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# taz.de -- Die Wahrheit: Wir sind schon mal gespannt
> Tagewählerei: Ob es sich bei diesem Gewerbe eigentlich um Glauben oder
> Aberglauben handelt, ist zweifelsohne nicht geklärt.
Bild: Steinzeitliches Stonehenge in voller Schönheit am einzigen damals existi…
„Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch“, stellte der russische
EU-Botschafter Wladimir Tschischow fest, als die CIA einen Kriegsbeginn an
einem Mittwoch prognostizierte. „Ich kann Ihnen versichern, dass es an
diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird“, fuhr er fort. Und richtig, der
Überfall auf die Ukraine fand dann auch eine Woche später an einem
Donnerstag statt.
Die süffisanten Worte des Botschafters weisen ihn als einen ausgefuchsten
Tagewähler aus. Tagewählerei? Das ist der Glaube an ausgewiesene Glücks-
oder Unglückstage. So etwas kannte man in der Steinzeit noch nicht, denn
damals gab es nur einen einzigen Tag (Smork) und jeder lebte ein Leben lang
in diesen Tag hinein. Wie Zeitgenossen berichteten, war das die schönste
Zeit überhaupt. Das fand sein Ende, als der zweite Tag (Murk) erfunden
wurde. Die Steinzeitler wurden hektischer und gaben schließlich noch einen
dritten Tag dazu (Schnurk). Da man auf drei Beinen schlecht stehen kann,
kam dann der vierte Tag (Kazurk) dazu. Der fünfte sollte bald folgen und
hieß Fünffingertag. Es folgte „Knork“, der „Tag, an dem wir Fußball
spielen“. Der folgende siebte Tag überforderte natürlich die schlichte
Steinzeitgemeinde, alle taten gar nichts mehr, es wurde verdaut und
meditiert. Darum hieß dieser Tag Rumplum. Und just an diesem Tag entstand
beim Verdauen und Meditieren die Idee der Tagewählerei.
Diese uralte Idee fand dann später bei den wählerischen Griechen
Verbreitung und wurde von den Römern gerne übernommen. So galten bei ihnen
die auf die Iden folgenden Tage als Unglückstage, die Iden selbst als
glücksbringend. Kein Wunder, dass die Verschwörer gegen Cäsar als Stichtag
die Iden des März wählten. Cäsar hätte mit einem Attentat wohl eher am 7.
Mai, am 8. Juli oder am 8. November gerechnet, denn das waren die Tage, die
bei den Römern als die drei großen Unglückstage galten, aber bei Glück und
Unglück kommt es immer auf die Sichtweise an.
## 7. Mai ist stets Weltfischbrötchentag
Bei genauerer Überprüfung können die drei großen Pechtage der Römer aus
unserer Sicht die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der 7. Mai brachte es
bislang nur zum Weltfischbrötchentag in Schleswig-Holstein. Der 8. Juli war
immerhin der Geburtstag des „ewigen Präsidenten“ Nordkoreas, Kim Il Sung,
und am 8. November 2016 wurde die Unglücksgeißel Trump zum Präsidenten
gewählt. Insgesamt eine etwas magere Ausbeute für sogenannte
Spitzenunglückstage in den digitalen Annalen unserer Zeit. In diesem Jahr
blüht uns am 8. November immerhin eine totale Mondfinsternis mit einem
spektakulären Blutmond. Wir sind gespannt.
In Schottland galt lange Zeit der gesamte Mai als Unglücksmonat für
Eheschließungen, warum, weiß vermutlich nur der taz-Irland-Korrespondent
Ralf Sotscheck. Bei den abergläubischen Germanen galten die Tage, die Wotan
und Donar gewidmet waren, als Glückstage, nämlich Mittwoch und Donnerstag.
Der Germane hätte also gerne den Mittwoch ins Auge gefasst, wenn er einen
Krieg vom Zaun brechen wollte.
Obwohl er den Tag natürlich nicht Mittwoch, sondern Wotanstag genannt
hätte. Dienstag und Freitag galten bei den Germanen und Germaninnen als
Unglückstage und bis in die heutige Zeit gilt der Freitag als der Tag, an
dem man nichts Wichtiges beginnen sollte, außer Demos for Future natürlich.
Profis fahren immer erst Samstag in den Urlaub.
## Luther und die Tagewählerei
Neben den Russen und Finnen gelten die Inder, Chinesen und Japaner als
besondere Freunde der Tagewählerei. Das stellte 1878 Meyers
Konversationslexikon fest und das scheint immer noch zu stimmen, zumindest,
was die Russen betrifft. Der Begriff der Tagewählerei taucht zum ersten Mal
an einem Dienstag in der Bibelübersetzung bei Martin Luther auf. Dieser
wurde übrigens an einem Samstag geboren. Ebenfalls an einem Samstag
erklärte das Deutsche Reich 1914 dem zaristischen Russland den Krieg. Das
den Ersten Weltkrieg auslösende Attentat von Sarajevo passierte an einem
Sonntag und das herbeigesehnte Kriegsende war an einem Montag.
Und imagine, das Attentat auf John Lennon passierte ebenfalls an einem
Montag. Nach meinen Berechnungen ist Jesus im Jahre null an einem Freitag
geboren und der Kreis schloss sich für ihn vorübergehend am ersten
Karfreitag. Der glücklichste Donnerstag für uns Deutsche war wohl der Tag,
als die Mauer fiel, doch fast noch glücklicher ist für uns der Sonntag.
Denn an einem Sonntag wurden wir Sonntagskinder der Vorsehung dreimal
Fußballweltmeister, nämlich 1954, 1990 und 2014.
Auf welchen Tag jedoch das ersehnte Kriegsende in der Ukraine fällt, sagte
Botschafter Tschischow übrigens nicht. Mir wäre da jeder recht!
9 Mar 2022
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Die Wahrheit
Zeit
Steinzeit
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Erfindungen
Tiere
Mathematik
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