Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korsikas Streben nach Autonomie: Insel hat einen neuen Märtyrer
> Nach dem Tod des inhaftierten korsischen Nationalisten Yvan Colonna gibt
> es zunächst nur stillen Protest. Der Fall belebt die
> Autonomieforderungen.
Bild: Ein altes Foto von Yvan Colonna auf einem Plakat, März 2022
Paris taz | Nach drei Wochen im Koma ist am Montag der Korse Yvan Colonna
im Krankenhaus von Marseille seinen Verletzungen erlegen. Vor der
Kathedrale im korsischen Ajaccio legten Dutzende Personen Blumen nieder und
zündeten Kerzen an. Es sei vorerst „die Zeit der Andacht und der
Würdigung“, erklärten sie.
„Ich denke nicht, dass jetzt über etwas anderes gesprochen werden sollte
als über unsere Emotionen. Für Reaktionen und Analysen wird es später Zeit
geben“, sagte der korsische Abgeordnete Michel Castellani. Andere korsische
Nationalisten würdigten den „Tod eines korsischen Patrioten“.
Colonna war am 2. März von einem wegen Terrorismus verurteilten
Dschihadisten im Gefängnis von Arles lebensgefährlich verletzt worden. Er
verbüßte dort eine lebenslange Haftstrafe, zu der er wegen eines
Mordanschlags auf Korsikas Polizeipräfekten Claude Érignac im Jahr 1998
nach drei Gerichts- und einem Berufungsverfahren verurteilt worden war.
Eine aktive Beteiligung an der Tat hatte der korsische Nationalist Colonna
stets bestritten. Er hatte sich vier Jahre als Schafhirte in einer
entlegenen Hütte im korsischen „Maquis“ versteckt. Das bei seiner Festnahme
gemachte Polizeifoto, auf dem er unrasiert und mit langen schwarzen Haaren
traurig blickt, wird bis heute von Medien verwendet.
## Angriff auf Colonna löste gewaltsame Protestwelle aus
Der brutale Angriff auf ihn in der Haft löste auf Korsika eine gewaltsame
Protestwelle aus und belebte die Autonomieforderungen. Bei Protesten in
mehreren korsischen Städten kam es darauf fast jeden Abend zu
[1][Zusammenstößen] zwischen jungen Demonstrierenden und der Polizei.
Mit seinem Tod ist Colonna zum Märtyrer des Kampfes gegen die
jahrhundertealte Bevormundung der Mittelmeerinsel durch Frankreich
geworden.
Immer wieder hatten die französischen Behörden Colonna und seinen beiden
wegen Mithilfe verurteilten Freunden eine Verlegung in ein Gefängnis auf
Korsika verwehrt, wo ihn seine Familie leichter hätte besuchen können.
Er war deswegen hinter Gittern auf dem Festland zu einer Symbolfigur der
korsischen Nationalisten geworden. In dieser Frage möchte Paris nun in
Zukunft mehr Entgegenkommen zeigen.
## Innenminister stellte „Form der Autonomie“ in Aussicht
Zur Beruhigung flog Innenminister Gérald Darmanin letzte Woche nach
Ajaccio. Noch vor den Gesprächen mit korsischen Behördenvertretern hatte er
erklärt, die Regierung sei offen, „bis zu einer [2][Form der Autonomie]“
für Korsika zu gehen. Zurück in Paris betonte er jedoch kategorisch:
„Korsika bleibt französisch.“
Der Vorsitzende der korsischen Exekutive, Gilles Simeoni, wünscht von der
Staatsführung in Paris eine „schriftliche“ Offerte für die Diskussionen. …
dementiert Gerüchte, wonach er für die Aussicht auf eine erweiterte
Autonomie Präsident Emmanuel Macron Unterstützung bei der Wiederwahl
versprochen habe.
Konkrete Verhandlungen über einen Status mit einer Selbstbestimmung in
wichtigen Bereichen wie der Schule und der Kultur, den Transportmittel und
den Steuern haben bisher noch nicht begonnen. Als mögliches Vorbild wird in
den Medien die Autonomie von Französisch-Polynesien erwähnt.
22 Mar 2022
## LINKS
[1] /Proteste-gegen-Frankreichs-Zentralstaat/!5841070
[2] /Mehr-Eigenstaendigkeit-von-Frankreich/!5837066
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Autonomie
Dschihadisten
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Polynesien
Korsika
Korsika
Korsika
Kolumne Die Nafrichten
Wandern
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Autonomie für Korsika: Dialog statt Bomben
Korsikas Parlament stimmt für ein Statut, das den Weg für eine Autonomie
ebnen könnte. An Kritikern mangelt es nicht. Ob Paris zustimmt, ist offen.
Korsikas Streben nach Autonomie: Extrawurst für die Insel
Präsident Macron hat Korsika mehr Autonomie in Aussicht gestellt. Die
Zugeständnisse wecken auch bei Separatisten in anderen Regionen das
Interesse.
Märtyrertod in der Gesellschaft: Verstörende Romantisierung
Ob im Kampf gegen Angriffskrieg oder Diktatur, Todesopfer werden oft als
Held*innen gefeiert. Aber Tod darf nicht für Mobilisierung genutzt
werden.
Bergwandertour auf Korsika: Eine fröhliche Tortour
Verreisen, um zu wandern, war früher noch nicht populär. Und die
Infrastruktur unterwegs dürftig. Erinnerung an die große
Korsika-Durchquerung 1985.
Nach Regionalwahlen auf Korsika: Neue Stärke für Nationalisten
Die korsische Pè a Corsica erhält 56,5 Prozent der Stimmen. Die Regierung
in Paris kann Forderungen der Partei nun nicht länger ignorieren.
Territorialwahl in Korsika: Die „Nationalisten“ haben klar gesiegt
Die Autonomisten und Separatisten werden im Parlament in Korsika die
Mehrheit stellen. Kommt jetzt eine Abspaltung à la Katalonien?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.