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# taz.de -- Vermeintlicher Linksextremismus: Was ist „geistige Offenheit“?
> Das Zentrum DemoZ in Ludwigsburg kämpft um den Status der
> Gemeinnützigkeit. Das Finanzamt hatte dem Verein bescheinigt, zu links zu
> sein.
Bild: Ein Demonstrant im Attac-Shirt bei einer Demo vor dem Hauptwerk von Tönn…
Freiburg taz | Das Demokratische Zentrum (DemoZ) Ludwigsburg wehrt sich
gegen den Verlust seiner Gemeinnützigkeit. An diesem Mittwoch wird beim
Finanzgericht Stuttgart eine sogenannte Untätigkeitsklage eingereicht, die
der taz vorliegt. Das DemoZ ist das soziokulturelle Zentrum von
Ludwigsburg, einer Stadt mit knapp 100.000 Einwohner:innen nördlich von
Stuttgart. Das DemoZ hat ein klar linkes Selbstverständnis und sein
Programm wird von einem Kreis von rund 15 Ehrenamtlichen gestaltet. Seit
seiner Gründung 1980 war es als gemeinnützig anerkannt.
Im November 2019 entzog jedoch das Finanzamt Ludwigsburg dem DemoZ die
Steuerbegünstigung. Das Zentrum erfülle seinen Gemeinnützigkeitszweck, die
politische Bildung, nicht „in geistiger Offenheit“. Untergruppen des DemoZ
strebten vielmehr eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ an.
Gemeint sind hier insbesondere das Libertäre Bündnis (LB) und die Freie
Arbeiter-Union (FAU). Das Kriterium der „geistigen Offenheit“ entnahm das
Finanzamt einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom Januar 2019. Damals
hatte der BFH als höchstes deutsches Finanzgericht der
[1][globalisierungskritischen Organisation Attac den Entzug der
Gemeinnützigkeit] bestätigt. Wer Kampagnen für politische Ziele durchführe,
betreibe keine politische Bildung, war der Kerngedanke des Attac-Urteils.
Die Anwälte des DemoZ legten zwar sofort Einspruch gegen den Entzug der
Gemeinnützigkeit ein, doch darüber hat das Finanzamt bis heute – rund zwei
Jahre später – noch nicht entschieden. Deshalb wird nun eine
Untätigkeitsklage erhoben.
Das DemoZ hält seine Gemeinnützigkeit auch nach dem Attac-Urteil für
gegeben, denn es verfolge keine politischen Ziele. „Seine
Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich auf die Bekanntmachung seiner
Veranstaltungsprogramme“, heißt es in der Klage-Begründung. Der Verein
fördere vielmehr „eine offene Diskussion politischer Fragen“.
## Ein Demoaufruf ab und zu ist ok
Der BFH habe „keine apolitische Neutralität“ gefordert, so die
Kläger:innen. Außerdem sei es mit der Gemeinnützigkeit vereinbar, dass sich
einzelne Mitglieder des DemoZ in kapitalismuskritischen oder
antifaschistischen Gruppen wie dem LB oder der FAU engagieren und mit ihren
Positionen das Veranstaltungsprogramm mitgestalten. Es liege in der Natur
eines ehrenamtlich organisierten und selbstverwalteten Vereins, dass sich
Menschen mit ihren eigenen Interessen und Positionen einbringen.
Die DemoZ-Klage wird wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung von der
Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt. „Der Fall zeigt, wie
gefährlich das Kriterium der ‚geistigen Offenheit‘ sein kann“, sagte
GFF-Juristin Vivian Kube.
Im Koalitionsvertrag der [2][Ampelkoalition] sind gesetzliche
Klarstellungen geplant. Zwei Punkte haben die Finanzminister:innen
von Bund und Ländern in ihrem Anwendungserlass zum Gemeinnützigkeitsrecht
Ende Januar bereits geändert. So wird klargestellt, dass ein Verein auch
über seinen Satzungszweck hinaus „vereinzelt zu tagespolitischen Themen
Stellung“ nehmen darf. Ein Sportverein darf also gelegentlich zu einer
antirassistischen Demo aufrufen. Außerdem darf sich eine Organisation für
ihre gemeinnützigen Ziele auch mit politischen Mitteln einsetzen, so der
novellierte Erlass. Bisher war dies eine Grauzone.
Das Bündnis „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig“ hält die Änderung des
Erlasses für unzureichend, weil er nur die Finanzämter, nicht aber die
Finanzgerichte bindet. Erforderlich sei eine gesetzliche Klarstellung in
der Abgabenordnung.
9 Feb 2022
## LINKS
[1] /Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5754363
[2] /Podcast-Bundestalk/!5833330
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Gemeinnützigkeit
Linksextremismus
Zivilgesellschaft
Demonstration
Schwerpunkt AfD
VVN-BdA
Antifaschismus
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