widerrufen, sobald der Mietvertrag unterschrieben ist – oder einen solchen | |
Antrag erst gar nicht stellen. | |
7 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemit… | |
[2] https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/2018_08_09_B_14_A… | |
[3] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bsg-b14as3817r-wohnraum-hartziv-mi… | |
[4] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bsg-b14as3817r-wohnraum-hartziv-mi… | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
Mietenwahnsinn | |
Mietpreise | |
Mietenpolitik | |
Hartz IV | |
Sozialgericht | |
Urteil | |
Sozialgesetzbuch | |
Hartz IV | |
Sozialgericht | |
Wohnkosten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Umzug für den Job: Arbeitsamt muss Mietkaution stellen | |
Das Jobcenter muss Arbeitslosen die Mietkaution zahlen, wenn die für eine | |
Stelle umziehen müssen. So urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen. | |
Hartz IV-Mietobergrenzen rechtswidrig: Mehr Wohngeld in Bremen | |
Bremer Empfänger*innen von Sozialleistungen bekommen ab sofort etwas mehr | |
Wohngeld. Bisher wurden Mietobergrenzen rechtswidrig gedeckelt. | |
Urteile zum Wohnen mit Hartz-IV: Unfriede in den Hütten | |
Sozialgerichte in Bremen und Niedersachsen haben über Wohnkosten von | |
Arbeitslosen geurteilt. In Bremen wurden Obergrenzen zu niedrig gerechnet. | |
Urteil zu Hartz IV und Wohnungskosten: Schlechter wohnen | |
Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage einer Frau ab. Diese klagte | |
auf die vollständige Übernahme ihrer Unterkunftskosten. |