Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klimaschutz-Zertifikate für Humusbildung: „Nullsummenspiel fürs…
> Braucht es einen Emissionshandel für Treibhausgase in der Landwirtschaft?
> Das grün-geführte Agarministerium hält davon wenig.
Bild: Noch ein Vorteil von Agroforstwirtschaft: Schubberbäume
Berlin taz | Das Bundesagrarministerium zeigt sich gegenüber einem Handel
mit Zertifikaten zur Fixierung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft
kritisch. „Was handelbare Zertifikate angeht, bin ich sehr skeptisch und
würde das aus heutiger Sicht eher ablehnen“, sagte Staatssekretärin Silvia
Bender (Grüne) der taz.
Die EU-Kommission will in diesem Jahr einen Rechtsrahmen für sogenannte
[1][Carbon Farming-Zertifikate] vorschlagen, die bescheinigen, wenn der
Atmosphäre entzogener Kohlenstoff im Boden gespeichert wird. Bauern können
dann Geld bekommen, wenn sie den [2][Anteil des kohlenstoffhaltigen Humus
im Boden] erhöhen. Mehr Humus können sie erreichen, indem sie zum Beispiel
Bäume und Früchte zusammen auf einem Feld anbauen (Agroforstwirtschaft),
den Boden immer von Pflanzen bedeckt halten und Pflanzenreste auf dem Acker
lassen. Das System mit handelbaren Zertifikaten soll helfen, die
Landwirtschaft klimaneutral zu machen. Diese verursacht in Deutschland laut
Umweltbundesamt derzeit 13 Prozent der Treibhausgase.
„Die Festlegung von Kohlenstoff als Humus im Boden ist nicht eine der
stabilsten. Das kann auch schnell wieder abgebaut werden“, sagte Bender. In
diesem Fall wäre das Klima langfristig nicht entlastet. Zudem seien in den
Klimastrategien Deutschlands und der EU bereits [3][erhebliche CO2-Mengen
eingerechnet, die insgesamt in natürlichen Senken gespeichert werden
müssen]. „Wir können nach meiner Auffassung nicht so viel mehr
Senkenleistung erbringen, dass überhaupt handelbare Zertifikate generiert
werden können“, so die Staatssekretärin. „Wir wollen auf keinen Fall, dass
die Industrie ihre eigenen Klimaanstrengungen hintanstellt, weil sie
billige Bodenzertifikate kaufen kann und sich damit freirechnet. Für das
Klima wäre das ein nicht akzeptables Nullsummenspiel.“
Weiterhin würde ein Zertifikatehandel für in Agrarflächen gebundenes CO2
den „Druck auf die ohnehin schon knappe Ressource Boden weiter erhöhen“.
Wenn es ihn nicht nur in der EU, sondern auch in Entwicklungsländern geben
würde, könnten internationale Unternehmen „zumindest theoretisch dort Boden
kaufen, um Carbon Farming zu betreiben, damit sie ihre Emissionen
schönrechnen“. Dieser Boden würde der Bevölkerung im globalen Süden
entzogen.
## Resilienzfaktor Humus
„Es ist richtig, dass wir den Humusaufbau in der Landwirtschaft fördern,
nicht nur weil Humus CO2 bindet, sondern auch, weil er ja auch zur
Klimaresilienz der Landwirtschaft beiträgt“, sagte Bender. Böden mit mehr
Humus seien fruchtbarer und könnten mehr Wasser speichern. Entsprechende
Anbaumethoden sollte die EU-Agrarpolitik fördern. „Wenn wir die Gemeinsame
Agrarpolitik weiterentwickeln zu einem wirklichen Honorierungssystem, dann
könnten dort solche konkreten Leistungen eingerechnet werden. Carbon
Farming ist eine Leistung für das Gemeinwohl, die durch öffentliches Geld
vergütet werden sollte.“
Als Beispiel nannte Bender Agroforstsysteme. Die Bodenbearbeitung ohne
Pflug und mit Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat hält
die Grüne dagegen nicht für förderwürdig. Auch diese wird häufig als
humusaufbauend beworben. Jüngere Forschungen zeigen jedoch, dass der
Verzicht auf den Pflug so gut wie keinen Kohlenstoff bindet.
## Ureigenes Interesse der Bauern
Mit ihrer kritischen Haltung gegenüber Carbon Farming-Zertifikaten schließt
sich Bender führenden Agrarwissenschaftlern an. Sebastian Lakner, Professor
für Agrarökonomie an der Universität Rostock, sagte vor Kurzem, „einige
wenige Anbaufehler in einem einzelnen Jahr“ reichten aus, dass der Humus
wieder abgebaut und der so gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt
wird.
Anders als Bender lehnt Lakner aber auch generell ab, für den Aufbau von
Humus [4][EU-Agrarsubventionen] zu zahlen. „Hier würde ein Ziel gefördert,
das eigentlich im Rahmen des gesetzlichen Bodenschutzes und der guten
fachlichen Praxis umzusetzen ist“, so Lakner. Bauern sollten schon aus
ihrem eigenem Interesse heraus hohe Humusgehalte in ihren Böden anstreben,
etwa um die Fruchtbarkeit zu erhalten.
Statt durch Carbon Farming-Zertifikate will das Agrarministerium die
Klimabilanz der Landwirtschaft zum Beispiel dadurch verbessern, dass
weniger Tiere gehalten und weniger tierische Lebensmittel wie Fleisch und
Milch konsumiert werden. Zudem müsste ein politischer Rahmen gesetzt
werden, um Überdüngung weiter zu reduzieren, Moore wiederzuvernässen, in
Gewächshäusern Energie zu sparen und Landmaschinen auf alternative Antriebe
umzustellen.
8 Mar 2022
## LINKS
[1] https://ec.europa.eu/clima/eu-action/forests-and-agriculture/sustainable-ca…
[2] /Nachhaltige-Energie/!5834302
[3] /Neue-Studie-zur-Erderhitzung/!5810675
[4] /Oekoreform-der-EU-Agrarsubventionen/!5825847
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
klimataz
Emissionshandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Landwirtschaft
Russland
FDP
Lebensmittelverschwendung
Landwirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fragen und Antworten zum Green-Deal: Macht die EU ernst?
Am Dienstag entscheidet der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments
über die Reform des Emissionshandels.
Permafrostböden tauen auf: Nicht mehr lange tiefgefroren
Dass Permafrostböden auftauen, ist seit Jahren bekannt. Eine neue Studie
sieht einige Gebiete schon verloren, macht aber auch Hoffnung.
Agrarministerium zu Arbeitsbedingungen: Gegen Sozialdumping bei der Ernte
Der Bauernverband will, dass der Mindestlohn später steigt und Erntehelfer
länger ohne Sozialversicherung arbeiten. Das Agrarministerium ist dagegen.
Agrar-Dialog mit Russland ausgesetzt: Ministerium stoppt Putin-Freund
Das Agrarministerium entzieht dem Industriellen Dürr den Auftrag, Kontakte
zu russischen Fachpolitikern zu organisieren. Der Dialog wird ausgesetzt.
FDP nutzt Ukrainekrise für Agrarpolitik: Krieg als Argument gegen Biolandbau
Die Ukrainekrise zeige, dass die EU keine Äcker zugunsten der Natur
stilllegen dürfe, sagt die Regierungspartei. Auch mehr Bio sei nicht zu
vertreten.
Umweltverbände zu Autobahnblockaden: „Gut, dieses Thema zu pushen“
Umweltverbände loben, dass auf die Verschwendung von Lebensmitteln
aufmerksam gemacht wird. Die Blockaden selbst wollen sie aber nicht
bewerten.
Pläne für mehr Strom von Agrarflächen: Vom Acker in die Steckdose
Grün geführte Ministerien wollen, dass auf Feldern neben Nahrungsmitteln
mehr Solarstrom produziert wird. Umweltschützer begrüßen die Pläne.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.