Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olympiabilanz aus chinesischer Sicht: Gemeinsam getrennt
> Die politische Führung Chinas ist froh, dass größere Störungen bei den
> Spielen ausblieben. Die Gräben zum Westen wurden eher vertieft.
Bild: Freunde der Entpolitisierung des Sports: IOC-Chef Thomas Bach und Chinas …
Peking taz | Ein Fiasko sind die Olympischen Spiele für China sicherlich
nicht geworden. Keiner der Athletinnen und Athleten hat zu Solidarität mit
Tibet aufgerufen, und die befürchtete Omikron-Welle durch die international
Anreisenden ist ausgeblieben. Tatsächlich ging es gerade während der
zweiten Hälfte der Spiele vor allem um den Sport: Und auf diesem Gebiet
konnten die Organisatoren ihre Stärken vollends ausspielen.
Die olympischen Wettbewerbsstätten, angefangen von der Rodelstrecke bis hin
zur Abfahrtspiste, sind schließlich nicht nur auf der Höhe der Zeit,
sondern haben für den Spitzensport neue Maßstäbe gesetzt. Zudem kann man es
generell als eine Errungenschaft werten, dass die – zugegebenermaßen noch
sehr zarte – Begeisterung für den Wintersport in einem Land gesät worden
ist, in dem knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt.
Doch abseits der Wettbewerbe um Gold haben die Spiele einen fahlen
Beigeschmack hinterlassen. Vor allem ist eingetreten, was viele Kritiker
befürchtet hatten: Peking 2022 hat die immer tieferen Gräben zwischen China
und dem Westen offenbart. „Zusammen für eine gemeinsame Zukunft“ lautet der
offizielle Slogan der Veranstaltung. Doch die Realität kam eher dem
Gegenteil dieses Wahlspruchs näher.
Die Risse verlaufen vor allem an den politischen Fronten. Dass die
chinesische Regierung [1][etwa eine uigurische Langläuferin die olympische
Fackel tragen ließ], ohne jedoch im mindesten auf die
Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang einzugehen, ist ein sprichwörtlicher
Mittelfinger gegenüber sämtlichen unterdrückten Minderheiten im Land.
## Wie Aussätzige im Mittelalter behandelt
Doch auch beim Umgang mit dem Coronavirus zeigt sich die zunehmende
Entfremdung. Während in Europa nach zwei schmerzhaften Jahren mit
unzähligen Toten allmählich der „Freedom Day“ bevorsteht, hat die Pandemie
in China de facto noch gar nicht begonnen. Mit einer epidemiologisch
erfolgreichen Nullltoleranzstrategie wird der Erreger auch weiterhin
außerhalb der eigenen Landesgrenzen gehalten. Dementsprechend wurden die
ankommenden Olympiateilnehmer wie Aussätzige im Mittelalter behandelt –
selbst das Hotelpersonal servierte die abendlichen Cocktails ausschließlich
im Schutzanzug, wie er sonst nur auf der Intensivstation getragen wird.
Schon im Vorhinein war klar, dass China – zumindest beim Westen – in Sachen
„soft power“ keinen Blumentopf mehr gewinnen wird. Viele Beobachter haben
unlängst den Eindruck gewonnen, [2][dass es der chinesischen Führung
mittlerweile egal geworden ist], wie sie vom Ausland wahrgenommen wird.
Nach dem Motto: Wenn man nicht geliebt wird, solle man zumindest
respektiert, und notfalls auch gefürchtet werden.
Doch diese Analyse greift zu kurz. Denn Fakt ist, dass die Trotzhaltung
Chinas in einer narzisstischen Kränkung wurzelt. Tatsächlich rief Xi
Jinping erst kürzlich seine Propagandamedien dazu auf, das Image des Landes
zu verbessern und die „China Story“ im Ausland „besser“ zu erzählen.
Doch sämtliche Versuche, das Image aufzupolieren, sind seither nicht nur
gescheitert, vielmehr bewirkte man das glatte Gegenteil. Denn Xi hat
unlängst ein System erschaffen, in dem Diplomaten und Journalisten durch
aggressive Rhetorik gegenüber dem Ausland und blinder Loyalität gegenüber
der Kommunistischen Partei die Karriereleiter erklimmen.
Diskussionsbereitschaft oder ausgestreckte Gesprächsangebote stellen vor
allem ein Risiko dar, in den eigenen Reihen als Verräter wahrgenommen zu
werden.
Wahrscheinlich werden die Winterspiele in wenigen Monaten halb vergessen
sein. Die Weltgemeinschaft hat schließlich derzeit andere Sorgen. Und in
China war die Sportveranstaltung wenig mehr als ein Hintergrundrauschen,
dem man wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Viele Parteikader dürften dennoch erleichtert sein. Immerhin hat man die
Winterspiele ohne große Aufruhr hinter sich bringen können. Mehr wäre wohl
ohnehin nicht drin gewesen.
19 Feb 2022
## LINKS
[1] /Uigurische-Fackeltraegerin-in-Peking/!5830548
[2] /Olympische-Spiele-in-China/!5832352
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Olympische Winterspiele 2022
China
IOC
China
Olympische Winterspiele 2022
Olympische Winterspiele 2022
Olympische Winterspiele 2022
muslimische Uiguren
## ARTIKEL ZUM THEMA
Peking im Russland-Ukraine-Konflikt: Chinesisches Dilemma
Pekings Beziehungen zu Moskau sind gut wie nie. Dennoch dürfte China im
Zuge des Ukraine-Konflikts kaum einen Bruch mit dem Westen riskieren.
Ausblick auf Winter-Olympia 2026: Reisen durch Norditalien
Die nächsten Winterspiele finden in Cortina, Mailand, in Livigno, Bormio,
Antholz und Verona statt – für Groundhopper sicherlich interessant.
Bilanz der Winterspiele: Es war kalt
Die Winterspiele wurden mehr denn je zum Exerzierfeld politischer
Interessen. Sportlerinnen wie Yilamujiang oder Gu gerieten zwischen die
Mahlsteine.
Uigurische Wintersportregion: Chinesisches Wintermärchen
In China wird die Region Xinjiang als Wintersportparadies vermarktet. Dies
ist auch ein Versuch, von Menschenrechtsverbrechen abzulenken.
Olympische Spiele in China: Die zerplatzte Illusion
Während der Olympischen Spiele von 2008 wollte die Welt glauben, China
würde sich liberalisieren. Das war ein fataler Irrtum. Eine
Bestandsaufnahme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.