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# taz.de -- Chrupalla als AfD-Chef in Frage gestellt: Zwei Rücktritte und viel…
> Die AfD-Fraktion im Bundestag streitet sich mal wieder: Nach zwei
> Austritten geht es auch um die Machtfrage vor dem anstehenden
> Bundesparteitag.
Bild: Rüdiger Lucassen (mitte) will Parteichef werden, Tino Chrupalla (rechts)…
Berlin taz | Es knallt weiter in der AfD-Bundestagsfraktion: Der
Abgeordnete und NRW-Landeschef Rüdiger Lucassen, der zuletzt angesichts der
Rücktritte zweier Abgeordneter aus der Fraktion eine Aufarbeitung anmahnte,
stellt nun die Kandidatur von Tino Chrupalla als Parteichef infrage.
AfD-Fraktionschef Chrupalla, mit Direktmandat aus Sachsen, will beim
nächsten Parteitag im Frühjahr erneut für den Bundesvorsitz kandidieren und
galt noch im Dezember als gesetzt. Dann aber wurde der Parteitag in
Wiesbaden wegen der Coronapandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.
Nun meldet Lucassen erneut selbst Ansprüche auf den Bundesvorsitz an und
gibt dabei seinem Fraktionschef noch einen mit: „Die AfD hat sich immer
sehr gegen eine Ämterhäufung ausgesprochen, und die Aufgaben als
Fraktionsvorsitzender sind bereits sehr fordernd“, sagte Lucassen der taz
zur Kandidatur Chrupallas. Mit ein wenig Abstand zum abgesagten Parteitag
halte er die Personalfrage wieder für offen. Er selbst stehe weiter für den
Vorsitz zur Verfügung. Lucassen gilt mit dem bayerischen
Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer und Chrupalla als einer der
aussichtsreicheren Kandidaten für die Parteispitze.
Es war bereits das zweite Mal diese Woche, dass Lucassen öffentlich seine
Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Chrupalla kritisierte: Schon nach
den Rücktritten von Johannes Huber und Uwe Witt kurz vorm Jahreswechsel
hatte er von [1][„grundsätzlichen Problemen“] in Fraktion und Partei
gesprochen. Man müsse sich fragen, was man anders machen könne, damit
weitere Austritte künftig vermieden werden können, sagte Lucassen der taz.
Weidel und Chrupalla hatten die Rücktritte bedauert und die Abgeordneten
aufgefordert, ihre Mandate für Nachrücker freizumachen. Zudem gifteten sie
gegen Lucassen, standesgemäß in der neurechten Jungen Freiheit: „Daraus
politisches Kleingeld zu schlagen, ist kein guter Stil und zeugt von
schlechtem Urteilsvermögen“, sagte Weidel. Sie wünsche sich, dass man
zweimal nachdenke, „bevor man mit haltlosen Behauptungen die gesamte
Fraktion öffentlich in Misskredit bringt“. Chrupalla sekundierte: „Lucassen
kann sich jederzeit persönlich an mich wenden, wenn ihm ein befreundeter
Fraktionskollege anvertraut, dem Druck nicht mehr standzuhalten.“
## Neujahrsgruß wie eine Kriegserklärung
Wann über den Vorsitz entschieden wird, ist indes weiter unklar: Laut
Bundesgeschäftsstelle soll der Parteitag schnellstmöglich nachgeholt werden
– „womöglich im ersten Quartal“. Bislang gebe es aber weder ein Datum no…
einen Ort. Sicher ist zumindest eines: Der Parteitag wird der letzte sein,
den Jörg Meuthen, der für AfD-Verhältnisse als gemäßigt gilt, als
Parteivorsitzender eröffnet – er tritt nach Grabenkämpfen mit dem formal
aufgelösten „Flügel“ nicht mehr an.
Bis dahin bleibt noch ein wenig Zeit für die verschiedenen Lager, die
Messer zu wetzen: Angefangen hat damit bereits der völkische
Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl. Dessen Neujahrsgruß liest sich wie eine
Kriegserklärung an Meuthens Verbündete. „Genug mit den liberalen Freunden
in unserer Partei“, erklärte Pohl. Seine Forderung: „Aufstehen und Soziales
und Patriotismus in die Gesellschaft tragen.“ [2][Alice Weidel gefiel der
Beitrag]. Darunter antwortete die zum Meuthen-Lager zählende
Fraktionskollegin Joana Cotar: „Überlegen Sie nochmal, was liberal
tatsächlich heißt und hören Sie endlich mit der Spaltung der Partei auf,
die Sie anderen immer so gern vorwerfen.“
Zudem will der gerade aus der Fraktion ausgetretene Witt am 18. Januar die
nächste Bombe platzen lassen und die Gründe für seinen Rückzug näher
erläutern. Details will Witt noch nicht verraten. Er wird jedoch bei der
Online-Pressekonferenz nicht allein sein, heißt es. Bekannt ist, dass Witt
seinen Rückzug in internen Schreiben mit jüngsten „Grenzüberschreitungen“
von Parteimitgliedern begründete. Er habe Konsequenzen angekündigt, sobald
diese die Bundestagsfraktion erreichten oder der Bundesvorstand „keine
klare Kante“ dagegen zeige. Sein Bundestagsmandat will Witt aber behalten.
Tatsächlich schreitet die Radikalisierung der extrem rechten Partei weiter
voran. Zuletzt hatten prominente Mitglieder der [3][AfD Bayern in Chats
einen Bürgerkrieg heraufbeschworen]. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke
spricht mit Blick auf die Coronamaßnahmen von einer drohenden Diktatur,
gegen die die Bürger auf die Straße gehen müssten. AfD-Politiker*innen
treten als Demo-Anmelder*innen auf und demonstrieren zusammen mit Neonazis
– oder rufen dazu auf, Personalausweise bei unangemeldeten Aufzügen Zuhause
zu lassen, um der Polizei Identitätsfeststellungen zu erschweren.
Politisch konnte die AfD daraus jedoch bislang kaum Kapital schlagen und
dümpelt in Umfragen weiter zwischen zehn und elf Prozent. Das hindert sie
aber nicht daran, weiter gegen Impfungen zu mobilisieren – auch wenn
bereits [4][mehrere AfD-Politiker ungeimpft an Covid-19 gestorben sind].
## Hildmanns Helfer
Der zweite Rücktritt in der Fraktion hat wiederum direkt mit
AfD-Desinformationen zu Corona zu tun: Johannes Huber zog Konsequenzen aus
zahlreichen geleakten Nachrichten aus dem besagten Telegram-Chat der AfD
Bayern. In denen soll Huber sich nicht nur rassistisch und antisemitisch
geäußert haben. Aus seinen über 4.000 Nachrichten soll auch hervorgehen,
dass Hubers Mitarbeiter dem [5][abgedrifteten Neonazi Attila Hildmann]
Mitte 2020 bei der Erarbeitung einer Petition halfen. Huber bezeichnete die
Chats als „pointiert-überspitzt“.
Vor rund einem Monat war bereits bekannt geworden, dass er via Telegram
Anleitungen geteilt haben soll, um PCR-Testergebnisse zu fälschen – mittels
[6][Speichel von Infizierten, den man sich selbst zuführen soll.] Alles
nicht ernst gemeint, erklärte Huber später. Er war neben dem
Landesvorsitzenden der AfD Bayern, Stephan Protschka, auch Administrator
besagter bayerischer Chat-Gruppe, zu der inzwischen die Sicherheitsbehörden
ermitteln und auch schon [7][zwei Hausdurchsuchungen bei AfD-Politikern
erfolgten].
Die AfD-Fraktion, die ursprünglich 83 gewählte Abgeordnete zählte, ist
damit auf nun 80 Mitglieder geschrumpft. Der in [8][NRW gewählte Matthias
Helferich] trat der Fraktion erst gar nicht bei, nachdem ein Chat bekannt
wurde, in dem er sich als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnete.
Zudem trifft die Fraktion im Bundestag inzwischen auf geballten Widerstand:
Im Dezember waren ihre Kandidaten für die eigentlich zugeteilten Vorsitze
im Innen-, Gesundheits- und Entwicklungszusammenarbeits-Ausschuss
[9][allesamt bei Wahlen durchgefallen]. Die Fraktion gab nun bekannt,
dagegen am 31.12.2021 eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht
eingereicht zu haben.
Erfolgversprechend ist die allerdings nicht wirklich: In ähnlicher Weise
hatte die AfD bereits in der vergangenen Legislatur gegen ihre
Nicht-Berücksichtigung bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsidentengeklagt.
Kein AfD-Kandidat hatte in mehreren Wahlgängen die erforderliche Mehrheit
erhalten, im aktuellen Bundestag ist es genau so. Im [10][Eilverfahren
blieb die AfD-Klage erfolglos], Ähnliches dürfte wohl auch bei den
Ausschussvorsitzen bevorstehen: Die Posten stehen der AfD zwar formal zu,
aber niemand kann die restlichen demokratischen Abgeordneten zwingen,
AfD-Politiker*innen zu wählen.
Die jüngsten Entwicklungen der Partei dürften derweil auch den
Verfassungsschutz interessieren. Die AfD klagt derzeit vor [11][dem
Verwaltungsgericht in Köln gegen eine Einstufung als rechtsextremer
Verdachtsfall]. Im März wird darüber verhandelt. Einzelne Landesverbände
wie die AfD Thüringen sind bereits als „erwiesen extremistisches
Beobachtungsobjekt“ eingestuft. Weitere östliche Landesverbände sowie die
Junge Alternative gelten als Verdachtsfälle. Nach den jüngsten
Radikalisierungsschüben dürften die Verfahren in Köln nicht positiv für die
AfD ausgehen.
Das wiederum verheißt aus AfD-Sicht nichts Gutes für die vier im Jahr 2022
anstehenden Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein,
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die Landesverbände gelten in jedem
der westlichen Bundesländer als tief zerstritten. In Umfragen für die
Länder dümpelt die AfD mehr oder weniger knapp über der Fünfprozenthürde.
6 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_91418678/alice-…
[2] https://twitter.com/SchmidtLev/status/1478682566114873347?t=WdpZYkf6jGi31Dx…
[3] /Rechtsextreme-Chatgruppen/!5819500
[4] /Desinformation-in-der-Coronakrise/!5824346
[5] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-bundestagsfraktion-ant…
[6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_91315234/co…
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_91360066/razzia…
[8] /AfD-Bezuege-zum-Nationalsozialismus/!5790562
[9] /Saemtliche-AfD-Kandidaten-scheitern/!5822601
[10] /Karlsruhe-zu-Bundestagspraesidium/!5788366
[11] /Gericht-entscheidet-ueber-Einstufung/!5823644
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Jens Maier
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