# taz.de -- Chinas gescheiterte Olympia-Strategie: Gekränkte Weltmacht | |
> Chinas Regierung möchte vom Ausland bewundert werden. Bei den | |
> Winterspielen zeigte sich das Scheitern der Propagandastrategie. | |
Bild: Leere Botschaften: Abschlussfeier der Olympischen Spiele im Nationalstadi… | |
Zu Beginn der Winterspiele in Peking scherte die internationale Presse in | |
die belebten Fußgängerzonen der Stadt aus, um die offensichtliche | |
Gretchenfrage zu stellen: was die Leute von der Sportveranstaltung und dem | |
ganzen Olympiatrubel so halten. Für die chinesische Regierung wäre dies | |
eine willkommene soft news-Story gewesen; endlich mal ein „menschelndes“ | |
Thema abseits der politisch polarisierten Nachrichtenlage. | |
Doch viele Fernsehberichte endeten schlussendlich mit den üblichen Bildern | |
erboster Sicherheitsbeamter, die mit vollem Körpereinsatz die Journalisten | |
des Platzes verwiesen und mit ihren Händen die Kameraobjektive bedeckten. | |
Wie kontraproduktiv die Maßnahmen zur Kontrolle der Berichterstattung sind, | |
geht aus einer am Montag publizierten Stellungnahme des | |
Korrespondentenclubs in China (FCCC) hervor. „Der FCCC ist bestürzt, dass | |
die Bedingungen für unabhängige Berichterstattung in China während der | |
Winterspiele weiter hinter internationalen Standards zurückblieben“, heißt | |
es darin. | |
Konkret bedeutet dies, dass Reporter während Live-Fernsehschalten von | |
Sicherheitsbeamten belästigt wurden, bei Interviewanfragen keinen Zugang | |
erhielten und bei simplen Umfragen von Aufpassern verfolgt wurden. Ein | |
BBC-Kollege wurde zudem das Opfer einer abstrusen Online-Kampagne, die von | |
den nationalistischen Parteimedien befeuert wurde. Im „Widerspruch zum | |
olympischen Geist“ haben sich die Bedingungen für ausländische Medien laut | |
Angaben des FCCC weiter verschärft. | |
## Überselbstbewusster Staatschef | |
Viele Experten schlussfolgern daraus, dass sich die chinesische Regierung | |
offensichtlich nicht mehr darum schere, wie sie vom Ausland wahrgenommen | |
wird. Als Belege führen sie die aggressive Rhetorik der chinesischen | |
„Wolfskrieger“-Diplomaten an sowie die über selbstbewussten Reden von | |
Staatschef Xi Jinping, in denen der Aufstieg Chinas vom Niedergang des | |
Westens begleitet wird. | |
Natürlich ist da etwas dran. Xi befindet sich an einem hoch kritischen | |
Zeitpunkt seiner politischen Laufbahn. Im Herbst wird er – als erster | |
Staatschef seit Mao Tsetung – beim 20. Parteikongress seine dritte Amtszeit | |
ausrufen und damit gegen die einst von der Kommunistischen Partei | |
aufgestellten Regeln zur Machtbegrenzung verstoßen. Dementsprechend stimmt | |
durchaus, dass der 69-Jährige derzeit vor allem sein heimisches Publikum | |
befrieden muss. | |
Dennoch greift die Analyse zu kurz. Die nach außen demonstrierte, | |
übertriebene Stärke Chinas ist vor allem das Resultat einer narzisstischen | |
Kränkung: Insgeheim möchte die Regierung in Peking von der internationalen | |
Staatengemeinschaft bewundert werden. Doch da bislang sämtliche Versuche, | |
das Image des Landes aufzubessern, gescheitert sind, möchte man nun | |
zumindest respektiert werden – und notfalls auch gefürchtet. | |
## Überall potentielle Spione | |
Dieser dem System innewohnende Widerspruch wird auch am Beispiel Olympia | |
deutlich: 2008 lud Peking die internationale Presse noch mit weitgehend | |
offenen Armen zu den Sommerspielen ein. Mittlerweile jedoch hat sich die | |
Attitüde gegenüber ausländischen Medien drastisch gewandelt: Sie werden als | |
Störenfriede, ideologische China-Feinde und potenzielle Spione | |
wahrgenommen. | |
Wenn Sicherheitsbeamte oder manchmal auch nur patriotische Bürger | |
ausländische Journalisten bei ihrer Berichterstattung hindern, tun sie dies | |
in der fälschlichen Annahme, die Interessen der Volksrepublik China zu | |
vertreten. Tatsächlich jedoch führen sie das genaue Gegenteil herbei: Viele | |
Berichte würden wohl deutlich ambivalenter und menschlicher ausfallen, wenn | |
man die Journalisten nur frei arbeiten lassen würde. | |
21 Feb 2022 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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