# taz.de -- Wasserverlust in Deutschland: Ist doch nur Mineralwasser | |
> Der Investigativfilmer Daniel Harrich hat NASA-Daten ausgewertet. Er | |
> warnt in einem Spielfilm vor Wasserknappheit in Deutschland. | |
Bild: Manager Gebhard (U. Tukur), Bürgermeister Sommer (S. Bezzel) und Umweltr… | |
Das [1][Daniel-Harrich-Double-Feature] ist seit Jahren eine feste Größe im | |
Programm der ARD. Es funktioniert stets nach dem gleichen Schema. Auf einen | |
nach allen Regeln des öffentlich-rechtlichen-Primetime-Fernsehens um | |
Aufmerksamkeit buhlenden Spielfilm folgt eine den Audience Flow nutzende, | |
sorgfältig recherchierte Dokumentation mit neuen Fakten zu einem | |
Investigativkomplex: Oktoberfest-Attentat; gepanschte Medikamente; | |
[2][deutsche Waffenexporte] (waren vor dem Ukraine-Krieg einmal ein negativ | |
besetztes Thema). | |
Wie sehr Daniel Harrich für seine Projekte brennt, merkt man im Gespräch zu | |
seinem neuesten Coup „Bis zum letzten Tropfen“. Dort saugen gierige | |
Konzerne den Boden aus, setzen ganze Kommunen aufs Trockene, während den | |
Politikern der Durchblick fehlt, weil sie ihre Zeit darauf verwenden, an | |
ihren wohlfeilen Lippenbekenntnissen zur Klimakrise zu feilen. „Die Politik | |
schläft“, sagt Harrich. Um das zu ändern, hat er sein jüngstes Werk – die | |
Doku, nicht den Spielfilm – am vergangenen Montagabend sogar im Bundestag | |
vorgeführt. Und er hat die Abgeordneten mit hierzulande bisher unbekannten | |
NASA-Satellitendaten konfrontiert. | |
Wichtigster Zeuge der Anklage ist der Wissenschaftler Jay Famiglietti vom | |
Global Institute for Water Security im kanadischen Saskatchewan: „Der | |
Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa zweieinhalb Gigatonnen oder | |
Kubikkilometer im Jahr. Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten | |
Wasserverlust weltweit“, erläutert er seine Daten: „Im Klartext: | |
Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das | |
ist unvorstellbar viel Wasser. Das müssen wir dort unbedingt bekanntmachen. | |
Man muss dort wirklich verstehen, was passiert.“ | |
Das Bekanntmachen hat nun Daniel Harrich übernommen. Und er hat es sogar | |
verstanden, einen hochrangigen Coca-Cola-Manager vor seine Kamera zu | |
bekommen, der durchblicken lässt, mit Harrichs Schaffen vertraut zu sein: | |
„Wenn jetzt hier Heckler & Koch sitzen würde, dann könnte ich mir natürlich | |
die Frage stellen: Muss ich Waffen verkaufen oder nicht? Aber hier bediene | |
ich ja einfach nur den Wunsch des Konsumenten, Mineralwasser zu trinken. | |
Mehr tun wir nicht.“ | |
## Pilcherisierte Kornfelder | |
Seinen (ersten, es gab eine Fortsetzung) [3][Film zur Waffenschmiede H&K] | |
hatte Harrich damals als so brisant eingeschätzt, dass er die Dreharbeiten | |
zu dem Politthriller („Meister des Todes“) als Rom-Com getarnt hat. Schaut | |
man nun (den Spielfilm) „Bis zum letzten Tropfen“, muss man sagen: So nah | |
ist er dem romantischen Genre in seinem Werk tatsächlich nie zuvor | |
gekommen. So viele pilcherisierte Kornfelder bei untergehender Sonne | |
(Kamera: Michael Praun) hat es vermutlich in keiner | |
Rosamunde-Pilcher-Verfilmung je gegeben. Zu „Meister des Todes“ verhält | |
sich „Bis zum letzten Tropfen“, nun ja: wie eine Cola zum Sturmgewehr. | |
Ein verwitwet alleinerziehender, im Grunde also herzensguter | |
Provinzbürgermeister (Sebastian Bezzel) will eigentlich nur das Beste für | |
sein Städtchen: Arbeitsplätze. Seine engagierte junge Tochter (Hannah | |
Schiller) und ein sturer alter Bauer (Michael Roll) durchschauen die | |
ausbeuterischen Machenschaften des amerikanischen Mineralwasser-Konzerns | |
hingegen sofort. Es wird am Ende des beherzten Sprungs des Bürgermeisters | |
auf den brennenden Bauern bedürfen, um den Vater-Tochter-Konflikt zu lösen. | |
## Alles für die gute Sache | |
Damit aber auch wirklich kein Zuschauer zu lange auf dem (Wasser-)Schlauch | |
steht, lässt Harrich den Konzern-Bagger vorher noch ein süßes kleines | |
Lämmchen überrollen. Den Coca-Cola-Manager modernen Typs (in Turnschuhen) | |
aus seiner Doku hat er im Spielfilm durch einen hinter jovialer Fassade | |
aalglatten Klischeemanager aus der Mottenkiste der alten Bundesrepublik | |
ersetzt. Ulrich Tukur spielt diesen Dr. Gebhard natürlich auf einer | |
Arschbacke runter: „Doktor ist zu formell. Ma san doch nicht in | |
Österreich!“ | |
Man kann die Schauspieler und Daniel Harrich nur bewundern. Für die gute | |
Sache – das Bekanntmachen des unvorstellbaren Wasserverlustes in | |
Deutschland, siehe oben – sind sie sich für nichts zu schade. | |
17 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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