# taz.de -- Außenministerin Baerbock in Moskau: Im Zweifel Scholz fragen | |
> Antrittsbesuch bei Lawrow: In Moskau erwartet Annalena Baerbock kein | |
> herzlicher Empfang. Das liegt auch an ihrem Kanzler. | |
Bild: Außenministerin Baerbock am Montag bei einer Pressekonferenz in Kiew | |
MOSKAU taz Läuft es so, wie Annalena Baerbock es sich vorstellt, soll beim | |
Moskau-Besuch ab Montagabend auch noch Zeit für einen Ausstellungsbesuch in | |
der Tretjakow-Galerie herausspringen. Die Bundesregierung fördert die | |
Ausstellung „Diversity United“, die die Geschlechteridentität zum Thema | |
macht. Das deutsche Engagement wird in russischen Museumskreisen geduldet. | |
In Regierungszirkeln und der Bürokratie gilt „Diversität“ indes als | |
Westimport, der russischen Traditionen zuwiderläuft. | |
Das wird sich auch auf den Besuch der deutschen Außenministerin Baerbock in | |
Moskau auswirken. Wird der bärbeißige russische Außenminister Sergei Lawrow | |
die Grüne in Russland bei ihrem Antrittsbesuch wenigstens neutral | |
empfangen? [1][EU-Außenbeauftragter Josep Borrell beispielsweise] machte | |
bei seiner letzten Visite in Russland eine andere Erfahrung. Lawrow nutzte | |
die Gelegenheit und verwies während des Besuchs EU-Vertreter des Landes. | |
Höflichkeitsformeln kommen zurzeit nur noch gegenüber China zum Einsatz. | |
Deutschland und die EU fallen für den Kreml derzeit in das Lager [2][der | |
strategischen Gegner]. Weder Berlin noch Brüssel sind militärisch ernst zu | |
nehmen. Dies dürfte als Grundhaltung Russlands Position gegenüber der | |
deutschen Außenministerin beherrschen. Vor allem aber wird der Kreml | |
versuchen, das Außenministerium schlicht zu umgehen. Die Vorlage lieferte | |
vor Kurzem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der andeutete, auch das | |
Kanzleramt in außenpolitische Entscheidungen einzuschalten. | |
Moskaus Beobachter sehen darin grünes Licht: Die Entscheidungskompetenz | |
liegt im Zweifelsfalle beim Kanzleramt. Die Anknüpfungspunkte an die | |
Ostpolitik unter Willy Brandt vor 50 Jahren werden von den Sozialdemokraten | |
auch heute noch für brauch- und umsetzbar gehalten, als hätten sich die | |
Rahmenbedingungen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht verändert. | |
Als wäre Wladimir Putin nur ein Nachfolger Leonid Breschnews. | |
## Streitfrage Nord Stream 2 | |
Baerbock geht davon aus, dass eine Doppelstrategie von Dialog und Härte am | |
ehesten zum Erfolg führt. Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt vom | |
Verhalten der SPD ab. Baerbock und die Grünen wären bereit, im Falle einer | |
militärischen Intervention Russlands in der Ukraine die | |
Nord-Stream-Pipeline 2 zu stoppen. Der Kreml wird alle Hebel in Bewegung | |
setzen, um das zu verhindern. Er setzt darauf, die Sozialdemokratie für | |
sein Vorgehen einzuspannen. | |
Nach den Gesprächen mit den USA, der Nato und der OSZE letzte Woche warf | |
Außenminister Lawrow dem Westen vor, sich selbst zu überschätzen, seine | |
Pflichten zu verletzen und den Verstand nicht zu nutzen. Im gleichen | |
Atemzug verlangte er schriftliche Antworten auf Russlands Forderungen, die | |
Ukraine und Georgien nicht in die Nato aufzunehmen. Gleichzeitig möchte | |
Baerbock das eingeschlafene Normandie-Format wiederbeleben, an dem | |
Deutschland und Frankreich mit Russland und der Ukraine verhandeln. | |
Für Beruhigung in Moskau dürfte sorgen, dass die Außenministerin | |
Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnte. Wirtschaftsminister Robert | |
Habeck hatte ursprünglich Lieferungen von Defensivwaffen für möglich | |
gehalten. „Es wird sich zeigen, ob der russische Außenminister Sergei | |
Lawrow wirklich an einem Meinungsaustausch interessiert ist oder ob er nur | |
bekannte Positionen vortragen wird“, gibt der Grünen-Politiker Jürgen | |
Trittin zu bedenken. Zurzeit regiert in Moskau abweisende | |
Kaltschnäuzigkeit. Ob es in Fragen der Klimapolitik Anknüpfungspunkte geben | |
könnte, scheint zurzeit auch eher ausgeschlossen. | |
Baerbock hatte zuvor angedeutet, dass Russlands Sicherheitsbedenken ernst | |
genommen werden sollten. Man sei zum Dialog bereit, meinte sie. „Wir haben | |
einen langen Atem“, versprach sie am Montag vor dem Weiterflug nach Moskau. | |
18 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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