# taz.de -- Volkspark Friedrichshain umgestaltet: Ein bisschen mehr Natur | |
> Der Volkspark Friedrichshain wird „naturnah“ umgestaltet. Am Großen | |
> Bunkerberg sind die Maßnahmen abgeschlossen. Jetzt kommt der Kleine an | |
> die Reihe. | |
Bild: Oliver Voge (li.) und Stadträtin Annika Gerold (re.)beim Rundgang auf de… | |
BERLIN taz | Es ist ein bisschen wie in dem Roman „Die Vermessung der Welt“ | |
von Daniel Kehlmann, halt nur im kleinen, eben im lokalen Rahmen: Im Herbst | |
2019, vor Beginn der Sanierungsmaßnahmen im Volkspark Friedrichshain, | |
wurden die Höhen der beiden Bunkerberge aus den zur Verfügung stehenden | |
Vermessungskarten neu bestimmt, damit die geplanten Baumaßnahmen korrekt | |
ausgeschrieben werden können. | |
Finden sich doch in vielen Publikationen und im Internet zu den | |
Bunkerbergen unterschiedliche Höhenangaben. „Da wird der Große Bunkerberg | |
schon mal auf bis zu 86 Meter geschätzt“, sagt Oliver Voge. Real ist der | |
jedoch nur 78 Meter hoch und damit trotzdem die höchste Erhebung im Bezirk. | |
Und der Kleine Bunkerberg wurde bisher meist mit 68 oder 72 Meter Höhe | |
angegeben. „Exakt ist er jedoch nur 67,5 Meter hoch.“ | |
Oliver Voge erzählt das auf dem Weg zum Großen Bunkerberg hinauf. Er | |
schreitet schnell voran. Die kleine Entourage kommt kaum hinterher. Wir – | |
vier Vertreter:innen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg und der | |
Autor dieses Textes – sind hier, weil der ach so stark frequentierte | |
[1][Volkspark Friedrichshain eine Art Generalüberholung] verpasst bekommt. | |
Schon länger. Man sieht es dem Park ja an. | |
Was alles geplant, was schon geschehen und was noch umgesetzt werden soll, | |
hatte sich die taz bereits [2][im Februar vergangenen Jahres bei einem | |
langen Spaziergang] durch den Park erklären lassen. Mit dabei war Clara | |
Herrmann, die heutige Bezirksbürgermeisterin, damals als grüne | |
Bezirksstadträtin neben Finanzen und Kultur auch für die Umwelt und damit | |
die Parks zuständig. Und eben Oliver Voge, Sachgebietsleiter Natur- und | |
Bodenschutz sowie Landschaftsplanung im Bezirksamt | |
Friedrichshain-Kreuzberg. | |
## „Die sind ja weiter, als ich dachte“ | |
Diesmal ist die Gruppe größer. Die neue Stadträtin Annika Gerold (Grüne) | |
ist dabei, ihr Ressort hat einen neuen Zuschnitt, sie ist für Verkehr, | |
Grünflächen, Ordnung und Umwelt zuständig. Sie hat ihre Referentin (auch | |
neu im Job) und einen Vertreter der Pressestelle des Bezirksamts im | |
Schlepptau. Alle drei sind mit dem Umgestaltungsprojekt des | |
Friedrichshainer Volksparks nicht vertraut. Der Termin mit der taz ist also | |
eine gute Gelegenheit, das zu ändern. Oliver Voge übernimmt wie seinerzeit | |
kundig die Führung. Und staunt. „Die sind ja weiter, als ich dachte“, sagt | |
Voge, er sei länger nicht hier gewesen. Aber der Reihe nach. | |
Vom Treffpunkt Märchenbrunnen geht es den Großen Bunkerberg hinauf. Nach | |
ein paar überwundenen Höhenmetern bleibt Voge und damit der kleine Tross | |
das erste Mal stehen. Der Wind heult uns um die Ohren. | |
„Am Großen Bunkerberg sind die meisten Arbeiten schon abgeschlossen“, | |
berichtet Voge und zeigt auf einen Baum, der offensichtlich beschnitten | |
wurde. „Hier sieht man eine für die Bunkerberge ganz typische Graupappel, | |
ein natürliches Hybridgehölz aus Silber- und Zitterpappel.“ Es handelt sich | |
„um einen Baum, der hier im Park kaum eine Zukunft hat“. | |
## Das Problem mit den „Problembäumen“ | |
Keine Zukunft? Was ist das Problem? „Pappeln sind Weichhölzer“, erklärt | |
Voge. Und holt aus: „Das Grünflächenamt ist für die Verkehrssicherheit im | |
Park zuständig. Gerade im Bereich der Wege muss deshalb sehr früh und sehr | |
häufig mit Schnittmaßnahmen in den Gehölzbestand eingegriffen werden. An | |
den Schnittstellen kommt es dann zu Rücktrocknungsprozessen“, sagt Voge, | |
„oder Krankheitserreger dringen in das Holz ein.“ | |
Die Schnittstellen würden weiter nach innen faulen, so Voge weiter. „Und | |
die neu ausgetriebenen Äste an den Schnittstellen sind irgendwann | |
übergewichtig und brechen aus, sodass die Kappungsstellen aus | |
Verkehrssicherungsgründen meist regelmäßig nachgeschnitten werden müssen. | |
Das Schneiden schwächt die Bäume, auch wenn Pappeln dies noch Jahrzehnte | |
aushalten können.“ | |
Pappeln werden an diesem Standort bis auf wenige Ausnahmen trotzdem im | |
Durchschnitt nur 60 Jahre alt. Bei diesen Bäumen handelt es sich um die | |
Pioniergehölze, aber auch Robinien, Spitz- und Feldahorn wurden in den 50er | |
Jahren gepflanzt. „Die Bäume sollten damals nach dem Krieg schnell wachsen | |
und die Hänge der Bunkerberge begrünen und sichern“, erzählt Voge. Das hat | |
auch hervorragend geklappt, nun sieht das Sanierungskonzept jedoch neue | |
zukunfts- und klimabeständige Baumgesellschaften vor. | |
Gerade an den lichten Stellen lässt sich auch für den Laien gut erkennen, | |
was dafür alles schon getan wurde. | |
## Auch in diesem Jahr wird Neues gepflanzt | |
Am [3][Großen Bunkerberg] wurden hier und da großen Bäume und das | |
Stangenholz entnommen, Sträucher stark beschnitten oder entfernt. In | |
einigen Arealen liegen in Abständen von ein paar Metern Holzstämme wie eine | |
Art riesige Freitreppe am Hang. Rund herum sind Heister gepflanzt, so der | |
fachmännische Begriff für einjährig verschulte Triebe eines Baums. Tausende | |
Sträucher und Heister wurden bereits eingesetzt, nicht alle haben die | |
trockenen Sommer überlebt. | |
„In diesem Jahr wird die Neubepflanzung weitergeführt. Wieder kommen | |
Hunderte Heister und Sträucher in die Erde“, sagt Voge. „Damit die | |
Sträucher eine Anwuchschance haben, werden die Pflanzgebiete temporär | |
eingezäunt, die Parkbesucher werden mit Informationsschildern über die | |
Maßnahmen informiert.“ Temporär heißt: für fünf Jahre. | |
Was für Sträucher werden eigentlich gepflanzt? „Je nach Hangseite ist das | |
etwas unterschiedlich“, sagt Voge. „Ganz typische, meist gebietsheimische | |
Sträucher mit unterschiedlichen Blühzeiten wie zum Beispiel Hartriegel, | |
Haselnuss, Kornelkirsche und wilde Johannisbeere.“ | |
## Hoch zum Plateau! | |
Und jetzt die letzten Meter hoch zum Plateau. Das war das vergangene Jahr | |
über wegen Sanierung gesperrt und ist nun längst wieder zugänglich. Und, um | |
ehrlich zu sein, enttäuscht dann doch ob seiner Schlichtheit. Okay, da alle | |
Maßnahmen im – wie es so schön heißt – Einklang mit dem Denkmalschutz | |
stehen müssen, ging das wohl nicht anders. Was wurde getan? | |
„Die Straße ist neu gepflastert worden“, zählt Voge die einzelnen Arbeiten | |
auf. „Die Treppe wurde ausgebessert und ergänzt und mit einem stufenlosen | |
Aufgang ergänzt. Das Plateau kann man nun fast barrierefrei erreichen. Auch | |
die Randbefestigung wurde mit musterähnlichen Steinen denkmalgerecht | |
erneuert.“ | |
Oben auf dem Plateau stehen alte Linden – doch eine fehlt, nur die | |
Steineingrenzung der Baumscheibe ist zu sehen: „Die Linde musste gefällt | |
werden“, weiß Voge zu berichten. „Eine neue soll gepflanzt werden.“ | |
Immerhin liegt hier oben einem die halbe Stadt quasi vor den Füßen. Noch | |
vor drei Jahren war der Fernsehturm vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Nun | |
aber sind Sichtachsen geschlagen worden. Wieder: „Die Sichtachsen | |
orientieren sich an der Ursprungsidee der Parkgestaltung aus den 50er | |
Jahren“, erläutert Voge das Vorgehen. Man kann in alle Himmelsrichtungen | |
gucken. „Ein Kompromiss“, erläutert Voge das Vorgehen. | |
Das bedeutet, dass der Denkmalschutz auf diese Sichtachsen bestand? | |
„Genau“, bestätigt Voge die Frage, „die ökologische Sanierung des | |
Volksparks erfolgt ja auch unter Denkmalschutzgesichtspunkten. Es sind | |
genau die Sichtachsen, die mit der Erstgestaltung in den 1950er Jahren | |
angelegt wurden.“ Ein Hotspot für Tourist:innen und Anwohner:innen, | |
keine Frage, das war schon immer so – und jetzt umso mehr. „Abends, wenn | |
Sonnenuntergang ist, kann man hier super sitzen“, sagt Voge, „da ist | |
richtig was los.“ Hier oben, auf dem Dach von Berlin, entstehen viele Fotos | |
und Selfies. | |
## Der Kleine Bunkerberg | |
Stadträtin Annika Gerold wirft an dieser Stelle passend in die Runde, dass | |
der naturnah umgestaltete Volkspark und der neu gestaltete Aussichtspunkt | |
„ein Mehr an Lebensqualität für die Anwohner“ bedeutet, man kann hier „… | |
Blick schweifen lassen. Das hat schon einen Naherholungseffekt.“ | |
Bleibt noch der Abstecher auf den Kleinen Bunkerberg. Wir nehmen jetzt | |
nicht den flach ansteigenden, mäandernden Weg nach oben, sondern die | |
Treppe, das geht am schnellsten. Man sieht deutlich, dass sie noch im alten | |
Zustand ist. Und auch am Bestand der Bäume und Sträucher ist noch nicht so | |
viel passiert. | |
„Hier am Kleinen Bunkerberg werden noch bauliche Anlagen erneuert, | |
insbesondere Wege, und die Randbefestigung die Treppen entlang nach oben, | |
die genauso denkmalgerecht erneuert werden wie am Großen Bunkerberg. Dort | |
sind diese Maßnahmen ja bereits abgeschlossen.“ | |
Voge weist auf ein größeres Areal mit viel Efeu neben der Treppe. „Der | |
wächst hier sowohl an den Bäumen als auch auf dem Boden.“ Und das wäre gut. | |
„Hier findet man einen sehr großen Weinbergschneckenbestand, wahrscheinlich | |
ist es der Größte im Bezirk. Aber auch für bestimmte Insekten insbesondere | |
für die Seidenbiene ist Efeu als Nahrungsquelle auf Grund seiner späten | |
Blütezeit unverzichtbar.“ | |
## Die Sache mit den Nadelbäumen | |
Auf dem Areal des Kleinen Bunkerbergs stehen immer wieder ein paar | |
Nadelbäume, die trockenen Jahre haben ihnen sichtlich zugesetzt. Müsste man | |
Kiefern und weitere immergrüne Bäume eines Tages fällen, würden wieder | |
Nadelbäume gepflanzt, erzählt Voge, auch das sieht das Schutz-, Pflege- und | |
Entwicklungskonzept (SPE) vor. | |
An dieser Stelle kommt Unmut auf. Karolin Behlert, umweltpolitische | |
Sprecherin der Fraktion der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung | |
Friedrichshain-Kreuzberg, sagt auf Anfrage der taz: „Generell befürworten | |
wir das SPE als nachhaltige Pflege- und Umgestaltungsmaßnahme einer unserer | |
wenigen Grünanlagen im Bezirk, der ja bekanntlich die wenigsten Grünflächen | |
berlinweit hat – und gleichzeitig am dichtesten besiedelt ist.“ | |
Aktuell falle ihr „nur ein Haken am SPE auf“, sagt Behlert. „Wenn | |
Nadelgehölze gefällt werden müssen, sollen sie gemäß dem | |
Erstbepflanzungskonzept immer wieder durch Nadelgehölze ersetzt werden. | |
Diese haben in unseren Breiten aber eigentlich nichts zu suchen.“ | |
Auf dem Erstbepflanzungskonzept zu beharren hält sie daher für überholt. | |
„Vielmehr sollte der Bezirk seinem 2014 beschlossenen Konzept des essbaren | |
Bezirks dann mehr gerecht werden. Wieso nicht Obstbäume pflanzen, wo vorher | |
eine Konifere stand?“ | |
Oben auf dem Plateau des Kleinen Bunkerbergs angekommen, wartet so etwas | |
wie ein kleines Paradies. Denn hier ist etwas Wunderbares entstanden und im | |
letzten Sommer erblüht – im übertragenen wie wahren Sinne: Hier haben | |
Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten ein Refugium. | |
## Refugium für Insekten | |
Es gibt Stapel von Totholz, offene Sandflächen – wo gibt es die sonst | |
schon? – gebietsheimische ein- und zweijährigen Blumen und Stauden (heißt: | |
sie stammen aus Brandenburg), dazu wachsen Schlehen und Wildrosen entlang | |
eines Zauns, der das Gelände schützt. | |
Kinder und alle anderen, die das wollen, können hier Wildbienen und Co | |
studieren. Ein begehbarer Lernort, der bisher noch nicht regelmäßig | |
geöffnet ist. „Perspektivisch wird es aber einen eingezäunten Weg über | |
diese Blühfläche geben“, sagt Voge. Er selbst hat zum Beispiel ein | |
Käferhaus gebaut. „Das ist einfach ein altes Tonrohr, welches ich im Wald | |
gefunden und mit Rinde und Moos gefüllt habe.“ | |
Es gibt ein Sandarium, also eine sandige Fläche für Wildbienen, die ihre | |
Eier in den Boden legen, eine Sonnensteinbank für die wärmeliebenden | |
Insekten und eine Wasserstelle, auch die werden ja immer weniger – mit der | |
gibt es allerdings ein Problem, lacht Voge: „Die muss im Sommer natürlich | |
regelmäßig aufgefüllt werden!“ Wie die Wassertränken auf dem Balkon oder … | |
Vorgarten. | |
Und am Fuße der alten Rodelbahn – wir sind schon wieder in Richtung | |
Märchenbrunnen, unserem Ausgangsort, unterwegs, hält Voge ein letztes Mal | |
inne: „Hier werden im Frühjahr Wildobstsorten gepflanzt“, sagt er und zeigt | |
auf im Boden sichtbare kreisförmige Areale, wo schon Bodenmaterial für die | |
Anpflanzung ausgetauscht wurde. „29 verschiedene Wildobstgehölze werden | |
hier in Form eines dichten Hains gepflanzt, zum Beispiel Quitte, Schlehe, | |
Wildapfel, Felsenbirne. Also keine Ertragsobstgehölze, sondern | |
Wildobstgehölze.“ Jetzt im März geht das große Pflanzen los. | |
17 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/ae… | |
[2] /Umbau-von-Parks-wegen-der-Klimakrise/!5756554 | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Bunkerberg | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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