# taz.de -- Israel-Besuch der Außenministerin: Nicht nur warme Worte | |
> Außenministerin Baerbock besucht auf ihrer Nahostreise zuerst Israel. In | |
> ihrer Performance unterscheidet sie sich in Nuancen von ihren Vorgängern. | |
Bild: Warme Worte, aber auch Kritik: Annalena Baerbock mit Yair Lapid am Donner… | |
TEL AVIV taz | Außenministerin Annalena Baerbock, sichtlich bewegt, kam ins | |
Stocken, als sie Donnerstagmorgen bei ihrem Antrittsbesuch in Israel in der | |
Gedenkstätte Yad Vashem von den in der Shoah ermordeten Kindern sprach. „Es | |
ist unsere Verantwortung, unsere Stimme zu erheben gegen Antisemitismus, | |
gegen Hass und Hetze, gegen Ausgrenzung und Gewalt, damit ein solches | |
Menschheitsverbrechen sich nie mehr wiederholt“, sagte sie in Jerusalem. | |
Kurz danach tauscht sie in der Pressekonferenz mit ihrem Amtskollegen Jair | |
Lapid warme Worte aus. Die beiden betonen die tiefe Freundschaft zwischen | |
ihren Ländern. Israel sei ganz bewusst die erste Station ihrer Nahostreise, | |
hatte Baerbock vor Antritt ihrer Reise erklärt. Deutschland stehe zu seiner | |
historischen Verantwortung. | |
Wie ihre Amtsvorgänger steht auch sie mit ihrem Besuch vor der | |
Herausforderung, den Spagat zwischen der deutschen Staatsräson und der | |
Kritik am Siedlungsbau und an Menschenrechtsverstößen zu meistern. Viel | |
Spielraum gibt es nicht, doch ein wenig unterscheidet sich Baerbocks | |
Performance doch von der ihrer Vorgänger, etwa der von Heiko Maas, der | |
mitunter auch zu Besuch in Israel war, ohne einen Abstecher in das von | |
Jerusalem nur wenige Kilometer entfernte Ramallah zu machen. Baerbock räumt | |
ihrem Besuch in den palästinensischen Gebieten vergleichsweise viel Zeit | |
ein. | |
Den warmen Empfang in Israel hatte sie sich dennoch mit verschiedenen | |
Äußerungen im Vorfeld bereits gesichert. Den Vorstoß der | |
[1][Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Israel als | |
Apartheidsstaat zu bezeichnen], hatte ihr Außenministerium vor einer Woche | |
klar zurückgewiesen. Auch von ihrer früheren Linie, keine U-Boote in | |
Krisengebiete zu verkaufen und damit auch nach Israel, hat Baerbock sich | |
mittlerweile distanziert. | |
## Deutliche Worte zum Siedlungsbau | |
Doch auch kritische Töne kamen von ihr, etwa zu den sechs palästinensischen | |
NGOs, die Israels Verteidigungsminister Benny Gantz im vergangenen Oktober | |
zu „Terrororganisationen“ erklärt hatte. Die Organisationen agierten laut | |
israelischem Verteidigungsministerium als Arm der Volksfront zur Befreiung | |
Palästinas (PFLP), welche in der EU, den USA und in Israel auf der | |
Terrorliste steht. Diese werden maßgeblich aus Europa und vom Auswärtigen | |
Amt unterstützt und finanziert. | |
„Wir nehmen die israelischen Bedenken sehr ernst“, sagte Baerbock, betonte | |
jedoch, dass auch eine starke palästinensische Zivilgesellschaft für sie | |
prioritär sei. Laut Außenminister Lapid ist nun im Gespräch, eine | |
Arbeitsgruppe dazu zu gründen. Möglicherweise könne die so aussehen, dass | |
Projekte gefördert werden, wenn gleichzeitig sichergestellt werde, dass das | |
Geld nicht an Terrororganisationen fließt. | |
In Sachen Siedlungsbau wurde Baerbock ebenfalls deutlich. Der von Israel | |
betriebene Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten sei „mit dem | |
Völkerrecht nicht vereinbar“. In der Zweistaatenlösung, für die sich | |
Deutschland bereits seit Jahren einsetzt, sehe auch die Ampelkoalition | |
[2][die beste Option für ein friedliches Zusammenleben], betonte Baerbock. | |
Sie wisse, dass das Wort Nahostfriedensprozess bei einigen ein mitleidiges | |
Lächeln auslöse. Auch sie mache sich in dieser Hinsicht keine Illusionen, | |
sagte sie erfrischend ehrlich. Die Frage, ob Deutschland und die EU in | |
Zukunft eine veränderte und stärkere Rolle in Nahost spielen werden, blieb | |
damit allerdings offen. Deutschland werde bestmöglich die Wiederaufnahme | |
von direkten Verhandlungen um einen Kompromiss unterstützen, sagte die | |
Außenministerin. Ein weiteres wichtiges Thema auf Baerbocks Agenda sind | |
Kooperationen, um den Klimawandel zu bekämpfen. | |
10 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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