| # taz.de -- Ukrainische Flüchtlinge in Berlin: Für eure und unsere Freiheit | |
| > Die Polen, die 1981 vor dem Kriegsrecht flohen, wurden als Helden | |
| > gefeiert. Gleiches sollte für die Flüchtenden heute gelten. | |
| Bild: Am Tag, an dem Putin seine Armee in die Ukraine einmarschieren ließ: Bra… | |
| Als polnische Händler die Einöde des Potsdamer Platzes kurz vor dem Fall | |
| der Mauer in einen Polenmarkt verwandelten, gab es keine Willkommenskultur. | |
| Die Gestalten in ihren abgetragenen Klamotten atmeten die Armut des Ostens. | |
| Vorboten der Freiheit waren sie nicht. | |
| Sieben Jahre zuvor war das anders gewesen. Keine Händler waren die Polen, | |
| die nach der Verhängung des Kriegsrechts nach Westberlin geflohen waren, | |
| sondern Helden. Freiheitshelden im Kampf gegen das wahre Gesicht eines | |
| kommunistischen Regimes, die im „Schaufenster des Westens“ Zuflucht gesucht | |
| hatten. | |
| Wie werden die Berlinerinnen und Berliner die ukrainischen Flüchtlinge | |
| aufnehmen, die vor Putins Krieg Richtung Westen fliehen und seit dem | |
| Wochenende auch in Berlin angekommen sind? Das hängt auch davon ab, welche | |
| Willkommenskultur die Politik vorlebt. | |
| Die Vorbereitungen für die Aufnahme von Flüchtingen sind angelaufen. | |
| [1][Sozialsenatorin Katja Kipping] sprach am Freitag von einer | |
| „Ankunftsstruktur“ und nannte das Ankunfszentrum in Reinickendorf als erste | |
| Anlaufstelle. Gleichzeitig mahnte sie, der Bund müsse schnellstmöglich | |
| klären, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Flüchtlinge bleiben und auch | |
| arbeiten könnten, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Das würde der | |
| Fall sein, wenn sie als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden. | |
| ## Kipping: ein barbarischer Akt | |
| Und auch Brandenburg bereitet sich vor. [2][Frankfurts Oberbürgermeister | |
| René Wilke] stellt zunächst 400 Betten zur Verfügung. Wichtig sind aber | |
| nicht nur Betten, sondern auch das Signal, dass die Flüchtlinge willkommen | |
| sind. Kipping sendete es, indem sie vom Krieg gegen die Ukraine als | |
| „barbarischem Akt“ sprach. René Wilke sagte im Inforadio des RBB: „Ich h… | |
| den Eindruck, dass die Ereignisse den Menschen hier doch sehr nahe gehen | |
| und auch spürbar ist, dass es nicht weit entfernt was ganz schlimmes | |
| passiert und es offenkundig ist, dass Menschen Hilfe brauchen.“ | |
| Zwei Politiker der Linkspartei erweitern die humanitäre Dimension der | |
| Willkommenskultur um eine politische, indem sie klare Worte für Tat und | |
| Täter finden. Das ist erfrischend im Vergleich zu dem, was zuletzt aus | |
| Brandenburg zu hören war. Dort hatte der [3][SPD-Landrat aus | |
| Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt], den russischen Präsidenten Wladimir | |
| Putin in einer Art Ergebenheitsadresse nach Seelow eingeladen, ohne die | |
| Ukraine auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Stattdessen sprach sich | |
| Schmidt gegen „ein weiteres Vorrücken der Nato nach Osten aus“. Erst nach | |
| dem Einmarsch in der Ukraine ruderte der Landrat zurück und erklärte nun, | |
| [4][auf eine Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen verzichten zu | |
| wollen]. | |
| Immerhin ziehen beide Landesregierungen an einem Strang und finden | |
| ebenfalls die richtigen Worte. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar | |
| Woidke (SPD) sprach von einer „riesigen Solidarität“ in seinem Land. | |
| „Berlin steht an der Seite der Ukraine“, sagte auch Berlins Regierende | |
| Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die als Zeichen der Solidarität das | |
| Brandenburger Tor gleich zweimal in den Nationalfarben der Ukraine | |
| anstrahlen ließ. | |
| „Für eure und unsere Freiheit“, hatte der polnische Historiker und | |
| Freiheitskämpfer Joachim Lelewel als Parole ausgegeben, als polnische | |
| Freischärler im Novemberaufstand 1830 den Kampf gegen die russischen | |
| Besatzer aufnahmen. Was er meinte: Wir führen unseren Kampf auch für andere | |
| in Europa. Auch während der Streiks der Solidarność, ohne die es den Fall | |
| der Mauer nicht gegeben hätte, war die Losung wieder aufgegriffen worden. | |
| Heute sagt die polnische Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk: „Der | |
| Angriff auf eine freie Ukraine ist ein Angriff auf Europa“. | |
| ## Berlin als Stadt der Freiheit | |
| Die Helden der Solidarność 1981 und die Flüchtlinge, die in den kommenden | |
| Tagen und Wochen zu Tausenden nach Berlin und Brandeburg kommen werden, | |
| haben also viel miteinander zu tun. Viele von letzteren sind die Frauen und | |
| Kinder der Männer, die sich mit Molotowcocktails russischen Panzern in den | |
| Weg stellen. Sie kämpfen auch für uns. | |
| „Berlin. Stadt der Freiheit“: Lange war das nur noch ein Slogan des | |
| Stadtmarketing gewesen. Nun ist es über Nacht zur bitteren Wahrheit | |
| geworden. Und zu einem Auftrag für eine nicht nur humanitäre, sondern auch | |
| politische Willkommenskultur. | |
| 26 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2022/02/25/ukraine-russland-kr… | |
| [2] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2022/02/25/frankfurt-oder-gut-… | |
| [3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/02/landrat-schmidt-brief-putin-se… | |
| [4] https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2022/02/gernotschmidt-landrat-… | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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