# taz.de -- Ukraine fordert EU-Beitritt: Ein langer Weg | |
> In einer emotionalen Rede hat sich der ukrainische Präsident an das | |
> Europaparlament gewendet. Einen EU-Blitz-Beitritt soll es jedoch nicht | |
> geben. | |
Bild: Blau-gelbe Outfits als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine im Europa… | |
Brüssel taz | Eine solche Sitzung hat das Europaparlament in Brüssel noch | |
nicht erlebt: Fünf Tage nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine redete | |
Staatschef Präsident Wolodymyr Selenskyj den Abgeordneten ins Gewissen. In | |
einer Videoansprache aus dem umkämpften Kiew forderte [1][Selenskyj] eine | |
„gleich-berechtigte“ Mitgliedschaft seines Landes in der EU. | |
Die EU-Parlamentarier quittierten seine Rede mit Standing Ovations. Viele | |
Abgeordnete hatten sich Schleifen in den Farben der ukrainischen Flagge ans | |
Revers geheftet oder Ukraine-T-Shirts übergestreift. „Wir haben uns für | |
Europa entschieden, und ich möchte gerne von Ihnen hören, dass Sie unsere | |
Wahl für Europa teilen“, rief Selenskyj aus. | |
Doch die Antwort fiel nicht so klar aus, wie er gehofft haben dürfte. „Wir | |
erkennen die europäische Perspektive der Ukraine an“, sagte | |
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Das Beitrittsgesuch werde ernsthaft | |
geprüft, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel. Der Rat werde sich | |
„seiner Verantwortung nicht entziehen können“. | |
Einen Blitz-Beitritt wird es jedoch nicht geben. „Es liegt noch ein langer | |
Weg vor uns“, stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen klar, | |
die noch am Montag vorgeprescht war und große Erwartungen geschürt hatte. | |
Bisher ist die Ukraine nur durch ein Assoziierungsabkommen an die EU | |
gebunden. | |
Für einen Beitritt sind viele Schritte nötig, die in der Regel viele Jahre | |
dauern und manchmal – wie in der Türkei – sogar in eine [2][Sackgasse] | |
führen. Neben der Türkei warten auch die Länder des westlichen Balkans auf | |
die begehrte Eintrittskarte für den europäischen Club. 20 Jahre nach Ende | |
des Jugoslawienkriegs haben sie ihr Ziel immer noch nicht erreicht. | |
Unter dem Bombenhagel des russischen Angriffskrieges wird es bestimmt | |
keinen Beitritt geben, da sind sich alle in Brüssel einig. Doch unterhalb | |
dieser Schwelle scheint alles möglich. Alle Fraktionen des Europaparlaments | |
– von ganz links bis ganz rechts – stellten sich hinter die Ukraine und ihr | |
Streben nach Freiheit und Demokratie. | |
„Wir sind voller Bewunderung für die Ukraine und für Selenskyj, Europa | |
erlebt seinen Kiew-Moment“, sagte der Chef der größten Parlamentsfraktion, | |
Manfred Weber (EVP). Noch emotionaler äußerte sich von der Leyen. Sie | |
redete Selenskyj mit seinem Vornamen Wolodymyr an und versprach humanitäre | |
Hilfe in Höhe von 500 Millionen Euro. | |
Die Mittel aus dem EU-Budget sollen sowohl innerhalb der Ukraine als auch | |
für die Flüchtlinge eingesetzt werden. Sie kommen zu weiteren 500 Millionen | |
Euro hinzu, mit denen die EU Kriegswaffen für das umkämpfte Land beschaffen | |
will. Das Geld aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität war erst | |
am Montag freigegeben worden. | |
Die entschlossene Reaktion der Europäer habe Kremlchef Wladimir Putin | |
sicherlich überrascht, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Der | |
Krieg werde aber nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Sanktionen geführt. | |
Es gehe darum, „die Kräfte des Bösen“ zu schlagen – deshalb werde die EU | |
sich noch mehr Verteidigungskapazitäten zulegen. | |
Allerdings blieb Borrell eine Antwort auf die Frage schuldig, ob und welche | |
Fehler die EU gemacht haben könnte – und wie es nun weitergehen soll. | |
Mehrere Abgeordnete wiesen darauf hin, dass man sich in der Energiepolitik | |
zu sehr von Russland abhängig gemacht habe. Die Ko-Chefin der | |
Linken-Fraktion, Martine Aubry, warnte davor, allein auf Vergeltung zu | |
setzen. | |
„Man führt keinen Krieg, um den Krieg zu beenden“, sagte sie unter | |
Anspielung auf die harten Wirtschaftssanktionen. Die EU dürfe sich nicht | |
auf Putins „schreckliches Spiel“ einlassen. Das Motto „Auge um Auge, Zahn | |
um Zahn“ führe in diesem Konflikt nicht weiter, am Ende müsse eine | |
diplomatische Lösung stehen. | |
1 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Rede-des-ukrainischen-Praesidenten/!5834186 | |
[2] /EU-Gelder-fuer-Tuerkei-und-Westbalkan/!5776307 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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