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# taz.de -- Demo am Brandenburger Tor: Ein Lehrgang im Skandieren
> Elf Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Demos
> kleiner und kämpferischer. Darüber freuen sich die ukrainischen
> Geflüchteten.
Bild: Kämpferisch: Hier bei einer Demo vorm Bundeskanzleramt am 25. April
Berlin taz | Eigentlich sollte das Ganze eher eine Stadtführung mit
Sightseeingcharakter werden. Aber auf halber Strecke lande ich am
Sonntagnachmittag mit der ukrainischen Familie, die seit Anfang März bei
meinen Kindern, meinem Mann und mir zu Gast ist, am Brandenburger Tor.
Sofort stechen uns die vielen ukrainischen Fahnen in die Augen: Eine Demo,
die sich beim Näherkommen mit ein paar hundert Teilnehmer*innen als
recht übersichtlich, dafür aber umso lautstärker erweist.
Gar keine Frage, hier laufen wir mit, entscheidet Diana, die mit ihrem Mann
Yan und den drei Kindern aus einer Stadt in der Nähe von Kyjiw geflohen
ist. Sonst wirken Diana und Yan etwas brav. Sie checken zwar unablässig die
News, reagieren aber eher müde als wütend, wenn es zum Beispiel ums Thema
Waffenlieferungen geht.
Die kämpferischen jungen Leute, die vom Brandenburger Tor Richtung
Potsdamer Platz unterwegs sind, scheinen ihnen trotzdem sehr zu gefallen.
Hinter uns singen laut und schräg zwei junge Frauen mit John-Lennon-Brillen
und übertrieben riesigen Plastikblumenkränzen in Blau und Gelb die
ukrainische Nationalhymne. Neben uns läuft ein Mensch mit gelbem
Lidschatten und höchstwahrscheinlich nichtbinärer Geschlechtsidentität.
## Es wird geschrien
Überall wird laut getrommelt und geschrien, aber sowohl die Kinder der
Gastfamilie (4, 4 und 7) als auch die eigenen (8 und 13) finden's toll –
und auch Diana lächelt verschmitzt. Es bricht eine Art Lehrgang im
Skandieren los: „Energie. Embargo. Jetzt“, ruft eine junge Frau mit
rollendem r ins Megafon. Gar nicht so einfach, das schnell kindgerecht
runterzubrechen und gleichzeitig zehnmal hintereinander laut zu rufen.
„Keine Geschäfte mit Russland!“ Schon einfacher. [1][“Putin is a killer!…
Kein Problem.
Rund elf Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Demos
deutlich kleiner geworden. [2][Am 27. Februar], drei Tage nach
Kriegsbeginn, nahmen in Berlin mehr als hunderttausend Menschen an einer
Kundgebung gegen den Angriff teil. Am 13. März, also zwei Wochen später,
waren es noch mehrere zehntausend. Auch unsere Gastfamilie war dabei – mit
eher langem Gesicht, weil sich die Demo verlief, weil es weder Trommeln
noch Sprechchöre gab.
Am Sonntag waren nur noch 3.000 Teilnehmer*innen angemeldet. Laut
Polizei schlossen sich mit etwa 450 deutlich weniger Menschen an. Aber
schließlich kommt es nicht nur auf Masse, sondern auch auf Klasse an. Uns
jedenfalls hat es gutgetan.
23 May 2022
## LINKS
[1] /Russlands-Ziele-in-der-Ukraine/!5853414
[2] /Protest-gegen-Ukraine-Krieg-in-Berlin/!5834938
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wladimir Putin
Serie Flucht aus der Ukraine
Ukraine
Serie Flucht aus der Ukraine
Demonstration
Willkommenskultur
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