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# taz.de -- Mietenaktivist über Bauziele der Ampel: „Luxusneubau hilft uns n…
> Matthias Weinzierl von der bundesweiten Kampagne Mietenstopp kritisiert
> die Bauziele der Ampelkoalition. Der soziale Wohnungsbau bleibe auf der
> Strecke.
Bild: Bauboom in Berlin, aber zu wenige Neubauten sind Sozialwohnungen
taz: Herr Weinzierl, 400.000 Wohnungen will die Ampelkoalition pro Jahr
bauen. Reicht das, um die vor allem in Großstädten akute Wohnungsnot in den
Griff zu bekommen?
Matthias Weinzierl: Auf gar keinen Fall! Hilfreich sind dabei natürlich nur
Wohnungen in einem bestimmten Segment. Man muss ganz genau hinschauen, was
für Wohnungen entstehen. Luxusneubau hilft uns kein bisschen.
Die Sozialraumquote der Ampelkoalition liegt bei 25 Prozent, jährlich
sollen also 100.000 Sozialwohnungen entstehen. Ist das genug?
Nein, und wenn man genau hinschaut, sieht man auch, dass schon die Zahl
100.000 nicht stimmig ist. Dabei handelt es sich nämlich nicht um „echte“
Sozialwohnungen. Da werden zum Beispiel auch geförderte Eigentumswohnungen
mitgezählt. Zudem fallen jährlich mehr geförderte Wohnungen aus den
Sozialbindungen als neue gebundene Wohnungen gebaut werden. So ist unterm
Strich nichts gewonnen. Gleichzeitig steigen die Baukosten ins
Unermessliche, vor allem aufgrund der hohen Bodenpreise, was sich wiederum
unmittelbar auf die Mieten auswirkt.
SPD und Grüne sprachen vor den Wahlen davon, [1][regionale
Mietregulierungen in angespannten Wohnungsmärkten] zu ermöglichen. Kann man
schon jetzt sagen: Aus dem Wahlversprechen ist nichts geworden?
Grüne und SPD sind der FDP in diesen Fragen weit entgegengekommen. Die
Zugeständnisse finden auf den Rücken von Mietern statt. Die SPD sprach im
Wahlkampf von einem Mietenmoratorium, die Grünen haben ähnliche Forderungen
aufgestellt. Geblieben ist davon nichts, außer der Erklärung, 400.000
Wohnungen bauen zu wollen, die Mietpreisbremse zu verlängern und die
Kappungsgrenze in angespannten Märkten von 15 Prozent auf 11 zu senken. Das
reicht bei Weitem nicht, um sich dem großen gesellschaftlichen Problem
entgegenzustellen, vor dem wir stehen: Viele Menschen können sich Wohnraum
nicht mehr leisten. Schon jetzt findet in den größeren Städten eine
dramatische Verdrängung statt. Viele gehen in Rente und können sich ihre
Wohnung plötzlich nicht mehr leisten. Kinder, die ausziehen, können nicht
in ihrer Heimatstadt studieren, weil es einfach zu teuer ist. Darauf muss
man doch schnell reagieren.
Wie?
Neben einem Mietenstopp fordern wir unter anderem neue
Wohnungsgemeinnützigkeit, ein neues soziales Bodenrecht, höhere Bauquoten
im sozialen Segment, neues kommunales Vorkaufsrecht, strengere Regeln für
Eigenbedarf und faire energetische Gebäudesanierungen.
Mitten im Wahlkampf kippte vergangenes Jahr [2][nach einem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts] plötzlich das kommunale Vorkaufsrecht, ein
wichtiges Instrument gegen Verdrängung in einigen Städten. Verschiedene
Länder stießen sofort Bundesratsinitiativen an, eine schnelle Reform wurde
versprochen. Nun will die [3][FDP-Vorsitzende im Bauausschuss, Sandra
Weeser], zunächst doch länger prüfen lassen. Wie soll die Ampelkoalition
das Wohnraumproblem lösen, wenn sie nicht einmal das leicht zu
reformierende Vorkaufsrecht repariert?
Uns ist völlig unverständlich, warum sich die Ampel an diesem Punkt so viel
Zeit lässt. Selbst Politiker aus der Union aus betroffenen Städten betonen
die Wichtigkeit dieses Instruments. In München wollte die Stadt in einer
Reihe von Fällen das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Die sind alle wegen des
Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gescheitert. Kommunen haben in
Wohnraumfragen ohnehin wenig Gelegenheit einzugreifen – ohne dieses
Werkzeug sind sie bei Verdrängung zum Zuschauen verdammt.
Gibt es auch etwas, mit dem Sie zufrieden sind bei der Ampel?
Was unser Thema betrifft, lautet die Antwort – leider nein. Die Maßnahmen
greifen einfach zu kurz.
18 Feb 2022
## LINKS
[1] /Mietendeckel-und-Wohnungsmarkt/!5794613
[2] /Gekipptes-Vorkaufsrecht-bei-Immobilien/!5810896
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/mieterschutz-versus-investoren-f…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Wohnungsmarkt
Mieten
Mietenwahnsinn
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