# taz.de -- Kinotipp der Woche: Bilder des Unmuts | |
> Die Filme, die bei der “Woche der Kritik“ zu sehen sind, zeigen eine Welt | |
> in Aufruhr und Stillstand. Flankiert wird das Festival von einer | |
> Konferenz. | |
Bild: Adam Khalil and Bayley Sweitzer, „Nosferasta“ (2021): Co-Autor Obi fi… | |
Das Pro und Contra einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland wird immer | |
noch eifrig diskutiert. Da kommt ein Film wie “Nosferasta“ gerade recht. | |
Der zeigt nämlich: der Konsum von Dope, Weed, Gras, wie auch immer man das | |
Zeug nennen mag, bringt echte Vorteile mit sich. Er hilft nämlich auch | |
gegen die unangenehmen Folgen von Vampirismus. | |
Wer also ungewollt Kontakt mit einem Blutsauger gehabt haben sollte: | |
einfach kiffen bis der Arzt kommt, dann wird wieder alles gut. Aufgeklärte | |
Vampirologen sagen heute wahrscheinlich: Vergessen Sie das mit dem | |
Knoblauch, rauchen Sie lieber einen dicken Spliff. | |
In “Nosferasta“, einem Kurzfilm von den Filmemachern Adam Khalil, Bayley | |
Sweitzer und dem Musiker Oba, der an dieser Neufassung seiner eigenen | |
„Origin Story“ mitschrieb und auch in der Hauptrolle zu sehen ist, erfährt | |
man noch etwas weiteres, das man schon längst hätte ahnen können: Christoph | |
Columbus war ein Vampir. Der strandet 1492 in Trinidad und haut gleich mal | |
seine Beißer in den Hals des jungen Oba. Der wird daraufhin ein williger | |
Helfer bei der Versklavung der indigenen Bevölkerung. | |
Mehr als 500 Jahre später, was für einen Vampir ein überschaubarer Zeitraum | |
ist, hat sich Oba freilich vom bösen Bann seines Meisters Dank seines | |
Rastafari-Glaubens und eben dem Dope befreien können. Nun sitzt er in einem | |
Büro der US-Behörden und will seine Greencard verlängert bekommen. | |
Und muss den Beamten ersteinmal beweisen, dass seine Geschichte auch | |
stimmt. So schwer fällt ihm das nicht einmal: Vampire können sich | |
bekanntlich unsichtbar machen und Oba beherrscht diesen Verschwinde-Trick | |
einwandfrei in diesem witzigen und schlauen Postcolonial-Film. | |
## Das Publikum ist zur Diskussion aufgefordert | |
Gezeigt wird der im Rahmen der [1][“Woche der Kritik“], die vom 9. bis zum | |
17. Februar im Hackesche Höfe Kino stattfinden wird und das traditionsgemäß | |
parallel zur Berlinale. Flankiert wird das Filmfestival von einer | |
[2][Konferenz in der Akademie der Künste], bei der sich Filmkritiker und | |
Filmemacher darüber austauschen, wie progressive Filmkultur und | |
progressives Kino heute aussehen sollte. Das Publikum ist dazu eingeladen, | |
nach den gezeigten Filmen diese auch noch weiter in Podiumsdiskussionen zu | |
reflektieren. | |
Progressive Filmkunst könnte vielleicht so aussehen, wie das neue Werk des | |
durchgeknallten philippinischen Regisseurs Khavn De La Cruz. “Love Is A Dog | |
From Hell“ ist selbst für dessen Verhältnisse eine extrem bunte Mischung | |
aus Oper, Musical und Sozialstudie geworden und gleichzeitig eine | |
Neubearbeitung des Orpheus- und-Eurydike-Mythos. | |
Dies ist bereits Khavns zweite Bearbeitung des Stoffes, erneut mit Lilith | |
Stangenberg in der Hauptrolle. Die Leinwand explodiert förmlich bei Khavns | |
Stop-Motion-Tricks und all den anderen grellen Bildeffekten, die er hier | |
auffährt. Und Stangenberg zeigt endgültig, dass sie der größte Popstar | |
unter den deutschen Schauspielerinnen ist. | |
Die Filme, die bei der “Woche der Kritik“ zu sehen sind, zeigen auffallend | |
oft eine Welt im Aufruhr und gleichzeitig eine im Stillstand. Man sieht | |
viele Protest- und Demoszenen, Bilder von Menschen, die es mit ihrem Unmut | |
nach draußen drängt. Dann aber auch ganz ruhige, sogar wortlose Filme, in | |
denen die Orte des Geschehens nur selten gewechselt werden. | |
Die unheimliche Pandemie-Stimmung in ihren verschiedenen Facetten wird so | |
auf die Leinwand übertragen. Von beidem, einer Welt im Aufruhr und | |
gleichzeitig vom Rückzug in ein ganz eigenes Reich, erzählt der Film | |
“2551.01“ des österreichischen Künstlers Norbert Pfaffenbichler. | |
## Grotesk deformierte Gestalten | |
Der beginnt mit einer gewalttätigen Demoszene, bei der Strobo-Effekte | |
aufflackern und übler Mathcore-Sound ertönt. Ein bizarres Wesen rettet | |
dabei ein Kind und bringt es bei sich und Seinesgleichen unter. Nämlich bei | |
grotesk deformierten Gestalten, die sich nicht einmal David Lynch in seinen | |
wildesten Albträumen erdenken könnte. “2551.01“ ist ein kunstvoller | |
Horrorfilm, der gleichzeitig eine Hommage an Charlie Chaplins “The Kid“ | |
ist. Das muss man so auch ersteinmal hinbekommen. | |
Die Pandemie ist auch präsent in dem ebenfalls aus Österreich kommenden | |
Kurzfilm “Friday Night Stand“ von Jan Soldat. Der Filmemacher portraitiert | |
zwei schwule Männer, die sich noch vor Corona in einer Sauna kennengelernt | |
haben. Nun sind sie verabredet zum Date in einer geschmacklos | |
eingerichteten Wohnung und scheinen überhaupt kein Problem damit zu haben, | |
vor der Kamera auch die ungelenkigsten Posen beim Sex einzunehmen. | |
Vor Corona: das war die Freiheit, ungezwungen spontanen Sex an öffentlichen | |
Orten haben zu können. Nun, während Corona, geht es aber auch irgendwie und | |
irgendwo weiter. Man macht halt das Beste aus der Situation. Auch wenn das | |
Sofa, auf dem sich die beiden da so lustvoll gehen lassen, wirklich | |
potthässlich ist. | |
5 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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