| # taz.de -- Union will Pflege-Impfpflicht aussetzen: Die Opposition erwacht | |
| > Die Union macht eine Kehrtwende und will die Impfpflicht für das | |
| > Gesundheitswesen aussetzen. Kritik kommt von Gesundheitsminister Karl | |
| > Lauterbach. | |
| Bild: Keine Zeit zu träumen: Karl Lauterbach am Dienstag bei der Pressekonfere… | |
| Er sei überrascht von Söders Vorstoß gewesen, sagte | |
| Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag bei der | |
| Bundespressekonferenz. Er wirkte ruhig, während er sprach, doch innerlich | |
| brodelte er bestimmt. Denn was Markus Söder (CSU) am Montag ankündigte, war | |
| kaum vorhersehbar. | |
| Der Ministerpräsident will die Impfpflicht für Beschäftigte im | |
| Gesundheitswesen in Bayern aussetzen. Mit seiner Überraschung ist | |
| Lauterbach sicher nicht allein, denn bisher gab sich der CSU-Vorsitzende | |
| und bayerische Ministerpräsident als Verfechter einer harten Linie in | |
| Sachen Coronapolitik. | |
| Anfang Dezember forderte er beispielsweise noch steigende Zwangsgelder für | |
| jene, die gegen eine potenzielle Impfpflicht verstoßen. Auch der | |
| einrichtungsbezogenen Impfpflicht für das Gesundheitswesen stimmte Söder | |
| für den Freistaat Bayern zu, in einer eigens dafür einberufenen | |
| Sondersitzung des Bundesrats. | |
| Dadurch müssen alle, die in Kliniken, Arztpraxen oder Alten- und | |
| Pflegeheimen arbeiten, [1][bis zum 15. März ihre Corona-Impfung] nachweisen | |
| können. „Team Vorsicht“ nannte der CSU Generalsekretär Markus Blume damals | |
| die Linie von Söder. | |
| ## Wenig Personal in der Pflege | |
| Doch in dieser Woche änderte Söder seine Position: Bayern will die ab Mitte | |
| März vorgesehene einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht umsetzen. Das | |
| begründete er mit der schwierigen Personalsituation in der Pflege. | |
| Schon seit Jahren fehlt es dort an Mitarbeiter*innen. In der Pandemie nahm | |
| die Belastung der Pflegekräfte noch mehr zu. Viele Pfleger*innen | |
| kündigten. Die Impfpflicht würde das nur noch weiter verschärfen, | |
| argumentiert Söder. Und die CDU unterstützt seine Position. | |
| So fordert nun auch der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz, die | |
| einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen, weil die Bundesregierung | |
| Einrichtungen und Beschäftigte mit der Impfpflicht allein lasse. Auch das | |
| kam überraschend. Denn bisher schienen sich die demokratischen Parteien im | |
| Bundestag bei dem Thema relativ einig. | |
| Das zeigt auch das Abstimmungsergebnis des im Dezember verabschiedeten | |
| Gesetzes: 569 Jastimmen, 79 Neinstimmen und 38 Enthaltungen. Doch offenbar | |
| kommt die CDU in ihrer Rolle als größter Oppositionspartei im Bundestag an | |
| und wettert gegen die Pläne der Ampelkoalition. | |
| ## Impfpflicht lasse viele Fragen offen | |
| Lauterbach gab sich sichtlich irritiert. Die einrichtungsbezogene | |
| Impfpflicht sei keine Schikane gegenüber Pfleger*innen, sondern weiterhin | |
| das richtige Mittel, um vulnerable Personen zu schützen. Ähnlich | |
| formulierte das der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, | |
| Tino Sorge, vor einem Monat: „Ebenso gefährlich wie Personalmangel wäre es, | |
| Patienten durch ungeimpftes Personal betreuen zu lassen.“ An der Position | |
| habe sich auch heute nichts geändert, beteuert sein Pressesprecher auf | |
| Nachfrage. Trotzdem forderte Sorge diese Woche in der Bild, die Länder | |
| sollten die Impfpflicht vorläufig aussetzen. | |
| Von Verbänden kamen gemischte Reaktionen. Natalie Sharifzadeh vom Deutschen | |
| Berufsverband für Pflegeberufe kritisierte den Vorstoß der Union als | |
| verheerendes Signal. Abseits der Gefahr für Patient*innen sorge es für | |
| politische Unsicherheit, auch gegenüber den Pflegekräften. | |
| Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes und frühere CSU-Politikerin | |
| Gerda Hasselfeldt zeigte hingegen Verständnis für Söders Vorstoß. Sie sagte | |
| gegenüber dem RBB-Inforadio, dass die Impfpflicht noch viele Fragen offen | |
| lasse. | |
| In der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) im Januar war die | |
| einrichtungsbezogene Impfpflicht Thema. Die Bundesländer sprachen sich | |
| damals gemeinsam dafür aus. „Auch Bayern“, wie die Vorsitzende der GMK und | |
| Gesundheitsministerin aus Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne (SPD), an | |
| diesem Dienstag betont. | |
| ## Gesundheitsämter ebenfalls überlastet | |
| Unklarheiten diskutierten die Minister*innen der Länder aber dennoch in | |
| der GMK, denn auch für sie war vieles noch uneindeutig. In ihrem Beschluss | |
| baten sie das Bundesministerium für Gesundheit etwa, näher zu definieren, | |
| was im Gesetz mit „vergleichbare Einrichtungen“ gemeint sei. | |
| Es müsse auch noch einheitlich abgestimmt werden, welche Abwägungskriterien | |
| die Gesundheitsämter berücksichtigen sollen. Denn sie sollen die | |
| Impfpflicht letztlich durchsetzen und Tätigkeitsverbote aussprechen.Aber | |
| auch bei [2][den Ämtern ist die Personalsituation] derzeit angespannt. | |
| Darum sei auch wichtig, die Gesundheitsämter möglichst zu entlasten. | |
| Lauterbach bot in der Pressekonferenz am Dienstag an, bei Problemen die | |
| Länder und Gesundheitsämter zu unterstützen. Doch aus Bayern habe er noch | |
| keine Anfrage erhalten. | |
| Unverständlich sei für Lauterbach auch, warum Markus Söder mehr Zeit | |
| fordere. Das Gesetz besagt zwar, dass ungeimpfte Beschäftigte im | |
| Gesundheitswesen nach dem 15. März von ihrer Leitung beim Gesundheitsamt | |
| gemeldet werden müssen – aber für weitere Konsequenzen gebe es keine Frist. | |
| „Tatsächlich hätte man sich in Bayern meinetwegen einen Monat Zeit lassen | |
| können“, resümierte der Gesundheitsminister. Dass Bayern die Impfpflicht | |
| auf unbestimmte Zeit aussetzen will, sei in der Hoffnung begründet, „dass | |
| nach Omikron das alles vorbei ist“, glaubt Lauterbach. | |
| ## Andere CDU-geführte Länder weiter dafür | |
| Andere CDU-geführte Bundesländer wie Sachsen, Schleswig-Holstein und | |
| Sachsen-Anhalt gaben gegenüber der taz an, auch weiterhin die | |
| einrichtungsbezogene Impfpflicht zu begrüßen und umzusetzen. Doch auch sie | |
| betonten: Es gibt noch offene Fragen und die müssen vor dem Start der | |
| Impfpflicht geklärt werden. | |
| Fraglich bleibt aber, ob die von Markus Söder losgetretene Diskussion | |
| Folgen für die allgemeine Impfpflicht hat. Bisher hieß es aus dem | |
| Bundesgesundheitsministerium, „dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht | |
| nur der erste Schritt zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist“. | |
| Doch wenn eine Impfpflicht für alle kommen sollte, dann gäbe es noch viel | |
| mehr zu klären. Karl Lauterbach zeigte sich mit Blick auf die Forderungen | |
| der Union gelassen: „Das bedeutet zunächst für die allgemeine Impfpflicht | |
| gar nichts.“ Im Laufe der Woche erwarte er konkrete Gesetzentwürfe aus dem | |
| Bundestag. Vielleicht ist Lauterbach da ein Stück zu entspannt. | |
| 8 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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