# taz.de -- Tod nach Polizeieinsatz in Hamburg: Ein Toter und einige offene Fra… | |
> Ein psychisch verwirrter Mann ist kurz nach seiner Festnahme in Hamburg | |
> gestorben. Eine Obduktion soll nun nach Gründen suchen. | |
Bild: Auf dem Foto nur eine Übung, aber Festnahmen sind häufig mit körperlic… | |
BREMEN taz | In Hamburg ist ein Mann nach einer gewaltsamen Festnahme durch | |
die Polizei gestorben. Der 33-jährige war polnischer Staatsbürger und | |
offenbar in einem verwirrten Zustand. Ob der Tod mit dem Eingreifen der | |
Polizei zusammenhängt oder andere Ursachen hat, steht noch nicht fest. | |
Am frühen Mittwochmorgen war die Polizei in den Stadtteil Bramfeld gerufen | |
worden. Ein Passant hatte beobachtet, so heißt es in der Pressemitteilung | |
der Polizei, wie der 33-Jährige immer wieder auf die Fahrbahn der | |
Steilshooper Allee rannte und vor fahrende Autos lief. Vor den | |
Beamt:innen versuchte er zu flüchten, sie stellte ihn. „Hochaggressiv“ | |
habe er sich verhalten, schreibt die Polizei, und: „Er wurde unter Einsatz | |
körperlicher Gewalt zu Boden gebracht und gefesselt.“ | |
Man habe ihn daraufhin „zur Behandlung seines unklaren | |
Gesundheitszustandes“ mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus bringen | |
lassen. Mit Gesundheitsschäden durch den Einsatz selbst habe diese | |
Entscheidung nichts zu tun gehabt, schreibt die Pressestelle der Polizei | |
auf Nachfrage. Anlass sei vielmehr das auffällige Verhalten des Mannes | |
gewesen. Im Krankenhaus musste der 33-Jährige reanimiert werden – | |
erfolglos, er starb. | |
Welche Maßnahmen „körperlicher Gewalt“ die Beamt*innen konkret angewandt | |
haben und wie viel Zeit zwischen dem Einsatz und dem Tod vergangen ist, | |
dazu gibt es keine öffentlichen Informationen – beides sei noch „Gegenstand | |
der weiteren Ermittlungen“, sagt ein Polizeisprecher. „Wir müssen uns da | |
die Einsatzberichte noch ganz genau anschauen.“ | |
## „Tod im Polizeigewahrsam“ kriegt mehr Aufmerksamkeit | |
Fälle von Tod im Polizeigewahrsam oder nach Festnahmen werden in den | |
[1][letzten Jahren aufmerksamer verfolgt.] Genaue Zahlen sind schwer zu | |
finden, die Fälle werden in keiner amtlichen Statistik extra erfasst. Doch | |
die Initiative „Death in Custody“ hat sich die Mühe gemacht, Fälle in | |
Deutschland seit 1990 zu recherchieren und [2][auf ihrer Website | |
zusammenzustellen.] Sie zählen 188 Fälle, 23 davon in den letzten zwei | |
Jahren. | |
Dass es heute nach Polizeiaktionen mehr Tote gibt, kann man daraus nicht | |
folgern; schließlich sind weiter zurückliegende Fälle im Nachhinein | |
schwerer zu ermitteln. In Hamburg jedenfalls gab es im vergangenen Jahr | |
gleich zwei Tote: zum einen einen 58-Jährigen, der nach seiner Verhaftung | |
noch im Polizeiauto Krämpfe entwickelte und starb; die Festnahme fand laut | |
Polizei gewaltlos und „ohne Widerstand“ statt. | |
Zum anderen den 36-jährigen Omar K., der Ende Mai von der Polizei | |
erschossen wurde, nachdem er [3][offenbar beim Versuch seiner Festnahme] | |
einen Polizisten angegriffen hatte. Jeder der Todesfälle ist anders | |
gelagert, Gemeinsamkeiten lassen sich nur in Aspekten feststellen. Dem Tod | |
von Omar K. und dem des nun Verstorbenen etwa ist nur gemein, dass beide | |
zuvor von der Polizei wohl als Gefahr wahrgenommen wurden. | |
## Psychisch krank sein ist gefährlich | |
„Tatsächlich sind es überdurchschnittlich oft psychisch Kranke, die bei | |
Polizeieinsätzen sterben“, schreibt Kriminologe Thomas Feltes 2021 in | |
seinem Essay „[4][Polizeieinsätze in Verbindung mit psychisch kranken | |
Menschen“.] Es heißt weiter: „Von den jedes Jahr von der Polizei im Einsatz | |
getöteten Personen sind mindestens die Hälfte, wahrscheinlich sogar | |
deutlich mehr, psychisch gestört oder verwirrt.“ | |
Die psychische Störung mache die Handlungen der Personen für die Polizei | |
unvorhersehbarer, Einsätze könnten leichter eskalieren. Feltes fordert in | |
dem Essay unter anderem zusätzliche Schulungsmaßnahmen für Polizist*innen. | |
Ob solche Schulungsmaßnahmen im aktuellen Fall nötig gewesen wären oder | |
geholfen hätten, dafür ist zu wenig über den Einsatz selbst bekannt. Auch | |
ob der 33-Jährige ohne die gewaltsame Festnahme noch leben würde, ist | |
bisher völlig unklar. Eine Obduktion soll ab Freitag mehr Erkenntnisse | |
bringen. | |
Nicht immer erfüllt sich die Hoffnung auf eine Erklärung für den Tod im | |
Gewahrsam: Im Fall des 19-jährigen Qosay K., der 2021 in Delmenhorst | |
[5][nach einer gewaltsamen Festnahme] starb, wurden die Ermittlungen nach | |
einer Obduktion eingestellt; für die Angehörigen bleiben erhebliche Zweifel | |
und viele Fragen offen. | |
11 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gewalt-bei-der-Polizei/!5757873 | |
[2] https://doku.deathincustody.info/ | |
[3] /Tod-nach-Polizeischuessen-in-Hamburg/!5773096 | |
[4] https://www.thomasfeltes.de/images/Feltes_Alex_Psychisch_Gesto%CC%88rte_020… | |
[5] /Todesfall-in-Polizeigewahrsam/!5756248 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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