# taz.de -- Die Kunst der Woche für Berlin: Die Farbe weben | |
> Die Malerin Hyun-Sook Song zeigt ihre erste Einzelausstellung bei Sprüth | |
> Magers. Die Sprache ihrer abstrakten Gemälde ist reduziert und elementar. | |
Bild: Hyun-Sook Song, Ausstellungsansicht, Sprüth Magers, Berlin | |
Wie aus Gaze erscheint das feine Gewebe aus Farbe, in das Hyun-Sook Song | |
ihre Bilder in wenigen, klar platzierten Gesten taucht. Unter dieser weißen | |
Gaze scheinen dunklere Elemente hervor, Stöcke vielleicht oder einfach | |
elementare Farbstriche, die den über ihnen liegenden Ausstreichungen aus | |
Eitempera Halt geben, wobei diese so zart auf ihnen liegen, dass vielleicht | |
eher von einem Balancieren die Rede sein muss. | |
Andermal, wie bei „3 Brushstrokes“ (2019), streift ein reduzierter | |
Pinselstrich eines dieser tragenden Elemente wie zufällig, als hätte sich | |
ein Fetzen Farbe darin verfangen. Eine Weide entsteht dann im Kopf, ein | |
Zaun, der ein Stück Gemälde aufgefangen hat, das sich im Wind treiben ließ. | |
Ein solches Assoziieren geschieht zumindest auf Abstand. Aus der Nähe kommt | |
eine andere Ebene der Abstraktion zum Vorschein, die weiter weg von | |
abstrahierten Erscheinungen oder Umwelten gleitet und hin zur Farbe selbst | |
führt. In diesem Moment des Schauens sind die gezeigten Malereien Zeugnis | |
des Erlebens der Künstlerin, als sie mit dem Material der Malfarbe in | |
Kontakt getreten ist, und Zeugnis ihrer Bewegungen und damit der Beziehung, | |
die sie gemeinsam mit der Farbe eingegangen ist. | |
Die Anzahl der Pinselstriche, die Hyun-Sook Song jeweils für ein Bild | |
gewählt hat, spiegeln sich in ihren Titeln wieder. Ihre erste | |
Einzelausstellung bei [1][Sprüth Magers] kombiniert dabei Werke von 2009 | |
wie „5 Brushstrokes over 1 Brushstroke“, die die Farbgaze noch auf 100 x 80 | |
Zentimetern verteilen, mit jüngeren, großformatigeren Arbeiten wie „12 | |
Brushstrokes“ (2021), das ganze 2,5 Meter Wand einnimmt. | |
Aus Songs Reduziertheit, aus ihrer Bestimmtheit spricht auch eine gewisse | |
Verwandtschaft zur abstrakten Malerei [2][Pat Steirs]. Nur dass da wo | |
Steirs verdünnte Ölfarbe weite Strecken über die Leinwand fließt, um sich | |
schließlich in einer Akkumulation aus Tropfen zu verdichten, Songs | |
Eitempera noch etwas länger mit dem Pinsel verbunden bleibt, ihn eine Weile | |
begleitet, bis Song ihn genau an der Richtigen Stelle absetzt. | |
Songs präzise „Brushstrokes“, ihre Pinselstriche setzen sich in ihren | |
Arbeiten zu etwas Neuem zusammen. Denn „Strich“, das klingt auf Deutsch | |
viel zu vereinzelnd. Folgen wir lieber dem titelgebenden englischen | |
Ausdruck „brushstroke“ ein Stück. Zwar ließe er sich ebenfalls mit | |
„Pinselstrich“ übersetzen, eine offene Übersetzung der „strokes“ trif… | |
aber vielleicht viel eher, was hier am Werk ist. „Stroke“, das kann auch | |
ein Streicheln sein, ein Sechstakt in der Musik oder ein ganzer Armbreit | |
Wasser beim Schwimmen. Es fällt nicht schwer, sich von Song und ihrer Farbe | |
Mittreiben lassen. | |
1 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://spruethmagers.com/exhibitions/ | |
[2] /Archiv-Suche/!1463085&s=Pat+Steir&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kunst Berlin | |
Zeitgenössische Malerei | |
Kunst und Abstraktion | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Kunst der Woche für Berlin: Am Viertelmorgen | |
Innere Landschaften, farbenreiche Gärten, ein Wald bei Nacht: Die Galerie | |
Soy Capitán zeigt Gezeichnetes und wie gut sich Malerei und Papier | |
verstehen. | |
Ausstellungsempfehlung für Berlin: Die Ausgräberin | |
Claudia Mann ist unter der Erde unterwegs, formt Teile ihrer selbst ab und | |
lässt das Material sprechen. Die Künstlerin im Einblick. | |
Die Kunst der Woche für Berlin: Im Ohrenschmalz die Kenntnis | |
Durch Gräser tauchen mit Raphaël Larre, Gemälde aus Samen von Trisha Baga | |
und ein einziges Winden durch die Gehörgänge mit Wong Ping. | |
Die Kunst der Woche für Berlin: Abriss, Angriff | |
Schlagfertig: die Grupenausstellung „Tagesschau“ bei Mountains; | |
Antikolonial: das Kollektiv CATPC bei KOW; Einsam: Porträts von Aubrey | |
Levinthal. | |
Filmkunst in Berlin: Das Kino, in Fragen getaucht | |
Die Regisseurin und Künstlerin Albertina Carri entwirft in der daadgalerie | |
mit „Cinema puro“ ein bewegendes Archiv der Abwesenheiten. | |
Malerei in Berlin: Wie Farbe berührt | |
Die von Jurriaan Benschop kuratierte Ausstellung „A Matter of Touch“ in | |
Mitte zeigt, wie haptisch das Sehen sein kann. Die taz sprach mit dem | |
Kurator. |