| # taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Die Ausgräberin | |
| > Claudia Mann ist unter der Erde unterwegs, formt Teile ihrer selbst ab | |
| > und lässt das Material sprechen. Die Künstlerin im Einblick. | |
| Bild: Claudia Mann: Ground doesn’t exist. accumulating with Daniel Lergon: Li… | |
| Im Grunde beginnt die Ausstellung „Ground doesn’t exist“ bereits auf der | |
| Straße. Auf dem Bürgersteig vor dem Haus am Schöneberger Ufer, wo sich die | |
| [1][Galerie PSM] befindet, denn dort war die Künstlerin Claudia Mann | |
| sichtlich am Werk: Der große Baumstumpf, den sie dort inklusive der | |
| Sägespuren im Holz abgegossen hat, ist noch gelb und weiß markiert. Nachdem | |
| der hohle Baum bei einem Sturm gestürzt war und längst abgesägt wurde, ist | |
| hier erneut etwas passiert und der Baum war offensichtlich in diesem | |
| Happening involviert, auch wenn er momentan mehr Raum im Erdreich als in | |
| der Luft einnimmt. | |
| Einige Sporen des dort weiter lebenden Gewächses haben sich in Claudia | |
| Manns Abformung aus Gips niedergelassen, die hier nun auf ein paar | |
| Schamottsteinen balanciert. Auch der hohle Innenraum ist geblieben. Und | |
| eben dieser ist es, der in Dialog mit den Ausslassungen auf [2][Daniel | |
| Lergons] neuen Gemälden tritt, die im Rahmen seiner Schau „Lichtung“ | |
| ebenfalls in der Galerie gezeigt werden und einen magischen Ring um die | |
| Skulpturen bilden. Die Sporen und Überreste aus Manns Erde wiederum treten | |
| in Dialog mit den Erdtönen, zu denen [3][Lergon] diesmal vermehrt gegriffen | |
| hat. | |
| Ähnlich organisches Fundmaterial trägt auch die Skulptur „HAL. pedestal for | |
| the space of my body (head, arm, leg)“ auf ihrer Oberfläche. Innen mit | |
| weißen Mosaikfliesen ausgekachelt, sind die rauen Außenseiten mit Erdstaub | |
| und filigranem Pflanzenteilchen übersät, so als hätte sich ein in die Natur | |
| gebautes Haus samt Badezimmer einmal von Innen nach Außen gekehrt. | |
| Folgt man dem Entstehungsprozess, so wird klar, dass Mann sich mit Kopf, | |
| Arm oder Bein in der Erde befand, um die ungefähren Dimensionen der | |
| jeweiligen Einzelteile zu antizipieren. Bei kleineren Arbeiten, die sich | |
| als Paar auf dem Boden zu beiden Seiten einer Wand wiederfinden oder – | |
| wundervoll von der Decke geleitet – als ganze Gruppe im Flur, war die | |
| Künstlerin noch direkter im Kontakt mit dem Material. | |
| ## Feinste Spuren | |
| In die beiden Bodenarbeiten mit dem Titel „Headrests (eyeless faces)“ hat | |
| sie ihre Nase vergraben. Die 15 Batzen im Flur wiederum hat sie sich ganz | |
| ins Gesicht gedrückt. Die Reihe aus dunklem, wunderschön rauem Ton trägt | |
| selbst die feinsten Spuren ihrer Haut, gehängt sind die einzelnen Elemente | |
| aber nicht so, dass sie dem Gesicht folgen, sondern dem Verlauf bestimmter | |
| Kurven und Abrissflächen nach, die sich zu etwas Neuem zusammensetzen. | |
| Auch die in den hinteren Räumen der Galerie an einer Wand balancierende | |
| Arbeit „Unter den Boden legen“ lässt ein Ohr aufblitzen, findet dann aber | |
| zu ihrer ganz eigenen Form. | |
| Am Erdboden lauschen, mit Ohr oder Fingerspitzen, die Annäherung anderer | |
| schon von Weitem als Vibration ertasten, [4][Claudia Mann] vermag diese | |
| Fähigkeit der erweiterten Wahrnehmung in ihren Skulpturen zu | |
| transportieren. | |
| ## Einblick (818): Claudia Mann; Künstlerin | |
| taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? | |
| Und warum? | |
| Claudia Mann: Hängen geblieben ist die Ausstellung „Nah am Leben – 200 | |
| Jahre Gipsformerei“ in der James Simon Galerie. Diese Ausstellung muss man | |
| eigentlich um eine zweite erweitern, denn hier haben viele weitere | |
| ProtagonistInnen gefehlt und dann geht es erst richtig los! | |
| Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen? | |
| Ich war schon lange nicht mehr in einem Club oder Konzert in Berlin. | |
| Zuletzt habe ich aber The Notwist im Düsseldorfer ZAKK gesehen, die live | |
| einen unglaublichen Sog erzeugen können. Mein Tipp für September im | |
| [5][Astra], wenn die Band nach Berlin kommt. | |
| Welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag? | |
| Ich lese immer viele Bücher gleichzeitig und dann absolut gar keine um im | |
| Atelier völlig frei zu sein. Im Moment stapeln sich: „Breath“ von James | |
| Nestor, „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herriegel, „Ich … | |
| Du“ von Martin Buber, Samuel Becketts „Der Verwaiser“ und viele weitere. | |
| Was ist dein nächstes Projekt? | |
| Ich bereite gerade eine Einzelausstellung für den Kunstverein Leverkusen im | |
| Mai vor. Darin werden Arbeiten aus der Gruppe „Aufrecht Bleiben“ und „Da | |
| wir nichts voneinander wussten“ zu sehen sein. Es geht um unsere | |
| Aufrichtigkeit und Balance. | |
| Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten | |
| Freude? | |
| Wenn es mir gelingt den Zustand, den ich beim Kyudo erschaffe in meiner | |
| Arbeit wiederum aufrechtzuerhalten. Sprich eine absolute Balance und feinen | |
| Wechsel zwischen innerem und äußerem Zustand zu erhalten. Darin befindet | |
| sich eine feinste Reflexion zwischen Geschehen, Denken und Machen. | |
| 19 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.psm-gallery.com/home/ | |
| [2] /!5589836/ | |
| [3] /Archiv-Suche/!5589831&s=daniel+lergon&SuchRahmen=Print/ | |
| [4] https://www.claudiamann.net/ | |
| [5] https://www.koka36.de/the-notwist_ticket_135508.html | |
| ## AUTOREN | |
| Noemi Molitor | |
| ## TAGS | |
| taz Plan | |
| Kunst Berlin | |
| Skulptur | |
| Einblick | |
| zeitgenössische Kunst | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Kunst der Woche für Berlin: Inmitten der Landschaft | |
| Die Schau „Environmental Abstraction“ in der Laura Mars Gallery zeigt | |
| sieben Positionen, die zu einer neuen Bildsprache für unsere Umgebung | |
| finden. | |
| Die Kunst der Woche für Berlin: Am Viertelmorgen | |
| Innere Landschaften, farbenreiche Gärten, ein Wald bei Nacht: Die Galerie | |
| Soy Capitán zeigt Gezeichnetes und wie gut sich Malerei und Papier | |
| verstehen. | |
| Ausstellungsempfehlung für Berlin: Tüten von Welt | |
| Jac Leirner entpuppt sich als Plastiktütensammlerin. Bei Esther Schipper | |
| setzt sie die Funde in Szene; die Besucher:innen versetzt sie in | |
| Staunen. | |
| Die Kunst der Woche für Berlin: Im Ohrenschmalz die Kenntnis | |
| Durch Gräser tauchen mit Raphaël Larre, Gemälde aus Samen von Trisha Baga | |
| und ein einziges Winden durch die Gehörgänge mit Wong Ping. | |
| Die Kunst der Woche für Berlin: Die Farbe weben | |
| Die Malerin Hyun-Sook Song zeigt ihre erste Einzelausstellung bei Sprüth | |
| Magers. Die Sprache ihrer abstrakten Gemälde ist reduziert und elementar. | |
| Filmkunst in Berlin: Das Kino, in Fragen getaucht | |
| Die Regisseurin und Künstlerin Albertina Carri entwirft in der daadgalerie | |
| mit „Cinema puro“ ein bewegendes Archiv der Abwesenheiten. |