# taz.de -- Außenministerin Baerbock in Kiew: Nette Worte statt neuer Waffen | |
> Im Fall einer russischen Aggression sichert Außenministerin Baerbock der | |
> Ukraine Unterstützung zu – Waffenlieferungen exklusive | |
Bild: Antrittsbesuch in Kiew: Außenministerin Baerbock gedenkt der Opfer der M… | |
BERLIN/KIEW taz | Auf dem Rollfeld vor dem Regierungsterminal des Berliner | |
Flughafens stehen am Montag, weit vor Sonnenaufgang, zwei Flugzeuge. Das | |
eine wird ein paar Stunden später der Bundeskanzler betreten. Olaf Scholz | |
fliegt zu seinem Antrittsbesuch nach Madrid, eine erwartbar unspektakuläre | |
Reise. Im anderen Flieger brennt schon Licht. Annalena Baerbock sitzt an | |
Bord, sie fliegt gleich ab nach Kiew und von dort nach einigen Stunden | |
Aufenthalt weiter nach Moskau. Gegen 6 Uhr geht die Reise los. Der Kanzler | |
lässt der Außenministerin den Vortritt. | |
Es ist also nicht alles schlecht in der neuen Koalition. Es ist zwar | |
unüberhörbar, dass die Ampelparteien außenpolitisch nicht auf einer Linie | |
sind – die SPD möchte gegenüber Russland einen weicheren Kurs fahren als | |
Grüne und FDP. Aber dass Olaf Scholz die Außenpolitik allein im Kanzleramt | |
bestimmen möchte (wie manche bei den Grünen in den letzten Wochen | |
fürchteten), dass er gar Termine mit Wladimir Putin vereinbart, bevor die | |
Außenministerin nach Osten gereist ist (wie die „Bild“ spekulierte), stimmt | |
so offenbar auch nicht. Das ist die gute Nachricht für Baerbock. Die | |
schlechte: Kompliziert werden die zwei Tage in der Ukraine und in Russland | |
dennoch. | |
Es geht, natürlich, um die [1][mögliche russische Invasion] im Osten der | |
Ukraine. Nahe der Grenze hat Russland weiterhin rund 100.000 | |
Soldat*innen zusammengezogen. Verschiedene hochrangige Gespräche der | |
vergangenen Woche blieben ohne Ergebnis. Als größter Erfolg gilt, dass man | |
überhaupt geredet hat. Direkt nach den Gesprächen kam am Freitag ein | |
Ultimatum aus Moskau: Diese Woche will man eine schriftliche Antwort des | |
Westens auf Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien. | |
Der Kreml verlangt unter anderem das Versprechen, dass die Ukraine | |
[2][niemals Nato-Mitglied wird]. Eine Forderung, so viel vorweg, die | |
Baerbock am Montag in Kiew wiederholt zurückweisen wird: „Kein Land hat das | |
Recht, anderen vorzuschreiben, welche Bündnisse sie eingehen.“ | |
## Baerbock legt Blumen nieder | |
Ihr öffentliches Besuchsprogramm beginnt die Grünen-Politikerin am | |
Vormittag auf einem kleinen Platz über dem Maidan, wo sich Ende 2013 und | |
Anfang 2014 die Massenproteste gegen die damalige russlandnahe Regierung | |
abspielten. Hier oben steht mittlerweile eine kleine Gedenkstätte für die | |
Dutzenden Aktivist*innen, die damals getötet wurden, die meisten erschossen | |
von Scharfschützen. Auf Steinplatten sind Namen und Gesichter der Toten | |
eingraviert. „Denkmal der himmlischen Hundertschaft“ nennen die Ukrainer | |
das Mahnmal. | |
Bei eisigem Wind legt Baerbock Blumen nieder, danach lässt sie sich in | |
ihrem Konvoi die zehn Minuten zum Außenministerium fahren – vorbei am | |
St.-Michaels-Kloster mit seinen goldenen Kuppeln, an dessen Außenmauer | |
Fotos der ukrainischen Soldaten hängen, die seit 2014 an der Front im Osten | |
getötet wurden. Die Gefechte finden Hunderte Kilometer von Kiew entfernt | |
statt. Trotzdem ist der Krieg in der Hauptstadt sehr präsent. | |
„Ich möchte nicht verhehlen, dass wir heute mit Frau Ministerin auch über | |
die Frage von Waffenlieferungen gesprochen haben“, sagt am frühen | |
Nachmittag Baerbocks ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba auf einer | |
gemeinsamen Pressekonferenz im Foyer des Ministeriums. Schon lange fordert | |
die ukrainische Regierung vergebens Waffen aus Deutschland, um sich gegen | |
Russland zur Wehr zu setzen, und das nicht immer so höflich wie Kuleba bei | |
diesem Antrittsbesuch. Am Wochenende noch hatte der ukrainische | |
Botschafter in Deutschland deutlichere Worte gewählt, er sprach von | |
„unterlassener Hilfeleistung“. | |
So oder so: Die gewünschten Waffen wird Kiew weiterhin nicht bekommen. Man | |
wolle die Situation „nicht weiter eskalieren lassen“, sagt Baerbock in | |
ihrer Antwort an Kuleba. Die Ampelkoalition habe sich bei Rüstungsexporten | |
auf eine restriktive Linie verständigt, das gilt auch in diesem Fall. | |
## Pipeline? Welche Pipeline? | |
Das ist einer der Punkte, bei dem sich die Bundesregierung größtenteils | |
einig ist. Schwieriger ist es bekanntlich bei Nord Stream 2. FDP und Grüne | |
sprechen sich einigermaßen klar dagegen aus, die Gaspipeline Nord Stream 2 | |
in Betrieb zu nehmen, falls Russland in der Ukraine einmarschieren sollte. | |
Die SPD ist sich über solche Konsequenzen nicht sicher: Olaf Scholz | |
verkündet auf Nachfrage stets, mit der Pipeline nichts am Hut zu haben; | |
[3][Genossen warnen in dem Zusammenhang vor Sanktionsspiralen]. | |
Im Foyer des Außenministeriums in Kiew – kalt ist es auch hier, fast so, | |
als habe Russland das Gas schon abgedreht – will eine ukrainische | |
Journalistin von Baerbock wissen, was denn nun die Position der | |
Bundesregierung sei. Die Außenministerin antwortet, dass das Projekt | |
natürlich „geostrategische Implikationen“ habe. Falls Russland weiter | |
eskaliert, werde man „geeignete Maßnahmen dann entsprechend auch | |
ergreifen“, da sei sich die Koalition einig. | |
Ob das Baerbocks Amtskollegen Kuleba überzeugt? Er bleibt so höflich wie | |
zuvor – und geht nicht weiter darauf ein. | |
Angenehm. Und einfacher als das, was Baerbock am Dienstag erwartet. Dann, | |
in Moskau, wird sie Sergei Lawrow treffen, den russischen Außenminister. | |
Die Themen werden ähnlich sein wie in Kiew. Aber für ein behagliches | |
Gesprächsklima sorgt Lawrow für gewöhnlich nicht. Von einer „frostigen | |
Stimmung“ schrieb der Spiegel schon, als Heiko Maas vor vier Jahren zu | |
seinem Antrittsbesuch nach Moskau reiste. Und dabei kam der doch immerhin | |
noch von der SPD. | |
17 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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