# taz.de -- Gespräche zum Ukrainekrieg in Antalya: Türkischer Vermittler | |
> Im Ukrainekrieg will die Türkei zwischen Kiew und Moskau vermitteln. | |
> Dabei hat Präsident Erdogan vor allem seine eigenen Interesse im Blick. | |
Bild: Protest unter Palmen: Demonstration gegen Putins Invasion in der Ukraine … | |
ISTANBUL taz | Am Dienstag titelte die regierungsnahe, türkische Zeitung | |
Yeni Safak: „Der Friedenstisch wird in Antalya aufgebaut“. Man ist stolz | |
darauf, dass das erste Treffen auf hoher Regierungsebene zwischen der | |
Ukraine und Russland in der Türkei stattfindet. Der türkische Außenminister | |
Mevlüt Cavusoglu sieht sich sogar als Moderator bei dem Gespräch. „Es wird | |
ein trilaterales Treffen“, verkündete er, nachdem sowohl der russische | |
Außenminister Sergej Lawrow, als auch sein ukrainischer Kollege Dmytro | |
Kuleba zugesagt hatten, zu einem Gespräch an die türkische Mittelmeerküste | |
nach Antalya zu kommen. Das Treffen findet am Donnerstag im Rahmen einer | |
Konferenz statt. | |
Tatsächlich ist dieses Treffen, wie immer es auch ausgehen mag, jetzt schon | |
ein Erfolg für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seit Wochen | |
und Monaten hat er sich bereits als Vermittler zwischen Russland und der | |
Ukraine angeboten, zuletzt allerdings von Putin einen Korb für ein Treffen | |
mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski in der Türkei bekommen. | |
Am Mittwoch traf auch der israelische Präsident Izchak Herzog in Ankara | |
ein, dessen Land sich ebenfalls um eine Vermittlung zwischen Russland und | |
der Ukraine bemüht. Für das Treffen mit dem russischen Außenminister hat | |
Dmytro Kuleba angekündigt, er wolle dort auf ein direktes Zusammenkommen | |
der beiden Präsidenten von Russland und der Ukraine drängen. Letztlich | |
würde ja der russische Präsident Putin allein wichtige Entscheidungen | |
treffen. Cavusoglu und Erdogan erwarten dagegen, dass man sich zu | |
mindestens auf eine Ausweitung von Fluchtkorridoren und humanitäre Hilfe | |
verständigt. | |
So wäre das Ziel aus türkischer Sicht erst einmal ein Waffenstillstand. Die | |
von Erdogan angestrebte Vermittlerrolle entspricht auch dem ureigensten | |
Interesse der Türkei. Zwar hat sich die türkische Regierung seit dem | |
russischen Einmarsch verbal eindeutig auf die Seite der Ukraine geschlagen. | |
Und schon seit Monaten liefert die Türkei die gefürchteten Kampfdrohen | |
Bayraktar B-2, mit denen die Ukraine derzeit erfolgreich russische Panzer | |
und anderes militärisches Gerät aus der Luft angreift. | |
Erdogan ist von Putin abhängig | |
Aber trotzdem will Erdogan Putin nicht völlig verprellen. Zu stark ist die | |
Abhängigkeit von Moskau, nicht nur, was die Lieferung von Öl und Gas | |
betrifft, auch die russischen Touristen und der russische Markt für | |
türkische Agrarprodukte sind für die sowieso stark angeschlagene türkische | |
Ökonomie überlebenswichtig. Deshalb hält die Türkei ihren Luftraum für | |
russische Flugzeuge, anders als die EU, weiterhin offen und hat sich auch | |
sonst den EU-Sanktionen nicht angeschlossen. | |
Allerdings hat die Türkei letzte Woche den russischen Einmarsch nicht als | |
„Sonderoperation“, sondern als Krieg definiert und entsprechend dem | |
[1][Abkommen über die Meerengen] an den Dardanellen und dem Bosporus die | |
Passage vom Mittelmeer ins Schwarzen Meer für alle Kriegsschiffe | |
geschlossen. Lediglich Kriegsschiffe der Schwarzmeer-Anrainerstaaten dürfen | |
auf dem Rückweg in ihren Heimathafen die Meerengen noch passieren, wenn sie | |
sich vorher anmelden und von der Türkei eine Genehmigung bekommen. Das | |
stört Putin aktuell nicht so sehr, dürfte aber längerfristig die russische | |
Marinebasis im syrischen Tarsus in Schwierigkeiten bringen, sobald der | |
Nachschub aus Russland ausbleibt. | |
Der facto verhält die Türkei sich mehr oder weniger neutral, was in der | |
Bevölkerung auf große Unterstützung stößt. Man will sich vom Westen nicht | |
in eine tödliche Konfrontation mit Russland treiben lassen, denn zum einen | |
leben und arbeiten in Russland wie in der Ukraine etliche Türken und zum | |
anderen sind die vielen Kriege zwischen dem Osmanischen Reich und dem | |
zaristischen Russland noch gut im öffentlichen Gedächtnis präsent. | |
9 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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