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# taz.de -- Nachruf auf Gabriel Bach: Vom Flüchtling zum Ankläger
> Gabriel Bach floh als Kind vor den Nazis und war 1961 Generalstaatsanwalt
> im Prozess gegen Adolf Eichmann. 94-jährig verstarb Bach nun in
> Jerusalem.
Bild: Gabriel Bach im April 2011 in Berlin in der Ausstellung „Der Prozess �…
Ein Herr mit grauem Haar, korrekt mit Krawatte und Jackett bekleidet, stets
freundlich und allen Fragen zugetan: So trat Gabriel Bach in den
vergangenen Jahren immer wieder in Deutschland auf. Dabei hätte der
gebürtige Halberstädter Jude allen Grund dazu gehabt, diesem Land und
seinen Bewohnern zu misstrauen: Als Kind in Berlin aufgewachsen, floh Bach
1938 als Elfjähriger mit seiner Familie in die Niederlande.
Nur wenige Wochen vor dem Überfall Nazi-Deutschlands auf das Nachbarland
gelang ihm im März 1940 die Weiterreise in das damalige britische
Mandatsgebiet Palästina. Man ließ sich in Jerusalem nieder, so wie Tausende
andere Verfolgte, für die Erez Israel (das Land Israel) die Rettung
bedeutete.
Aber nicht wegen seiner Flucht geriet Bach zu einer der bekanntesten
Persönlichkeiten Israels, sondern wegen Adolf Eichmann. Nach seinem
Jurastudium in London trat Bach der Staatsanwaltschaft bei und wurde 1961
zu einem der Ankläger gegen den Organisator des Judenmords, der ein Jahr
zuvor von einem Mossad-Kommando aus seinem Versteck in Argentinien nach
Israel entführt worden war. Er leitete die Voruntersuchung und fungierte
als stellvertretender Generalstaatsanwalt.
Bis ins hohe Alter hat Gabriel Bach immer wieder von diesem Verfahren
berichtet, auch von seinen Gesprächen mit Eichmann, der den Eindruck
vermitteln wollte, er habe nur Befehle ausgeführt. Der Behauptung, da habe
ein willenloser NS-Bürokrat vor Gericht gesessen, trat Gabriel entschlossen
entgegen, nannte Beispiele.
## Der Eichmann-Prozess ließ ihn nie los
Selbst die Bitte eines deutschen Generals, einen jüdischen Techniker wegen
seines Fachwissens vom Mord zu verschonen, habe Eichmann abgelehnt.
„Eichmann war besessen von der Judenfrage“, davon war Bach überzeugt.
Niemand sollte der Mordmaschine entkommen. Schon gar nicht sei Eichmann ein
„Hanswurst“ gewesen, wie Hannah Arendt den Angeklagten damals bezeichnete.
Der Zeit sagte Bach einmal: „Wenn irgendjemand überhaupt die Todesstrafe
verdient hat, dann er.“ In der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 wurde
Eichmann erhängt. Bach ist, obwohl eingeladen, nicht dabei gewesen. Doch
das Verfahren hat ihn sein ganzes Leben nicht mehr losgelassen.
[1][Der Prozess hat Geschichte geschrieben] und Gesellschaften verändert,
in Israel wie in der Bundesrepublik. Der Holocaust, ein zuvor in beiden
Ländern gemiedenes Thema, geriet in den Fokus des Interesses. Wenige Jahre
später standen in Frankfurt am Main Täter aus dem Vernichtungslager
Auschwitz vor Gericht.
## Versuch einer Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel
30 Jahre lang hatte Gabriel Bach Deutschland nach seiner Flucht gemieden,
ist nicht einmal im Transit dort umgestiegen. Erst der Kontakt zu dem
späteren SPD-Bundespräsidenten Gustav Heinemann führte ihn zurück in seine
ursprüngliche Heimat. Bach hielt fortan Vorträge und trat immer wieder vor
Schulklassen auf.
Sein Thema war nicht nur der Eichmann-Prozess, sondern auch der Versuch
einer Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel. Bach lobte den
konsequenten Umgang der deutschen Strafjustiz mit den letzten lebenden
NS-Verbrechern in den letzten Jahren, nachdem diese Justiz lange genug
weggeschaut hatte.
Am vergangenen Freitag ist Gabriel Bach im Alter von 94 Jahren in Jerusalem
verstorben.
21 Feb 2022
## LINKS
[1] /60-Jahrestag-des-Eichmann-Prozesses/!5759178
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Adolf Eichmann
Auschwitz-Prozess
NS-Verfolgte
NS-Gedenken
NS-Justiz
NS-Verbrechen
Holocaust-Gedenktag
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NS-Verbrechen
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