# taz.de -- Kinotipp der Woche: Harte Filme für harte Zeiten | |
> Das Lichtblick Kino zeigt die für die diesjährigen Oscars nominierten | |
> Kurzfilme in den Kategorien Animation und Live Action. | |
Bild: „Boxballet“ (R.: Anton Dyakov, 2019) | |
Es sind Kurzfilme aus aller Welt, die für die diesjährigen Oscars nominiert | |
wurden, die am 27. März verliehen werden. Aber egal, woher sie auch immer | |
stammen mögen, tauchen in erstaunlich vielen der auserwählten Filme Szenen | |
auf, die man ganz automatisch mit dem Wahnsinn in Verbindung bringt, der | |
sich gerade in der Ukraine und Russland ereignet. | |
Im polnischen Film “The Dress“ etwa trifft man auf einen LKW-Fahrer, der | |
gerade aus Kiew zurückkehrt. Im englisch-kanadischen Animationsfilm | |
“Affairs of the Art“ wird von den morbiden Faszinationen eines Mädchen | |
berichtet, die so weit gehen, dass sie unbedingt den in Moskau | |
einbalsamierten Lenin wach küssen möchte. Also den Mann, der, wenn man den | |
Hobby-Historiker Wladimir Putin da richtig verstanden hat, den in seinen | |
Augen historischen Fehler begangen haben soll, die Ukraine als | |
eigenständigen Staat anzuerkennen. | |
Und da wäre noch der russische Animationsfilm “Boxballett“ über die | |
ziemlich unwahrscheinliche Liebe zwischen einer zarten Ballerina und einem | |
grobschlächtigen Boxer. Die Geschichte spielt ganz offensichtlich in den | |
wildbewegten Neunzigern im postsowjetischen Russland. | |
Schwere Zeiten für das Land, aber auch geprägt von der Hoffnung, dass | |
irgendwann alles besser werden könnte. Und dass auch Menschen zueinander | |
finden können, die so gar nicht füreinander bestimmt zu sein scheinen. Die | |
frohe Botschaft des Films: sie fühlt sich gerade ziemlich schal an. | |
[1][Das Lichtblick-Kino] zeigt vom 24. bis zum 29. März alle zehn für die | |
Oscars nominierten Kurzfilme. Fünf Animationen in dem einen Block und fünf | |
mit Schauspielern und Schauspielerinnen aus Fleisch und Blut in dem | |
anderen. Auffallend ist, dass es dabei, mit wenigen Ausnahmen, ziemlich | |
wenig zu lachen gibt. | |
Zu sehen sind eher harte Filme für harte Zeiten. Im dänischen “On My Mind“ | |
etwa will ein Mann um jeden Preis eine Karaoke-Version von “Always On My | |
Mind“ in einer Bar aufnehmen, als Abschiedsgeschenk für seine Frau, die auf | |
dem Sterbebett liegt. “Please Hold“ aus den USA zeigt die kafkaeske | |
Dystopie eines Polizeistaats, in der Gefangene nicht mehr von Menschen, | |
sondern von Drohnen bewacht werden, denen man komplett ausgeliefert ist. | |
“Ala Kachuu – Take and Run“ aus der Schweiz behandelt das Thema | |
Zwangsheirat in Kirgistan. Und zeigt das Schicksal eines Mädchens, das von | |
einem besseren Leben träumt, um dann von einer zutiefst patriarchalen | |
Gesellschaft als Geisel genommen zu werden. Und im bereits erwähnten “The | |
Dress“ aus Polen sehnt sich die kleinwüchsige Julia, die an ihrem öden Job | |
in einem Motel und andauernden Diskriminierungen verzweifelt, nach der | |
großen Liebe. Doch als sie glaubt, diese gefunden zu haben, wird freilich | |
erst alles so richtig schlimm für sie. | |
Zwischen all diesen deprimierenden Storys, die gehörig unter die Haut | |
gehen, wirkt der englische Animationsfilm “Robin Robin“ fast schon wie ein | |
Ausreißer. Bietet er doch Spaß, ungemein putzige Figuren und endlich auch | |
mal ein Happy End. | |
Ein junger Vogel landet hier bei einer liebenswürdigen Mäusefamilie, merkt | |
bald, dass er anders als die anderen ist, wird aber trotzdem als echte Maus | |
anerkannt. Während der Suche nach seiner wahren Identität schließt er | |
Freundschaft mit einer Elster, die ihm und seiner Mäusefamilie beim Kampf | |
gegen die böse Katze beisteht. Und endlich erkennt er, dass er wirklich | |
geliebt wird, auch wenn er doch ein wenig anders ist als die anderen Mäuse. | |
16 Mar 2022 | |
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[1] https://www.lichtblick-kino.org/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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