Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Italienisches Politmagazin „Report“: Gemütlich investigativ
> Das Politmagazin „Report“ gehört zu den unbequemen Sendungen im
> italienischen TV. Politiker scheuen auch vor Verleumdung nicht zurück.
Bild: Sigfrido Ranucci, TV-Journalist und Leiter der Sendung „Report“
Auf der Sitzung des parlamentarischen Ausschusses, dem die Kontrolle über
den italienischen Staatssender RAI obliegt, schlugen Anfang Februar die
Wellen hoch. Andrea Ruggiero, Abgeordneter der Berlusconi-Partei Forza
Italia, beschuldigte den prominenten TV-Journalisten und [1][Leiter der
Sendung „Report“], Sigfrido Ranucci, der Erpressung: Ranucci habe die
Veröffentlichung kompromittierender Geheimdossiers angedroht.
Und mehr noch, Ranucci habe geprahlt, in seiner Redaktion würden 78.000
solcher Dossiers aufbewahrt. So haltlos der Vorwurf war, so deutlich wurde:
Der Journalist hat sich mit seiner Sendung „Report“, die auf RAI 3 läuft,
bei zahlreichen Politikern und Wirtschaftsbossen unbeliebt gemacht. Der
60-jährige Ranucci, der „Report“ auch moderiert, wirkt wie ein Ausbund an
Gemütlichkeit. Doch wenn er den Mund aufmacht, ist es damit vorbei.
Vor fünf Jahren trat er die Nachfolge Milena Gabanellis an, die „Report“ im
Jahr 1997 gegründet hatte, und ganz wie seine Vorgängerin setzt er auf
investigativen Journalismus pur, ob es nun um undurchsichtige Geschäfte des
vom italienischen Staat kontrollierten Petrochemie-Konzern ENI in Nigeria,
um die vom Stahlunternehmen [2][ILVA im süditalienischen Tarent]
angerichtete Umweltkatastrophe oder um bis heute nicht aufgeklärte
Hintergründe des von Neofaschisten begangenen [3][Bombenanschlags von
Bologna] am 2. August 1980 mit seinen 85 Toten geht.
Immer wieder geraten dabei auch Politiker ins Visier, etwa [4][Attilio
Fontana, Präsident der Region Lombardei.] Der zur Lega gehörende Politiker
war wie so viele Regierende in der Frühphase der Covidpandemie auf der
verzweifelten Suche nach Schutzkleidung für das medizinische Personal – und
wurde bei der Firma seines Schwagers fündig. Als die „Report“-Journalisten
die Fährte aufgenommen hatten, widmete jener Schwager die Großlieferung
geschwind in eine gratis erfolgte „Spende“ an die Region um, doch die
Staatsanwaltschaft ermittelt.
## Renzi stellte Anzeige
Nicht gut auf „Report“ zu sprechen ist auch Matteo Renzi, Italiens
Ministerpräsident in den Jahren 2014 bis 2016 und heute Vorsitzender der
kleinen Partei Italia Viva. Renzi war im Mai 2021 in „Report“ zu sehen, auf
einem Handy-Video, das ihn auf einer Autobahn-Raststätte nördlich Roms
zeigt, während er mit einem der höchsten Geheimdienstfunktionäre Italiens
parliert, 40 Minuten lang. Die Aufzeichnung stammte vom 23. Dezember 2020,
und der Politiker schickte sich damals an, den damaligen
Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu stürzen, unter anderem mit Vorwürfen
zur Geheimdienstkoordination in der Regierung.
Eben diesen Kontext rekonstruierte „Report“ – und stellte die Frage, ob
solche Geheimtreffen von für die Dienste gar nicht zuständigen Politikern
mit Schlapphüten eigentlich normal seien. Renzi empörte sich, er habe sich
von dem Agenten bloß Weihnachtsgebäck mitbringen lassen – und stellte dann
auch noch Anzeige gegen „Report“, weil die Sendung ihn ausspioniert habe.
## Anonymes Schreiben
Wohl deshalb auch zog einige Monate später der zu Renzis Italia Viva
gehörende Senator Davide Faraone im parlamentarischen RAI-Kontrollausschuss
ein anonymes Schreiben aus der Tasche, in dem Ranucci beschuldigt wurde, er
habe sich in der Redaktion sexueller Belästigungen schuldig gemacht.
Ihm ebenso wie dem Forza-Italia-Mann antwortete Ranucci daraufhin am
Telefon, und er bestätigte ihnen in der Tat, dass in seiner Redaktion
laufend anonyme Schreiben mit heftigen Anschuldigungen gegen Politiker
eingingen. Die zwei Parlamentarier unterschlugen allerdings, was Ranucci
dann hinzufügte. Er werfe solche Schreiben in den Papierkorb – anders als
die beiden, die den Journalisten mit der Lancierung der
Belästigungsvorwürfe zum Schweigen bringen wollten.
3 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.rai.it/programmi/report/
[2] /Umweltskandal-in-Italien/!5054860
[3] /Rechtes-Attentat-in-Bologna/!5787148
[4] /Populisten-in-Italien/!5088070
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Medien
Journalismus
Investigativer Journalismus
Pressefreiheit in Europa
Jugend
Mafia
Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pressefreiheit in Italien bedroht: Gefährliche Tendenzen
Jüngste Fälle von Verleumdungsklagen gegen italienische Medien stehen in
einer langen Tradition. Bei der RAI ist eher Unterwürfigkeit das Problem.
Jugendproteste nach Unfällen: Verlorene Zukunft
Zwei junge Menschen sind in Italien bei Praktika gestorben. Schüler:innen
protestieren. Das ist verständlich, die Problemlage ist allerdings komplex.
Serie über Journalismus und Mafia: Das Wort, das es nicht gibt
Die Serie „L'Ora“ erzählt die Geschichte der gleichnamigen Antimafiazeitung
aus Palermo. Sie erinnert daran, was Journalismus kann und was er kostet.
13 Jahre Haft für Mimmo Lucano: Kalabriens Skandalurteil
Mimmo Lucano schaffte als Bürgermeister ein kleines Wirtschaftswunder
mitten in der Flüchtlingskrise. Nun soll er 13 Jahre in Haft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.