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# taz.de -- Kultur und Lärmschutz: Draußen wird es immer lauter
> Open-Air-Kultur gewinnt in der Pandemie an Bedeutung – und macht Krach.
> Im Holzmarkt wurde über am Mittwoch Lärmschutz in der Großstadt
> diskutiert.
Bild: Gut, dass da keiner mehr wohnt: Freiluftkino am Schloss Charlottenburg, S…
Das Grauen hat einen Namen: tieffrequente Geräusche, auch bekannt als
Brummtöne. Kaum akustisch wahrnehmbar, sorgen sie für Herzrasen,
Bluthochdruck oder dafür, dass im Küchenregal die Tassen scheppern.
Tieffrequenter Schall kann kilometerweit getragen werden und kriecht von
überall heran, von Industrieanlagen etwa oder Windrädern. Und von Partys.
Weit entfernt von diesen nehmen Anwohner keine Musik mehr wahr, sondern nur
noch ein dumpfes, permanentes Bumbum. Und drehen durch.
Wie also umgehen mit tieffreqenten Geräuschen? Das war die Hauptfrage auf
der eintägigen Konferenz „[1][Klang.Raum.Stadt]“ über Lärmkonflikte im
Spannungsfeld kultureller Veranstaltungen, die am Mittwoch auf dem Gelände
des Holzmarkt 25 stattfand. Geladen war ein Fachpublikum aus Politikern,
Vertretern von Verwaltungsämtern und Kulturveranstaltern.
Eine der Erkenntnisse: Die Brisanz des Problems mit tieffrequenten
Geräuschen wird im zunehmend verdichteten urbanen Raum massiv zunehmen. Die
Studienlage ist trotzdem dünn, immer noch ist nicht hundertprozentig klar,
was tieffrequenter Schall genau auslösen kann und wie mit ihm umzugehen
ist. Verkehrslärm sei ausgiebig untersucht, sagte [2][André Fiebig],
Professor für Psychoakustik an der TU Berlin. Bei tieffrequentem Schall
dagegen gebe es noch ordentlichen Forschungsbedarf.
Es ist wohl kein Zufall, dass die Konferenz jetzt stattfand: Der Frühling
steht vor der Tür, Kultursenator Klaus Lederer hat einen „Kultursommer“
versprochen, und auch die „[3][Draußenstadt]“ soll es wieder geben, buntes
und vielfältiges Kulturleben im öffentlichen Raum. Draußen ist wegen Corona
schließlich immer noch besser als drinnen.
## Ringen um Lärmschutzauflagen
Das Ringen zwischen Kulturveranstaltern und Umweltämtern wird also wieder
beginnen, gerungen wird vor allem um Lärmschutzauflagen. Die Hoffnung ist,
dass es in diesem Sommer besser laufen wird als im letzten, wo viele
Berliner Ämter sich gerade mal dazu überreden ließen, trostlose Parkplätze
für Partys oder sonstige Kulturevents zur Verfügung zu stellen.
Veranstalter Ran Huber sagte der taz, der Lärmschutz in den meisten
Berliner Bezirken sei „total restriktiv“ gehandhabt worden.
Lärmschutz sei eben der neue Brandschutz, hieß es an einer Stelle der
Konferenz dann auch. Und Brandschutz ist bekanntlich etwas, mit dem sich
nicht nur der [4][BER jahrelang] herumschlug. Er gehöre reformiert, da
waren sich sämtliche Fachleute auf der Konferenz vom Juristen bis zum
Professor für Audiokommunikation einig, um der Stadt von heute mit ihrer
soziokulturellen Durchmischung gerecht zu werden.
Ein Stadtteilfest in Charlottenburg etwa müsse um 20 Uhr beendet werden,
hieß es auf dem Podium. Wegen des Lärmschutzes. Ist das angemessen für eine
Großstadt? Und selbst eine Open-Air-Spielstätte, die keine Nachbarn
belästige, dürfe pro Jahr nur eine begrenzte Anzahl von Events
organisieren. Auch das sei ein Beispiel für zu viel Bürokratie beim
Lärmschutz. Der Holzmarkt 25 selbst, der Ort der Veranstaltung, hat
übrigens ebenfalls schon so seine Erfahrungen mit dem Thema gemacht. Ein
ambitioniertes Bauvorhaben, das gleich hier ums Eck geplant war, wurde vom
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gestoppt. Begründung, natürlich: Probleme
mit dem Lärmschutz.
Das Thema ist also vielschichtig und komplex. Menschen reagieren immer
empfindlicher auf Lärm, der gleichzeitig immer mehr zunimmt. Die Bezirke
wollen Kunst und Kultur, aber möglichst ohne Folgen für die Anwohner. Eine
durch Corona und jetzt auch noch durch einen Krieg gereizte Gesellschaft
muss irgendwie zusammenkommen und sich gegenseitig Toleranz erweisen, was
immer unmöglicher zu sein scheint. Bekommen Anwohner auch nur zu hören,
dass es in der Umgebung eine Open-Air-Veranstaltung geben werde, fühlten
sie sich schon belästigt, führte André Fiebig von der TU aus. Sie würden an
Alkoholkonsum und Verschmutzungen denken, auch wenn sie von den Events
akustisch gar nichts mitbekämen. Konfliktlösung könne nur darin bestehen,
mit den Nachbarn zu reden und „eine Kultur der Rücksichtnahme“ zu
entwickeln.
Torsten Wöhlert, Berlins Staatssektretär für Kultur, stellte am Ende der
Konferenz dann die große Frage, die sicherlich zu dieser gegenseitigen
Rücksichtnahme beitragen könnte, wenn sie jeder und jede mit etwas gutem
Willen für sich beantworten würde. Sie lautet: „Was ist Lärm? Und was ist
ein Geräusch, an das wir uns gewöhnen könnten?“
10 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.holzmarkt.com/veranstaltung/klangraumstadt
[2] https://www.akustik.tu-berlin.de/menue/ueber_uns/team/prof_drphil_andre_fie…
[3] /Start-des-Draussenstadt-Projekts/!5786127
[4] /Neues-vom-Grosspannenflughafen/!5041139
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Lärm
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Open Air
Holzmarkt
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Kultur in Berlin
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Holzmarkt
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