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# taz.de -- Polnische EU-Haftbefehle: EuGH: Auslieferung bleibt möglich
> Gerichte müssen vor einer Auslieferung nach Polen eine zweistufige
> Prüfung anwenden. Betroffene müssen nachweisen, dass ein unfaires
> Verfahren droht.
Bild: Protest in Krakau für die Unabhängigkeit der Justiz in Polen im Janaur …
Freiburg taz | Auslieferungen nach Polen bleiben trotz der zunehmenden
Zweifel an der Unabhängigkeit polnischer Richter grundsätzlich möglich. Das
entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag. Die Auslieferung
nach Polen kann nur unterbleiben, wenn dort im Einzelfall ein unfaires
Verfahren droht.
Konkret ging es um zwei Fälle am Bezirksgericht Amsterdam. Gegen zwei
polnische Männer, die sich in den Niederlanden aufhielten, lagen
EU-Haftbefehle aus Polen vor. Der eine Mann war in Polen bereits wegen
Androhung von Gewalt zu einer Haftstrafe verurteilt worden, der andere
sollte in Polen erst vor Gericht gestellt werden.
Eigentlich sind das Routineverfahren. Aufgrund des 2002 eingeführten
EU-Haftbefehls können flüchtige Straftäter im EU-Ausland festgenommen und
in einem stark vereinfachten Verfahren in einen anderen EU-Staat
ausgeliefert werden.
Doch das Amsterdamer Gericht hatte grundsätzliche Bedenken, Straftäter nach
Polen auszuliefern. So seien mehrere hundert sogenannte Neo-Richter, die
nach 2018 ins Amt kamen, nicht ausreichend unabhängig. Schließlich sei der
Landesjustizrat KRS, der die polnischen Richter auswählt, seit 2018
regierungskonform besetzt. Die Amsterdamer Richter beriefen sich dabei auf
eine Entschließung des Obersten Gerichts Polens, das 2020 unter seiner nun
pensionierten Präsidentin [1][Malgorzata Gersdorf] feststellte, dass der
KRS kein unabhängiges Gremium mehr sei.
## Die Defizite der polnischen Justiz sind unschwer zu belegen
Der EuGH hat den Amsterdamer Vorstoß nun aber zurückgewiesen. Auch künftig
können Auslieferungen nach Polen nicht generell verweigert werden.
Weiterhin müssen Gerichte bei Bedenken einen 2-Stufen-Test anwenden, den
der EuGH bereits 2018 einführte.
In der ersten Stufe geht es um [2][allgemeine Defizite der polnischen
Justiz]. Diese sind unschwer zu belegen. So gibt es mehrere Urteile des
EuGH, auf die sich die Amsterdamer Richter berufen können.
In der zweiten Stufe, die die Amsterdamer Richter eigentlich vermeiden
wollten, kommt es auf das konkrete Strafverfahren an: Sind oder waren hier
polnische Richter beteiligt, die nicht ordnungsgemäß ins Amt kamen?
Informationen, die gegen eine Auslieferung sprechen, muss dabei der
polnische Straftäter vorlegen, der die Auslieferung verhindern will.
Dabei soll laut EuGH nicht einmal der Nachweis genügen, dass im polnischen
Verfahren ein seit 2018 ernannter polnischer Neo-Richter beteiligt war oder
beteiligt sein wird. Vielmehr müsse es zusätzliche Indizien geben, dass im
konkreten Fall kein faires Verfahren zu erwarten ist, etwa Äußerungen der
polnischen Behörden. Es dürfte allerdings nur wenige Fälle geben, bei denen
Behörden schon vor der Auslieferung öffentlich gegen einen Straftäter
hetzen.
Der EuGH begründet seine Zurückhaltung damit, dass es nicht per se
rechtsstaatswidrig ist, wenn ein Richter-Wahlgremium wie der KRS mit
Mitgliedern der Regierung und des Parlaments besetzt ist. Das stimmt
natürlich; auch der deutsche Richterwahlausschuss, der die Bundesrichter
wählt, besteht aus Abgeordneten und Landesjustizministern. Doch während das
deutsche System zu einer pluralistisch besetzten Justiz führt, ist der
polnische KRS seit 2018 regierungskonform besetzt und verhindert damit
Pluralismus in der Justiz.
Die EuGH-Entscheidung dient also offensichtlich vor allem dazu, die
Justizzusammenarbeit zwischen Polen und dem Rest der EU möglichst
weitgehend aufrechtzuerhalten. Einen ähnlichen Vorstoß des Amsterdamer
Bezirksgerichts hatte der EuGH Ende 2020 mit diesem Argument
zurückgewiesen.
23 Feb 2022
## LINKS
[1] /Umsetzung-der-Justizreform-in-Polen/!5515701
[2] /EuGH-verurteilt-Polen/!5811513
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Polen
Europäischer Gerichtshof
Justizreform
Polnische Justizreform
Haftbefehl
Auslieferung
EuGH
Ungarn
EuGH
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