# taz.de -- Die Wahrheit: Im Dschungel der Diminutive | |
> Prolli und Polli, Helden der Polizei und ihrer Gewerkschaft, sind nix für | |
> Dummis. Die sind nämlich schon ganz fix und Foxi. | |
Bild: Juhei! Polnische Pollis! | |
In einer Zeit, als es noch Spontis und Prollis gab, schuf eine subversive | |
Werbeagentur den Sympathieträger „Polli“. Das war ein knubbelnasiger | |
Polizist, den die Kinder in einem Malbuch ausmalen durften. Der Höhepunkt | |
dieser Broschüre war die Bastelanleitung für einen „Hampel-Polli“! Diese | |
Hampel-Pollis hingen natürlich in jedem Kinderladen und untergruben den | |
letzten Rest an Autorität, den die lieben Schluffis von der Polizei noch | |
hatten. Herausgegeben wurde die lustige Broschüre von der Gewerkschaft der | |
Polizei, die daraufhin gehäufte Austritte von verärgerten Pollis | |
verzeichnen musste. Diese nannten sich fortan „Bullen“ und so nennt man | |
Polizisten heute immer noch, und Polli sagt kein Schwein. | |
Damals gab es auch noch Hertie-Kaufhäuser, die mit „Schlemmi der Eisbär“ … | |
Schleckermäuler warben, und in Frankfurt am Main nannte sich ein Schuster | |
allen Ernstes auf seinem Ladenschild „Schusti“. Muttis hießen noch Mutti | |
und Väter Vati und nicht Daddy. | |
Findige Infantilisierungsforscher fanden heraus, dass die | |
Verkleinerungsendung auf den Buchstaben „i“ die kindlichste Form der | |
Verniedlichung darstellt. Das mag am hellklingenden „i“ liegen, alle | |
anderen Vokale klingen ja dunkler und erwachsener. So klingt der Nazi | |
weniger bedrohlich als der Fascho und der Sozi netter als die Sozen. Und | |
ein Bazi ist zwar ein Gauner, aber ein sympathischer. | |
Infantilisierungsforscher mögen übrigens gar nicht, wenn man sie als | |
Diminutivis bezeichnet. | |
Die fortschreitende Infantilisierung der Sprache erfasste nicht nur Kiddies | |
und Dummis, sondern auch die Schluffis und Tussis, die sich auf einmal mit | |
„Tschüssi“ verabschiedeten, wenn sie den Späti verließen. Selbst der raue | |
Berliner sagte auf einmal anerkennend „Guti“, egal ob er am Görli oder am | |
Nolli wohnte. Unerreichte Verniedlicher sind aber immer noch die putzigen | |
Schweizer. Sie umarmen ihre Bäumlis und nennen ihre Nationalmannschaft | |
„Nati“. Bei uns heißt diese erstaunlicherweise immer noch seriös | |
Nationalmannschaft, obwohl ihre Trainer notorisch kindlich Berti, Jogi und | |
Hansi genannt werden. Die Spieler heißen dagegen ernst Joshua Kimmich, | |
Thomas Müller und Manuel Neuer. Seltsam. Die Zeit von Poldi und Schweini | |
ist vorbei. Und was macht eigentlich Elli Pirelli? | |
## Niemand sagt Opipi | |
Die kleine Welt der Diminutive ist überhaupt gänzlich widersprüchlich und | |
rätselhaft. Der Verklemmte heißt zwar Klemmi, aber der gemeine Lump nicht | |
Lumpi. Straffällige nennen sich Knackis, und über die gleichnamige | |
Wurstmarke „Knacki“ können sie gar nicht lachen. Man sagt „alte Knacker�… | |
statt „alte Knackis“ und die putzigen alten Leute heißen Omi und Opi, mit | |
der Infantilisierungssteigerung „Omimi“. Das Pendant dazu blieb Opa | |
erspart. „Greisis“ sagt auch niemand, „Gruftis“ ist aber gebräuchlich. | |
„Schuftis“ und „Schurkis“ sagt noch nicht einmal der zuständige | |
Hampel-Polli und „Misanthropis“ hört man auch selten. | |
In der Rap-Szene darf man keinesfalls Rappi zum Rapper sagen, da braust er | |
auf. Wir beschwichtigen ihn dann rasch mit dem versöhnlerischen „Brudi, was | |
geht ab?“ Brudi ist ein kleiner Bruder, Schwestis kennt der alte | |
Macho-Rapper nicht, Verwandtis schon gar nicht. | |
HipHopper heißen nicht HipHoppis und Hopis leben meist in Reservaten. Und | |
die Hippies? Sie taumeln durch die berauschte Drogenwelt der Drogis. | |
## Erstis und Abbrechis | |
Studis fangen allen Ernstes als „Erstis“ an, Studienabbrecher sind aber | |
keine „Abbrechis“. | |
Asis sind Asistenten und keine Asozialen. Professoren wiederum sind keine | |
Profis, sondern Profs. | |
Aber Universitäten sind Unis, das weiß jeder Polli und jeder Prolli! | |
12 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Kriki | |
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