# taz.de -- Peking im Russland-Ukraine-Konflikt: Chinesisches Dilemma | |
> Pekings Beziehungen zu Moskau sind gut wie nie. Dennoch dürfte China im | |
> Zuge des Ukraine-Konflikts kaum einen Bruch mit dem Westen riskieren. | |
Bild: Delikater Drahtseilakt: Chinas Außenminister Wang Yi bei der Münchner S… | |
PEKING taz | Als sich Außenminister Wang Yi am Dienstag an die | |
Öffentlichkeit wendet, zeigt jede seiner Silben seinen delikaten | |
Drahtseilakt: Alle Seiten sollten angesichts der sich „verschlechternden“ | |
Lage in der Ukraine „Differenzen durch Dialog und Verhandlungen“ lösen, | |
sagt Chinas Spitzendiplomat. | |
Schon am Wochenende hatte [1][Wang bei der Münchner Sicherheitskonferenz] | |
klargestellt: Peking sei zwar gegen eine Nato-Osterweiterung, doch auch für | |
den Schutz der territorialen Integrität der Ukraine. | |
Diese diplomatische Rhetorik mag überraschend erscheinen für eine | |
Regierung, die gerade erst zum Monatsanfang Russlands Präsidenten Wladimir | |
Putin als allerersten Staatschef seit über zwei Jahren in Peking begrüßt | |
hat. | |
## China und Russland lehnen globale Dominanz der USA ab | |
Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen Peking und Moskau derzeit auf | |
einem historischen Hoch: Beide eint das Interesse, einen Gegenblock zur von | |
den USA dominierten Weltordnung zu bilden. Und doch zeigt die jetzige | |
Russland-Ukraine-Krise deutlich, dass die Kooperation zwischen Peking und | |
Moskau auch Grenzen hat. Denn eine russische Invasion in der Ukraine ist | |
nicht im Sinne Chinas. | |
Der siebenköpfige ständige Ausschuss des Politbüros unter Führung von Xi | |
Jinping sucht derzeit hinter verschlossenen Türen einen gemeinsamen | |
Konsens. Doch schon jetzt steht fest, dass China auch im bestmöglichen | |
Szenario nicht jede seiner diversen Interessen erreichen kann. | |
Einerseits möchte man die enge Freundschaft mit Moskau behalten, doch | |
zugleich auch weiter Handel mit der Ukraine treiben – nicht zuletzt, weil | |
das osteuropäische Land Teil von Chinas Seidenstraßenstrategie ist. Auch | |
will Peking verhindern, dass die angespannten Beziehungen zu den USA sich | |
noch weiter verschlechtern. | |
Und genauso wichtig ist es für China, dass Russland nicht mit zusätzlichen | |
Sanktionen vom Westen belegt wird. Denn diese würden auch auf China | |
überschwappen. | |
## Eine Parteinahme für Moskau hätte für Peking einen Preis | |
Theoretisch könnte Peking seinem Partner Moskau dabei helfen, die | |
Wirtschaftssanktionen zum Großteil abzufedern. Der bilaterale Handel ist | |
schließlich im Vorjahr um über ein Drittel auf 147 Milliarden Dollar | |
gestiegen – und damit bereits fast auf dem Niveau des Handelsvolumens | |
zwischen Russland und der EU. | |
Doch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Peking und Moskau sind | |
asymmetrisch: Während China längst Russlands wichtigster Handelspartner | |
ist, macht dessen Anteil am chinesischen Außenhandel weniger als drei | |
Prozent aus. | |
Sollte die Volksrepublik den wirtschaftlichen Sanitäter für Moskau spielen, | |
wäre dies mit einem extrem hohen Preisschild versehen: Die EU, die derzeit | |
nach wie vor zwischen den USA und China oszilliert, würde das deutlich | |
stärker „in die Arme“ Washingtons treiben. Und die USA würden ihrerseits | |
weitere Sanktionen gegen chinesische Firmen verhängen. | |
Doch kann Peking sich auch nicht leisten, Moskau im Stich zu lassen. Denn | |
dann würde es seinen wichtigsten internationalen strategischen Partner | |
verlieren. Dessen Rückendeckung braucht China auf lange Sicht: Russland | |
nämlich würde Xi bei seinem Ziel diplomatisch unterstützen, Taiwan zu | |
annektieren. | |
## Sind Russland-Ukraine und China-Taiwan vergleichbar? | |
Dieser Zwiespalt zeigt sich in Chinas sozialen Medien: Auf der | |
Online-Plattform Weibo hat die ukrainische Botschaft in Peking mit einem | |
Russland-kritischen Beitrag über die Anerkennungen der Volksrepubliken | |
Luhansk und Donezk für das „heißeste“ Thema des Tages gesorgt. Das Posting | |
hatten bis Dienstagabend rund 800.000 Chinesen mit einem Like goutiert. | |
Doch zugleich wurde die Rolle der USA als „Weltpolizei“ kritisiert. So | |
schrieb ein Nutzer: „Heute können die USA der Ukraine helfen, gegen | |
Russland zu kämpfen. Morgen helfen sie dann Taiwan, gegen uns zu kämpfen.“ | |
22 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Muenchner-Sicherheitskonferenz-2022/!5836338 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
China | |
Russland | |
Xi Jinping | |
Wladimir Putin | |
Taiwan | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
China | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
muslimische Uiguren | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Chinas Reaktionen auf Russlands Krieg: Peking hat ein Putin-Problem | |
China hält sich bislang mit direkter Kritik am russischen Staatschef | |
zurück. Doch das Zweckbündnis zwischen den beiden Ländern könnte bald | |
enden. | |
Chinas gescheiterte Olympia-Strategie: Gekränkte Weltmacht | |
Chinas Regierung möchte vom Ausland bewundert werden. Bei den Winterspielen | |
zeigte sich das Scheitern der Propagandastrategie. | |
Olympiabilanz aus chinesischer Sicht: Gemeinsam getrennt | |
Die politische Führung Chinas ist froh, dass größere Störungen bei den | |
Spielen ausblieben. Die Gräben zum Westen wurden eher vertieft. | |
Olympische Spiele in China: Die zerplatzte Illusion | |
Während der Olympischen Spiele von 2008 wollte die Welt glauben, China | |
würde sich liberalisieren. Das war ein fataler Irrtum. Eine | |
Bestandsaufnahme. |