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# taz.de -- Digitale Innovation für Verlage: Showdown für Showcase?
> Eine „neue Nachrichtenerfahrung“ versprach Google mit seinem Angebot
> Showcase. Nun hat das Bundeskartellamt einiges auszusetzen.
Bild: Was will Google? Und was wollen wir?
Wer in Deutschland den Suchbegriff „Google News Showcase“ in die
gleichnamige Suchmaschine eingibt, erhält derzeit die besten Artikel aus
Österreich. Der Standard oder das Boulevardblatt Kurier sind dabei.
Bundesdeutsche Angebote werden nicht ausgespielt. Dabei gibt es sie zuhauf
– von FAZ bis taz.
Doch aus kartellrechtlichen Gründen zeigt die Suchmaschine Google die
deutschen Titel bei Google News nicht an. Stattdessen heißt es: „Google
News Showcase ist momentan nicht in diesem Land oder dieser Region
verfügbar.“ Der Google News Showcase bietet Presseverlagen die Möglichkeit,
ihre Titel und Inhalte in hervorgehobener Darstellung zu präsentieren.
Diese „Story Panels“ enthalten von den jeweiligen Redaktionen ausgewählte
Beiträge, für die Google bezahlt.
Mit großer Fanfare hatte Brad Bender, Googles Vice President Product
Management und News, das Angebot im Sommer 2020 angekündigt. „Wir wollen
unseren Beitrag zur Unterstützung von Journalismus und Nachrichten
leisten.“ Als neues Lizenzmodell bezahle Google via Showcase nun die
Verlage für ihre hochwertigen Inhalte, sorge für eine „neue
Nachrichten-Erfahrung“ und helfe den beteiligten Unternehmen, ihre
Reichweite zu steigern und ihre Inhalte endlich zu Geld zu machen. Seitdem
gibt es Streit – unter Journalist*innen, bei den Verlagen und mit dem
Bundeskartellamt.
„Als Retter der verunsicherten vierten Gewalt dient sich ausgerechnet
jenes Unternehmen an, das für den digital getriebenen
Transformationsdruck der Medien steht wie kaum ein anderes – Google“,
[1][schrieben Ingo Dachwitz und Alexander Fanta schon 2020 in ihrer im
Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung (OBS)] und von netzpolitik.org
entstandenen Studie über die „Umgarnungsstrategie“ des „Medienmäzens
Google“.
Deutschland war neben Brasilien einer der Pilotmärkte für den News
Showcase, der hier im Herbst 2020 an den Start ging. Ein gutes Jahr später
fällt die Bilanz ernüchternd aus. „Das Produkt ist ja gar nicht so schick
wie gedacht und wird auch gar nicht so gut angenommen“, sagt Dachwitz, der
im Hauptberuf für netzpolitik.org arbeitet.
Allerdings gehe es Google ja auch nicht wirklich um Reichweite, sondern um
eigene Lizenzdeals mit den Verlagen. Die durchsichtige Absicht: Durch
solche individuellen Vereinbarungen wollte sich Google ursprünglich vom
[2][Leistungsschutzrecht] freikaufen. Nach dem neuen EU-Urheberrecht müssen
Plattformen wie Google, Facebook & Co die Verlage für die Nutzung ihrer
redaktionellen Inhalte bezahlen. Ein in den ursprünglichen
Showcase-Verträgen enthaltener Passus schloss genau das aus. „Darin hieß
es, wer Geld im Rahmen des Showcase bekomme, kann keine weiteren
Lizensierungsvereinbarungen abschließen“, so Dachwitz.
## Auf die Pelle
Doch der Schuss geht jetzt ins Leere. Denn das Bundeskartellamt stellte mit
einer Grundsatzentscheidung am 30. Dezember 2021 fest, dass der
Mutterkonzern von Google, die Alphabet Inc., Mountain View, USA, unter die
erweiterte Missbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde fällt. „Auf dieser
Grundlage kann das Bundeskartellamt jetzt konkrete, für den Wettbewerb
schädliche Verhaltensweisen aufgreifen“, [3][so Kartellamtspräsident
Andreas Mundt Anfang Januar.]
Nur eine Woche später legte Mundt dann mit Blick auf den News Showcase
nach: Sein Amt rückte Google bei den entscheidenden Knackpunkten auf die
Pelle. Man werde prüfen, ob der News Showcase die Durchsetzung der
Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht behindere und die Verlage für ihre
Showcase-Inhalte marktüblich bezahlt würden, so Mundt am 12. Januar.
Außerdem schaut sich das Kartellamt an, ob der Zugang zum Showcase-Angebot
diskriminierungsfrei ist. Dabei geht es konkret darum, ob Google einzelne
Unternehmen benachteiligt bzw. ausschließt, beispielsweise weil sie sich
beim Geld nicht einig werden. Ach, und den Showcase wie geplant „in die
allgemeine Google-Suche einzubinden und entsprechend zu präsentieren“ ginge
gar nicht, hier befürchtet das Kartellamt „eine Selbstbevorzugung Googles
bzw. eine Behinderung konkurrierender Angebote Dritter.“
In der entsprechenden Pressemeldung des Kartellamts heißt es mit feiner
Ironie, das Kartellamt habe nun „Google Maßnahmen vorgeschlagen, um
wettbewerbliche Bedenken des Amtes auszuräumen“. Weshalb heute, siehe oben,
eine Google-Suche nach dem News Showcase nach Österreich führt. Erste
Verlage haben neben dem Showcase-Deal auch schon zusätzliche
Lizenzvereinbarungen mit Google nach dem Leistungsschutzrecht getroffen.
Nun wird mit Spannung erwartet, was bei der Forderung nach dem
Showcase-Zugang für alle herauskommt.
Die Verwertungsgesellschaft Corint (ehemals VG Wort), die viele Verlage in
Sachen Leistungsschutzrecht vertritt und mit ihrer Klage beim
Bundeskartellamt im vergangenen Jahr das aktuelle Verfahren ins Rollen
brachte, begrüßt die Entscheidung natürlich. „Google News Showcase ist
damit weder für Google noch für Verleger attraktiv“, so
Corint-Geschäftsführer Christoph Schwennicke. Denn „Googles Kerngeschäft
ist genau jene Suche“, die ab sofort verboten ist. Das sieht Ingo Dachwitz
anders: „Der News Showcase wurde gut angenommen. Man muss nach Medien, die
nicht mitmachen, schon ziemlich suchen.“
## Internationale Strategie
Auch die Journalismusforscherin Annika Sehl von der Bundeswehr-Uni München
sieht für Google weiter Vorteile. „Aktuell nehmen rund 90 Medientitel aus
Deutschland am News Showcase teil, das ist für Google in jedem Fall ein
Erfolg. Sie haben das breit ausgerollt und sorgen mit den Zahlungen für
eine freundliche Stimmung innerhalb der Branche.“
Für Sehl reiht sich der Showcase nahtlos in die Reihe anderer PR-Maßnahmen
wie die Google-News-Initiative ein. So schaffe der Konzern eine politische
Imagepolitur nach dem Motto „Wir sind doch auch die Guten“. Zudem sei der
News Showcase „eine internationale Strategie“, so Sehl. „Die Beschränkun…
durch das Bundeskartellamt sind für Google da nur ein Aspekt von vielen“.
Und was haben die Verlage wirklich von der Kooperation mit Google? Sehl
sieht hier Vorteile für kleinere und mittlere Titel, „die ihre Angebote im
Netz selbst nicht so promoten könnten“. Für große Konzerne wie Springer
sehe das anders aus. „Die wollen ihre Macht selbst ausspielen.
Doch viele kleine Verlag können das nicht und sind eher auf das Geld
angewiesen“. Weshalb Springer bislang auch nicht mitspielt und mit seinem
Vorstandschef Mathias Döpfner zumindest bislang immer kräftig gegen Google
Front machte. Allerdings hatte Döpfner schon im vergangenen Sommer die
Branche aufgeschreckt. Da schloss Springer plötzlich einen gar nicht so
unähnlichen Deal mit Facebook News. Das Argument damals: Facebook schließe
weitere Ansprüche nach dem Leistungsschutzrecht nicht aus. Das gilt heute
allerdings auch für Google.
Aber dürfen sich unabhängige Redaktionen mit der bösen Krake Google ins
Bett legen? Wie so oft, wenn es um die Zukunft von Presse und Journalismus
geht, wird viel zu schwarz-weiß gemalt, kritisieren Dachwitz wie Sehl:
„Dass viele Verlage sagen, wir müssen da mitmachen, wir haben keine andere
Wahl“ sei „nur bedingt die Schuld von Google“.
Denn woher „soll das Geld für die digitale Innovation der Branche kommen“,
wenn die es bis auf Ausnahmen wie Springer selbst nun mal nicht aufbringen
kann, fragt Ingo Dachwitz. Die deutsche Medienpolitik hat hier bislang
geschlafen. Die im vergangenen Jahr geplante nationale Presseförderung zur
„digitalen Transformation des Verlagswesens“ war dermaßen unausgegoren,
dass sie gar nicht erst an den Start ging.
Der lachende Dritte heißt also bis auf Weiteres Google. Durch seine
Förderung stelle Google sicher, „bei Debatten über die Zukunft der
Nachrichtenmedien immer ein Wörtchen mitzureden“ hieß es schon 2020 in der
OBS-Studie über den „Medienmäzen Google“. Denn dieser Wohltäter stoße
„damit in eine Lücke, die sonst niemand ausfüllt“.
29 Jan 2022
## LINKS
[1] /Wie-Google-deutsche-Verlage-finanziert/!5720783
[2] /Deal-zwischen-Google-und-Medien/!5816635
[3] /Kartellamt-leitet-Verfahren-ein/!5826601
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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