Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinotipp der Woche: Entschiedene Auswahl
> Subtile Gesten und feministische Musikentscheidungen in der Reihe
> „Sounding Womanhood – Feminist Gestures in Film “ im SiNEMA Transtopia.
Bild: Auch kochendes Wasser macht schöne Sounds: Szene aus Julia Katharines Fi…
Man kennt das ja: Man kramt rum in seiner Plattensammlung und weiß mal
wieder nicht, was man als nächstes auflegen soll. So ergeht es auch Silvia
in dem brasilianischen Kurzfilm “Tea for Two“. Sie zieht “Songs of Leonard
Cohen“ heraus, mit seinen melancholischen Herzschmerz-Hymnen an Frauen, die
Suzanne heißen oder Marianne. Silvia studiert das Cover der Platte genau,
ist dann aber irgendwie zu gedankenverloren, um sie auch wirklich hören zu
wollen. Später wird sich das Ritual wiederholen, “Álibi“ von Maria Bethan…
landet dann aber wirklich auf dem Plattenteller.
Die Zusammenhänge von Musik, Sound und Feminismus im Film will die von Pia
Chakraverti-Würthwein und Eirini Fountedaki kuratierte Reihe [1][“Sounding
Womanhood – Feminist Gestures in Film“] im Sinema Transtopia untersuchen.
“Sound kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, filmische Stereotypen
von Weiblichkeit umzukehren“, heißt es in der Programmankündigung. Bis zum
5. Februar werden verschiedene Lang- und Kurzfilme aus aller Welt,
aktuelle, genauso wie Werke aus dem Archiv, im [2][Haus der Statistik] zu
sehen sein.
“Feminist Gestures in Film“ will die Reihe also betrachten – feministische
Gesten in Filmen. In gewisser Weise kann das Herauspicken der richtigen
Schallplatte so eine Geste sein. Silvia entscheidet sich in „Tea for Two“
eben gegen das Gejammer des heterosexuellen Mannes aus Kanada, der den
Verflossenen hinterherjammert.
Die Musik direkt spielt in dem Film eigentlich keine Rolle – sie ist
nichteinmal zu hören – aber indirekt. Statt Cohen gibt es Bethania. Das
Album des selbsterklärten “Ladies Man“ bleibt in der Plattenhülle, das der
queeren Sängerin, die in Brasilien ein Nationalheiligtum ist, kommt zum
Erklingen.
## Ohne großes Drama
Silvia befindet sich in dem Film der Regisseurin Julia Katharine in einer
Midlife-Crisis. Sie ist Filmemacherin, aber der ganz große Erfolg blieb
zuletzt aus. Und sie hat sich von ihrer Frau getrennt, mit der sie aber
immer noch in der Kiste landet und die der Beziehung noch einmal eine
Chance geben möchte. Doch Silvia stellt fest, dass auch sie ihre Ex-Frau
zwar noch liebt, sich aber einfach zu sehr an das Alleinsein gewöhnt hat,
um noch einmal mit dieser etwas Festes anfangen zu wollen.
Mitten in diesen Beziehungswirrwarr stolpert nun die Nachbarin Isabela,
eine Transfrau, die ihren Schlüssel verlegt hat und deswegen nicht in ihre
Wohnung kommt. Die beiden kennen sich vom Sehen. Silvia lädt Isabela auf
einen Tee ein, um die Warterei zu verkürzen, die beiden verstehen sich auf
Anhieb, kommen sich direkt näher. Plötzlich steht dann ein transphober
Nachbar erst vor der Tür, dann in der Wohnung, der Silvias neue
Bekanntschaft beleidigt und sie selbst gleich noch mit dazu. Und so wird
Silvia, die sowieso schon emotional stark angeschlagen ist, zur Furie.
Julia Katharine ist mit “Tea for Two“ ein lakonischer, leiser Film
gelungen, der gerade dadurch, dass er mit nur angedeuteten Gesten und dem
Verzicht auf das ganz große Drama arbeitet, zu überzeugen weiß.
Und so läuft es eigentlich bei allen Filmen, die im Rahmen von “Sounding
Womanhood“ gezeigt werden. Was Sound mit Feminismus zu tun haben kann und
wie bestimmte Gesten Genderzuschreibungen unterlaufen können, das wird
nicht an Hand der großen und bisweilen knalligen Werke der Filmgeschichte
analysiert, sondern eher in unbekannten Independentfilmen gezeigt.
“Orlando“ (1992) von Sally Potter, die berühmte Verfilmung eines Klassikers
von Virginia Woolf, ist somit auch der mit Abstand bekannteste Film, der
hier aufgeführt wird.
Lieber wird etwa “Das Mädchen“ (1968), der Debütfilm der ungarischen
Regisseurin Márta Mészáros aus dem Archiv geholt. Oder ein Kurzfilm wie
“Cycles“ (1989) von Zeinabu Irene Davis. In diesem verrichtet eine Frau
alltägliche Dinge. Klo putzen, sich mit Freunden treffen, in der Badewanne
entspannen. Alles dargestellt in grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern. Das
ganz normale Leben nimmt so vordergründig seinen Lauf, während die Frau zu
den Klängen der Musik Miriam Makebas eigentlich auf das Eintreten ihres
Zyklus wartet.
19 Jan 2022
## LINKS
[1] https://bi-bak.de/en/bi-bakino/sounding-womanhood
[2] https://hausderstatistik.org/veranstaltung/tea-for-two-lingua-franca-omeu/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
taz Plan
Kino Berlin
Filmreihe
Soundtrack
Feminismus
taz Plan
Filmrezension
taz Plan
taz Plan
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipp der Woche: Bilder des Unmuts
Die Filme, die bei der “Woche der Kritik“ zu sehen sind, zeigen eine Welt
in Aufruhr und Stillstand. Flankiert wird das Festival von einer Konferenz.
Kinoempfehlungen für Berlin: Gekannt, gemalt und gefilmt
Filmkunst und Kunst im Film gibt es im Tempelhofer Flughafen. Eine ganze
Welt kompletter Künstlichkeit entwirft das Filmmusical „Annette“.
kinotipp der woche: Atomarer Schrecken
Kino des Kalten Krieges: Das Zeughauskino zeigt in der Reihe „The Atomic
Cinema“ Filme des Atomkriegskinos, unter anderem aus den USA und Japan.
Filmempfehlungen für Berlin: Fast wie im Krimi
Echt oder nur täuschend ähnlich? Ein Bild, das als „Leonardo“ durchgeht,
eine Angestellter, der Geld verlegt, und eine Chauffeurstochter mit Klasse.
Berlinale findet im Februar statt: Filmfest in halbvollen Kinos
Trotz der unklaren Auswirkungen der Omikron-Variante soll die Berlinale als
Präsenz-Festival stattfinden – unter strengen Auflagen allerdings.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.