Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Guerilla-Aktion mit Songs als NFTs: Nicht der Hit
> Auf einer US-Website wurden Urheberrechte von Songs auf Spotify
> kurzzeitig als Non-Fungible Tokens zum Verkauf angeboten. Was war das
> Ziel?
Bild: Du erblickst einen Stern, der dir so gut gefällt, dass du ihn am liebste…
Stell dir vor, du liegst in der Nacht auf einer weiten Wiese. Der Himmel
ist klar. Du schaust nach oben und erblickst einen Stern, der dir besonders
gut gefällt. So sehr, dass du ihn am liebsten besitzen möchtest.
Internetseiten wie [1][Online Star Register] machen genau das möglich. Hier
kannst du deinen Stern kaufen, der Einstiegspreis ist 24 Euro („Perfekt als
Last-Minute-Geschenk“, verspricht die Website). Ändert das etwas an deinem
Himmelskörper? Nein. Hält dein Besitz andere Menschen davon ab, den
gleichen Stern anzugucken? Nein. Was hat diese Transaktion dir also
gebracht? Ein Zertifikat, auf dem steht, dass dieser Stern dir gehört.
So in etwa funktionieren [2][Non-Fungible Tokens, kurz NFTs]. Dahinter
verbirgt sich das Versprechen, dass ein digitales Objekt – etwa ein Bild
oder ein Song – dir gehört. Da es sich hier um nicht greifbare
Aneinanderreihungen von Einsen und Nullen handelt, geht es hier um ein
abstraktes, fast schon esoterisches Gefühl von Besitz. Die Technologie
hinter NFTs ist extrem komplex, ein Dickicht aus K[3][rypto-Fangwörtern wie
Ethereum, Blockchain] und Web3. Befürworter sehen jene NFTs als Rettung des
Kunstmarkts – und als große Geldquelle, denn mit dem Spekulieren auf diese
Zertifikate („Tokens“) lässt sich gutes Geld verdienen. Kritische Stimmen
betrachten NFTs als äußerst unsichere, extrem energieaufwendige und demnach
klimaschädliche Luftschlösser.
Bisher existierten NFTs in ihrer eigenen Bubble. Krypto-Enthusiasten
schieben sich künstlerisch fragwürdige JPEGs von Cartoon-Affen hin und her
– für mitunter astronomische Summen. Doch vor wenigen Tagen schlug ein
US-Tech-Start-up in den Mainstream ein.
## Startpreis 100 US-Dollar
Die Rede ist von Hitpiece, einer Website, die sich auf die Versteigerung
von Musik-NFTs spezialisiert hatte. Am 1. Februar gingen die Gründer aber
ein paar Schritte zu weit: Hitpiece bot urplötzlich einen großen Teil des
Spotify-Katalogs zum Verkauf an. Egal ob Elton John, Billie Eilish oder die
Indie-Band von nebenan: Für den Startpreis von 100 US-Dollar konnte auf
viele der auf der Streaming-Plattform verfügbaren Hitsongs geboten werden.
Dass das illegal ist, sollte außer Frage sein. Denn keine*r der
Künstler*innen hatte dazu eingewilligt. Diese Dreistigkeit konnte nicht
lange bestehen. Schöpfer*innen der auf Hitpiece verscherbelten Kunst
zeigten sich bestürzt: So schrieb US-Musiker Ted Leo von
„spätkapitalistischen Aasfressern“, die „uns das letzte Knochenmark
aussaugen“. Binnen weniger Stunden nahm Hitpiece die Auktionen wieder von
ihrer Website.
Nachdem der US-Musikindustrieverband Recording Industry Association of
America (RIAA) am Wochenende rechtliche Schritte ankündigte, entschuldigte
sich Hitpiece: Unsere „Mission ist es, spaßige Erlebnisse für Musikfans im
Metaverse anzubieten und neue Einnahmequellen für Künstler*innen zu
generieren“.
## MC Serch von 3rd Bass
Dachten die Gründer von Hitpiece wirklich, mit dieser Aktion durchzukommen?
Es wäre naiv, zu glauben, dass hinter diesem Fiasko nur Unbeholfenheit
steckt. Einer der Gründer ist Rory Felton, Gründungsmitglied der American
Association of Independent Music und Chef des später von Sony aufgekauften
Labels The Militia Group. Ein anderer ist MC Serch, Rapper der New Yorker
HipHop-Crew [4][3rd Bass] und ein Veteran des US-Musikbiz. Hinter Hitpiece
stecken also Macher, die genau wissen, wie der [5][Musikmarkt] – und das
Urheberrecht – funktioniert.
Was ihr Coup auf jeden Fall bewirkt hat: Von einem Moment auf den anderen
wurden unzählige Musiker:innen und Labels mit dem Thema NFTs
konfrontiert. Ein Nischenthema wurde mit Massenwirkung auf einmal relevant.
Wenn von 100 Personen 99 allergisch auf die Hitpiece-Aktion reagieren,
bleibt vielleicht eine, die das Konzept reizvoll findet.
Auch bislang gegenüber NFTs gleichgültig eingestellte Major-Labels könnten
nun hellhörig geworden sein – oder sogar selbst in den Krypto-Markt
einsteigen, damit bloß niemand anderes mit „ihren“ Werken Geld verdienen
kann. Hitpiece haben durch maximale Dreistigkeit ein paar neue Kunden für
ihren Sternenhandel gewonnen.
8 Feb 2022
## LINKS
[1] https://osr.org/de/?gclid=EAIaIQobChMIr8bGh_7v9QIVSgKLCh0bIw5EEAAYASAAEgIvY…
[2] /Hype-um-digitale-NFT-Kunstwerke/!5779827
[3] /Digitale-Klassengesellschaft/!5790029
[4] https://www.youtube.com/watch?v=sA4UjN9mf0w
[5] /Wie-TikTok-das-Musikverhalten-aendert/!5747674
## AUTOREN
Marius Magaard
## TAGS
Musikindustrie
Kryptowährung
Blockchain
Spotify
USA
NFT
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Kulturbeutel
Blockchain
Bitcoin
TikTok
## ARTIKEL ZUM THEMA
Blockchain-Experte über Kryptospenden: „Das Geld ist sofort da“​
Auch Kryptowährungen lassen sich an die ukrainische Regierung spenden.
Ökonom Philipp Sandner über die Chancen und Risiken dieser neuen Art des
Spendens.
Digitalisierte Fankultur um Fußball: Sicher in der Fanblockchain
Auch das Fußballbusiness setzt jetzt auf Kryptowährungen. Eine solche
braucht, wer seinen Klub durch den Erwerb von Fan-Tokens nah sein möchte.
Hype um digitale NFT-Kunstwerke: Virtuelles Nichts oder Kunst?
Zertifikate sollen an sich kopierbare Digitalkunst zu Unikaten machen.
Unser Autor hat sich solch ein NFT-Werk gekauft und war genervt.
Meme-Verkauf per NFT: Eher Rausch als Gold
Internet-Memes wie das Video „Charlie Bit My Finger“ werden jetzt mittels
digitaler Zertifikate teuer verkauft. Aber auch hier gilt: Vorsicht Hype!
Wie TikTok das Musikverhalten ändert: Die Challenge der Demenz
Durch Tiktok wird ein Postbote zum Popstar und die Aufmerksamkeitsspanne
auf 15 Sekunden verkürzt. Auch ein Ambient-Werk wurde dort gehypt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.