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# taz.de -- Betroffener über Gewalt im Jugendheim: „Man schuldet uns etwas“
> Psychische Gewalt und Fixierungen: Ehemalige Haasenburg-Insassen erzählen
> in Hamburg ihre Geschichte und stellen Forderungen.
Bild: Nicht aufgearbeitet: Gewalt in Heimen der Haasenburg
taz: Herr Martinez, die Interessengemeinschaft ehemaliger Haasenburgkinder
ist Gast bei einer Tagung in Hamburg? Was ist Ihr Anliegen?
Renzo Martinez: Wir sind ein Zusammenschluss aus Kindern, [1][die die
Haasenburg überlebt haben]. Wir sind erwachsen und stellen politische
Forderungen. Denn es gibt bis heute keine Entschädigung für das Leiden, das
wir erfuhren.
Was haben Sie erlebt?
Wir waren in diesen Heimen systematischem Reizentzug ausgesetzt. Dass hieß
lange Isolierung in unseren Zimmern, ohne Kontakt zu anderen Jugendlichen
oder zu unseren Eltern. Es gab dort massive Übergriffe durch Betreuer,
teils tagelange Fixierungen. Und es gab extreme psychische Gewalt. Etwa,
dass Widerspruch nicht erlaubt war.
Sie meinen Willenbrechen?
Genau. Da wurde der Akt des Widerspruchs schon zur Aggression erklärt, die
es niederzuringen galt.
Wie viele sind Sie und was wissen Sie voneinander?
Wir haben uns im Oktober gegründet als Reaktion [2][auf den Suizid von
Jonas], der auch in der Haasenburg war. Ich habe seither mit etwa 70
Ehemaligen gesprochen. Viele berichten von Symptomen, die auf eine
posttraumatische Belastungsstörung schließen lassen. Sie wachen morgens
auf, schweißgebadet, und denken immer noch, sie wären in der Haasenburg.
Obwohl sie zehn Jahre nicht mehr drin sind. So eine Störung lässt sich
behandeln. Aber leider ist es vielen von uns unmöglich, eine Therapie
wahrzunehmen. Denn die Haasenburg hat perfiderweise das Vertrauen in
Therapeuten zerstört. Viele sind zudem arbeitsunfähig und verarmt.
Gibt es auch welche, die die Haasenburg gut fanden?
Ich habe mir eine Liste gemacht. Nur einer, den ich sprach, fand die
Haasenburg für sich okay. Die große Mehrheit fand die Zustände dort
untragbar. In der Haasenburg müssen mehrere Hundert gewesen sein. Es gibt
auch Betroffene, die nicht reden, weil sie heute selber Eltern sind und
Angst haben, dass ihnen das Jugendamt das Kind wegnimmt als Repressalie.
Generell haben viele Angst vor Behörden.
Was passiert auf der Tagung?
Wir werden als Interessengemeinschaft unsere Geschichte erzählen, dann
werden wir eine Deklaration abgeben, und zwar gemeinsam mit der
Linkspartei. Wir stehen ja als Extrembeispiel für die geschlossenen Heime,
die es immer noch gibt. Die lehnen wir insgesamt ab. Denn geschlossene
Systeme sind immer anfällig für Machtmissbrauch.
Was fordern Sie für sich?
[3][Entschädigung.] Denn die Haasenburg wurde 2013 geschlossen, nachdem
eine Kommission Missstände bestätigte. Mal ehrlich: Das, was wir in der
Haasenburg erlebten, hat der Staat finanziert. Er steckt mehrere Hundert
Kinder in ein Heim. Das wird geschlossen aufgrund gravierender Mängel. Die
zuständige Ministerin entschuldigt sich bei den Betroffenen. Aber die
versprochene Aufarbeitung und Hilfe bleibt aus. Diese Kinder sind heute
Erwachsene, die nicht arbeitsfähig sind. Sie haben also kein Einkommen. Der
Rechtsstaat muss einen Weg finden, mit uns Opfern umzugehen. Das ist er uns
schuldig.
Was schlagen Sie vor?
Es ist schwierig für uns als ehemalige Heimkinder, jeweils einzeln
Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz durchzusetzen. Deshalb
fordern wir, das Gesetz zu ändern. Es muss Menschen helfen, die Opfer eines
Heimsystems wurden. Derzeit kennt das Gesetz uns als Opfertypus nicht.
4 Mar 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Haasenburg-Heime/!t5011079
[2] /Tod-eines-ehemaligen-Heimkindes/!5756902
[3] /Gewalt-gegen-Kinder-in-Haasenburg/!5804644
## AUTOREN
Kaija Kutter
Renzo Rafael Martinez
## TAGS
Kinderheim
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